eingesetzte Fräulein Fanny Darlington, und als Fräulein Clarissa Harlowe.
"Wenige Personen, pflegte sie zu sagen, wür- "den in einer Gesellschaft von Frauenzimmer "verurtheilet, oder nur angeklaget werden, wenn "sie gegenwärtig wären. Es ist also großmü- "thig, ja nichts mehr als gerecht und billig, sich "des Abwesenden anzunehmen, wenn er nicht "offenbar schuldig ist."
Aber ob sie gleich auf die Weisheit, so zu reden, ein angebohrnes Recht hatte, so hat- te sie doch noch nicht Jahre genug, sich eine sol- che Erfahrung zuzueignen, die sie aus der Nothwendigkeit gesetzet hätte, ihre Meinung von Personen und Sachen zuweilen zu ändern. Aber, wenn sie sich genöthiget sahe, dies zu thun, so nahm sie sich wol in Acht, daß die unverdiente Würde, die sie einer Person aus Jrthum zugeschrieben hatte, ihre allgemeine Lie- be nicht umschränken, und in einen allgemeinen Zweifel und Argwohn zusammen ziehen möchte. Jch erinnere mich gleich eines Exempels hievon.
Sie müssen allenthalben u. s. w.
Th. VII. S. 808. L. 6. nach den Worten: weggieng als vorher.
Und doch war sein Betragen in ihrer Gegen- wart zu scheinbar, als daß ein Frauenzimmer viel wider ihn einzuwenden haben konnte, die einen geringern Grad der reizenden Zärtlichkeit
und
S 2
eingeſetzte Fraͤulein Fanny Darlington, und als Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
„Wenige Perſonen, pflegte ſie zu ſagen, wuͤr- „den in einer Geſellſchaft von Frauenzimmer „verurtheilet, oder nur angeklaget werden, wenn „ſie gegenwaͤrtig waͤren. Es iſt alſo großmuͤ- „thig, ja nichts mehr als gerecht und billig, ſich „des Abweſenden anzunehmen, wenn er nicht „offenbar ſchuldig iſt.”
Aber ob ſie gleich auf die Weisheit, ſo zu reden, ein angebohrnes Recht hatte, ſo hat- te ſie doch noch nicht Jahre genug, ſich eine ſol- che Erfahrung zuzueignen, die ſie aus der Nothwendigkeit geſetzet haͤtte, ihre Meinung von Perſonen und Sachen zuweilen zu aͤndern. Aber, wenn ſie ſich genoͤthiget ſahe, dies zu thun, ſo nahm ſie ſich wol in Acht, daß die unverdiente Wuͤrde, die ſie einer Perſon aus Jrthum zugeſchrieben hatte, ihre allgemeine Lie- be nicht umſchraͤnken, und in einen allgemeinen Zweifel und Argwohn zuſammen ziehen moͤchte. Jch erinnere mich gleich eines Exempels hievon.
Sie muͤſſen allenthalben u. ſ. w.
Th. VII. S. 808. L. 6. nach den Worten: weggieng als vorher.
Und doch war ſein Betragen in ihrer Gegen- wart zu ſcheinbar, als daß ein Frauenzimmer viel wider ihn einzuwenden haben konnte, die einen geringern Grad der reizenden Zaͤrtlichkeit
und
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eingeſetzte Fraͤulein Fanny Darlington, und
als Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
„Wenige Perſonen, pflegte ſie zu ſagen, wuͤr-
„den in einer Geſellſchaft von Frauenzimmer
„verurtheilet, oder nur angeklaget werden, wenn
„ſie gegenwaͤrtig waͤren. Es iſt alſo großmuͤ-
„thig, ja nichts mehr als gerecht und billig, ſich
„des Abweſenden anzunehmen, wenn er nicht
„offenbar ſchuldig iſt.”
Aber ob ſie gleich auf die Weisheit, ſo zu
reden, ein angebohrnes Recht hatte, ſo hat-
te ſie doch noch nicht Jahre genug, ſich eine ſol-
che Erfahrung zuzueignen, die ſie aus der
Nothwendigkeit geſetzet haͤtte, ihre Meinung
von Perſonen und Sachen zuweilen zu aͤndern.
Aber, wenn ſie ſich genoͤthiget ſahe, dies zu
thun, ſo nahm ſie ſich wol in Acht, daß die
unverdiente Wuͤrde, die ſie einer Perſon aus
Jrthum zugeſchrieben hatte, ihre allgemeine Lie-
be nicht umſchraͤnken, und in einen allgemeinen
Zweifel und Argwohn zuſammen ziehen moͤchte.
Jch erinnere mich gleich eines Exempels hievon.
Sie muͤſſen allenthalben u. ſ. w.
Th. VII. S. 808. L. 6. nach den Worten:
weggieng als vorher.
Und doch war ſein Betragen in ihrer Gegen-
wart zu ſcheinbar, als daß ein Frauenzimmer
viel wider ihn einzuwenden haben konnte, die
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/283>, abgerufen am 16.02.2025.
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