[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.Complimente verhaßt, welche die Warheit und das Herz nicht macht. Was hätte ich mit ihr an einem jeden andern Ort anfangen sollen? Und doch wie lange hat sie mich nicht selbst da, trotz der natürlichen Reizung, und unnatürli- chen Verführungen, (wie ich sie mir jetzt den- ke) in Ehrfurcht gehalten, bloß durch die Kraft der angebohrnen Würde, und unverstellten Reinigkeit ihres Geistes und ihrer Sitten, die einen jeden mit Ehrerbietung, wo nicht mit heiliger Liebe (wie du es nennest) erfüllen, so bald er sie siehet! - - Denkest du nicht, daß es mir sonst leicht gewesen wäre, einen artigen Cavalier, oder einen zärtlichen, wenigstens einen scheinbaren und schmeichelnden Lieb- haber abzugeben? Lady Sarah Sadlair und Lady Elisabeth Aber mich deucht, du frägst: willst du denn Jch muß gestehen, Bruder, mein Herz macht es O 3
Complimente verhaßt, welche die Warheit und das Herz nicht macht. Was haͤtte ich mit ihr an einem jeden andern Ort anfangen ſollen? Und doch wie lange hat ſie mich nicht ſelbſt da, trotz der natuͤrlichen Reizung, und unnatuͤrli- chen Verfuͤhrungen, (wie ich ſie mir jetzt den- ke) in Ehrfurcht gehalten, bloß durch die Kraft der angebohrnen Wuͤrde, und unverſtellten Reinigkeit ihres Geiſtes und ihrer Sitten, die einen jeden mit Ehrerbietung, wo nicht mit heiliger Liebe (wie du es nenneſt) erfuͤllen, ſo bald er ſie ſiehet! ‒ ‒ Denkeſt du nicht, daß es mir ſonſt leicht geweſen waͤre, einen artigen Cavalier, oder einen zaͤrtlichen, wenigſtens einen ſcheinbaren und ſchmeichelnden Lieb- haber abzugeben? Lady Sarah Sadlair und Lady Eliſabeth Aber mich deucht, du fraͤgſt: willſt du denn Jch muß geſtehen, Bruder, mein Herz macht es O 3
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Complimente verhaßt, welche die Warheit und
das Herz nicht macht. Was haͤtte ich mit ihr an
einem jeden andern Ort anfangen ſollen? Und
doch wie lange hat ſie mich nicht ſelbſt da, trotz
der natuͤrlichen Reizung, und unnatuͤrli-
chen Verfuͤhrungen, (wie ich ſie mir jetzt den-
ke) in Ehrfurcht gehalten, bloß durch die Kraft
der angebohrnen Wuͤrde, und unverſtellten
Reinigkeit ihres Geiſtes und ihrer Sitten, die
einen jeden mit Ehrerbietung, wo nicht mit
heiliger Liebe (wie du es nenneſt) erfuͤllen,
ſo bald er ſie ſiehet! ‒ ‒ Denkeſt du nicht, daß
es mir ſonſt leicht geweſen waͤre, einen artigen
Cavalier, oder einen zaͤrtlichen, wenigſtens
einen ſcheinbaren und ſchmeichelnden Lieb-
haber abzugeben?
Lady Sarah Sadlair und Lady Eliſabeth
Lawrance ſind im Begrif, wieder nach ihren
Guͤtern abzureiſen, da ſie finden, daß der Track-
tat, der, ihrer naͤrriſchen Einbildung nach, den
erwuͤnſchten Erfolg haben ſoll, ſich warſcheinli-
cher Weiſe in die Laͤnge ziehen wird. Jch ha-
be ihnen die beſte Sicherheit, die die Natur der
Sache leidet, nemlich mein Wort, geben muͤſ-
ſen, die Fraͤulein zu heirathen, wenn ſie mich
haben will.
Aber mich deucht, du fraͤgſt: willſt du denn
endlich doch ihr die Erſtattung thun, wo du
anders noch im Stande biſt, ſie zu leiſten?
Jch muß geſtehen, Bruder, mein Herz macht
dann und wann einige Bewegungen, als wenn
es
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