O was steckt doch in den edlen claßischen Schriftstellern für Weisheit! Ein wei- ser Mann, wird (wenn er fleißig in ihnen nach- forschet) allezeit finden, daß sie seine Gedanken über Menschen und andre Vorfälle ausdrücken! Daher kommt es, daß sie sich so hurtig bei je- der Gelegenheit meinem Gedächtniß darstellen. - - Ob dies gleich den Anschein einer Eitelkeit haben könnte, so ist es doch zu wahr, als daß ichs übergehen sollte. Und ich sehe nicht ein, wie ein Mann nicht die Vollkommenheiten an sich selbst warnehmen soll, die jeder- mann an ihm warnimmt, und von ihm rüh- met, der, dem ungeachtet, vielleicht in andern Materien nicht halb so viel weiß, als er.
Jch weiß nur einen Einwurf, den Ew. Hochwolgebohren gegen meine Gesandschaft an die Fräulein machen könnten, den Jhnen Dero gütige Vorsorge für die Sicherheit mei- ner Person an die Hand geben dürfte, im Fall der heftige und fürchterliche Mensch, der gottlose Lovelace (vor dem sich jederman fürch- tet) mir in den Weg kommen sollte; wie er denn leicht entschlossen seyn möchte, es zu versuchen, ob er in der Geneigtheit der Fräulein wieder fe- sten Fuß zu setzen vermöchte: Doch ich will wegen meiner Sicherheit der Vorsehung vertrauen, da ich in einer Sache gebraucht wer- de, die meines heiligen Amts so sehr wür- dig ist. Um so viel mehr verlasse ich mich auf
den
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O was ſteckt doch in den edlen claßiſchen Schriftſtellern fuͤr Weisheit! Ein wei- ſer Mann, wird (wenn er fleißig in ihnen nach- forſchet) allezeit finden, daß ſie ſeine Gedanken uͤber Menſchen und andre Vorfaͤlle ausdruͤcken! Daher kommt es, daß ſie ſich ſo hurtig bei je- der Gelegenheit meinem Gedaͤchtniß darſtellen. ‒ ‒ Ob dies gleich den Anſchein einer Eitelkeit haben koͤnnte, ſo iſt es doch zu wahr, als daß ichs uͤbergehen ſollte. Und ich ſehe nicht ein, wie ein Mann nicht die Vollkommenheiten an ſich ſelbſt warnehmen ſoll, die jeder- mann an ihm warnimmt, und von ihm ruͤh- met, der, dem ungeachtet, vielleicht in andern Materien nicht halb ſo viel weiß, als er.
Jch weiß nur einen Einwurf, den Ew. Hochwolgebohren gegen meine Geſandſchaft an die Fraͤulein machen koͤnnten, den Jhnen Dero guͤtige Vorſorge fuͤr die Sicherheit mei- ner Perſon an die Hand geben duͤrfte, im Fall der heftige und fuͤrchterliche Menſch, der gottloſe Lovelace (vor dem ſich jederman fuͤrch- tet) mir in den Weg kommen ſollte; wie er denn leicht entſchloſſen ſeyn moͤchte, es zu verſuchen, ob er in der Geneigtheit der Fraͤulein wieder fe- ſten Fuß zu ſetzen vermoͤchte: Doch ich will wegen meiner Sicherheit der Vorſehung vertrauen, da ich in einer Sache gebraucht wer- de, die meines heiligen Amts ſo ſehr wuͤr- dig iſt. Um ſo viel mehr verlaſſe ich mich auf
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O was ſteckt doch in den edlen claßiſchen
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Daher kommt es, daß ſie ſich ſo hurtig bei je-
der Gelegenheit meinem Gedaͤchtniß darſtellen.
‒ ‒ Ob dies gleich den Anſchein einer Eitelkeit
haben koͤnnte, ſo iſt es doch zu wahr, als daß
ichs uͤbergehen ſollte. Und ich ſehe nicht ein,
wie ein Mann nicht die Vollkommenheiten
an ſich ſelbſt warnehmen ſoll, die jeder-
mann an ihm warnimmt, und von ihm ruͤh-
met, der, dem ungeachtet, vielleicht in andern
Materien nicht halb ſo viel weiß, als er.
Jch weiß nur einen Einwurf, den Ew.
Hochwolgebohren gegen meine Geſandſchaft an
die Fraͤulein machen koͤnnten, den Jhnen Dero
guͤtige Vorſorge fuͤr die Sicherheit mei-
ner Perſon an die Hand geben duͤrfte, im Fall
der heftige und fuͤrchterliche Menſch, der
gottloſe Lovelace (vor dem ſich jederman fuͤrch-
tet) mir in den Weg kommen ſollte; wie er denn
leicht entſchloſſen ſeyn moͤchte, es zu verſuchen,
ob er in der Geneigtheit der Fraͤulein wieder fe-
ſten Fuß zu ſetzen vermoͤchte: Doch ich will
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/269>, abgerufen am 22.11.2024.
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