den Schutz Gottes, da ich höre, daß Herr Lo- velace ein Gelehrter ist.
Es ist wunderbar genug, daß so ein nieder- trächtiger Bösewicht (ich hoffe, er wird dies nimmer zu Gesicht bekommen!) ein Ge- lehrter seyn soll. Jch will so viel sagen, daß ein Gelehrter sich so viel abmüßigen kann, ein Bösewicht zu seyn; obgleich, möglicher Weise, ein Gelehrter ein schlauer Sünder seyn, und die Gelegenheiten ergreifen kann, wie sie ihm eben in den Weg kommen. - - Welches ich gleich wol, wie ich in Warheit versichre, nie gethan habe!
Jch sage noch einmal, daß ich, da er ein Ge- lehrter ist, meine claßische Waffenrüstung (wenn ich so reden darf) anlegen werde, und etwa mit ihm ganz sanftmüthig (denn Tapfer- keit und Sanftmuth sind Eigenschaften, die sehr wol mit einander bestehen, und bei keinem in solchem Glanze scheinen, als in der christlichen Geistlichkeit) und etwa, sage ich, mit ihm ganz sanftmüthig vom Ovid an- fangen:
Corpora magnanimo satis est prostrasse leoni.
So daß, fals ich hinter dem Schilde mei- ner eignen Klugheit nicht sicher seyn sollte, ich doch gewiß hinter dem Schilde der ewig- vortreflichen claßischen Schriftsteller sicher seyn werde; besonders des Horaz, der, weil er selbst ein Bösewicht (und zwar ein
Bö-
den Schutz Gottes, da ich hoͤre, daß Herr Lo- velace ein Gelehrter iſt.
Es iſt wunderbar genug, daß ſo ein nieder- traͤchtiger Boͤſewicht (ich hoffe, er wird dies nimmer zu Geſicht bekommen!) ein Ge- lehrter ſeyn ſoll. Jch will ſo viel ſagen, daß ein Gelehrter ſich ſo viel abmuͤßigen kann, ein Boͤſewicht zu ſeyn; obgleich, moͤglicher Weiſe, ein Gelehrter ein ſchlauer Suͤnder ſeyn, und die Gelegenheiten ergreifen kann, wie ſie ihm eben in den Weg kommen. ‒ ‒ Welches ich gleich wol, wie ich in Warheit verſichre, nie gethan habe!
Jch ſage noch einmal, daß ich, da er ein Ge- lehrter iſt, meine claßiſche Waffenruͤſtung (wenn ich ſo reden darf) anlegen werde, und etwa mit ihm ganz ſanftmuͤthig (denn Tapfer- keit und Sanftmuth ſind Eigenſchaften, die ſehr wol mit einander beſtehen, und bei keinem in ſolchem Glanze ſcheinen, als in der chriſtlichen Geiſtlichkeit) und etwa, ſage ich, mit ihm ganz ſanftmuͤthig vom Ovid an- fangen:
Corpora magnanimo ſatis eſt proſtrâſſe leoni.
So daß, fals ich hinter dem Schilde mei- ner eignen Klugheit nicht ſicher ſeyn ſollte, ich doch gewiß hinter dem Schilde der ewig- vortreflichen claßiſchen Schriftſteller ſicher ſeyn werde; beſonders des Horaz, der, weil er ſelbſt ein Boͤſewicht (und zwar ein
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den Schutz Gottes, da ich hoͤre, daß Herr Lo-
velace ein Gelehrter iſt.
Es iſt wunderbar genug, daß ſo ein nieder-
traͤchtiger Boͤſewicht (ich hoffe, er wird
dies nimmer zu Geſicht bekommen!) ein Ge-
lehrter ſeyn ſoll. Jch will ſo viel ſagen, daß
ein Gelehrter ſich ſo viel abmuͤßigen kann,
ein Boͤſewicht zu ſeyn; obgleich, moͤglicher
Weiſe, ein Gelehrter ein ſchlauer Suͤnder
ſeyn, und die Gelegenheiten ergreifen kann, wie
ſie ihm eben in den Weg kommen. ‒ ‒
Welches ich gleich wol, wie ich in Warheit
verſichre, nie gethan habe!
Jch ſage noch einmal, daß ich, da er ein Ge-
lehrter iſt, meine claßiſche Waffenruͤſtung
(wenn ich ſo reden darf) anlegen werde, und
etwa mit ihm ganz ſanftmuͤthig (denn Tapfer-
keit und Sanftmuth ſind Eigenſchaften, die
ſehr wol mit einander beſtehen, und bei
keinem in ſolchem Glanze ſcheinen, als in der
chriſtlichen Geiſtlichkeit) und etwa, ſage
ich, mit ihm ganz ſanftmuͤthig vom Ovid an-
fangen:
Corpora magnanimo ſatis eſt proſtrâſſe
leoni.
So daß, fals ich hinter dem Schilde mei-
ner eignen Klugheit nicht ſicher ſeyn ſollte,
ich doch gewiß hinter dem Schilde der ewig-
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weil er ſelbſt ein Boͤſewicht (und zwar ein
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/270>, abgerufen am 16.02.2025.
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