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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

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lassen sich so sehr auf ihren Verstand und Be-
hutsamkeit, sind so weit über alle Vorsicht er-
haben, daß ein Mensch, der nicht einmal alles
versuchet, seine Absichten bei ihnen erreichen kann.
Gemeiniglich aber werden sie durch ihre Einbil-
dung über den Haufen geworfen, wenn ein
Mann von Erfahrung sie angreift, der ihrer
Eitelkeit zu schmeicheln, und ihre Weisheit zu
erheben weiß, damit er von ihrer Thorheit ei-
nen Vortheil ziehe. Doch, wenn ich zu der
Kenntniß der Jungfer Rawlins ein wenig
Erfahrung hinzuthun kann, was für eine
vollkommne Person wird sie dann werden! - -
Wie sehr wird sie mir verbunden seyn! Und
nicht allein Sie, sondern alle diejenigen, die
sich die Lehren zu Nutze machen können, welche
zu geben sie sich jetzt schon so geschickt hält!

Recht sehr gerne, Bruder, mag ich mit de-
nen Weibesleuten zu thun haben, die Lehren ge-
ben, oder für Muster angesehen seyn wollen.

Du siehest, Belford, ob gleich in keinem
von diesen Charactern etwas ausserordentliches
ist, so können wir doch, im Fall der Noth, ei-
nen lustigen Nachmittag mit ihnen haben, wenn
wir sie bei Tisch durch wollüstige Speisen weich
gemacht, und sie hernach mit unserm Frauen-
zimmer zum Tanzen bringen können. Alle Mäd-
gen lieben den Tanz, und alle Mannspersonen
sollten sie daher um ihrer beider willen dazu
aufmuntern.

Wenn



laſſen ſich ſo ſehr auf ihren Verſtand und Be-
hutſamkeit, ſind ſo weit uͤber alle Vorſicht er-
haben, daß ein Menſch, der nicht einmal alles
verſuchet, ſeine Abſichten bei ihnen erreichen kann.
Gemeiniglich aber werden ſie durch ihre Einbil-
dung uͤber den Haufen geworfen, wenn ein
Mann von Erfahrung ſie angreift, der ihrer
Eitelkeit zu ſchmeicheln, und ihre Weisheit zu
erheben weiß, damit er von ihrer Thorheit ei-
nen Vortheil ziehe. Doch, wenn ich zu der
Kenntniß der Jungfer Rawlins ein wenig
Erfahrung hinzuthun kann, was fuͤr eine
vollkommne Perſon wird ſie dann werden! ‒ ‒
Wie ſehr wird ſie mir verbunden ſeyn! Und
nicht allein Sie, ſondern alle diejenigen, die
ſich die Lehren zu Nutze machen koͤnnen, welche
zu geben ſie ſich jetzt ſchon ſo geſchickt haͤlt!

Recht ſehr gerne, Bruder, mag ich mit de-
nen Weibesleuten zu thun haben, die Lehren ge-
ben, oder fuͤr Muſter angeſehen ſeyn wollen.

Du ſieheſt, Belford, ob gleich in keinem
von dieſen Charactern etwas auſſerordentliches
iſt, ſo koͤnnen wir doch, im Fall der Noth, ei-
nen luſtigen Nachmittag mit ihnen haben, wenn
wir ſie bei Tiſch durch wolluͤſtige Speiſen weich
gemacht, und ſie hernach mit unſerm Frauen-
zimmer zum Tanzen bringen koͤnnen. Alle Maͤd-
gen lieben den Tanz, und alle Mannsperſonen
ſollten ſie daher um ihrer beider willen dazu
aufmuntern.

Wenn
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[204/0212] laſſen ſich ſo ſehr auf ihren Verſtand und Be- hutſamkeit, ſind ſo weit uͤber alle Vorſicht er- haben, daß ein Menſch, der nicht einmal alles verſuchet, ſeine Abſichten bei ihnen erreichen kann. Gemeiniglich aber werden ſie durch ihre Einbil- dung uͤber den Haufen geworfen, wenn ein Mann von Erfahrung ſie angreift, der ihrer Eitelkeit zu ſchmeicheln, und ihre Weisheit zu erheben weiß, damit er von ihrer Thorheit ei- nen Vortheil ziehe. Doch, wenn ich zu der Kenntniß der Jungfer Rawlins ein wenig Erfahrung hinzuthun kann, was fuͤr eine vollkommne Perſon wird ſie dann werden! ‒ ‒ Wie ſehr wird ſie mir verbunden ſeyn! Und nicht allein Sie, ſondern alle diejenigen, die ſich die Lehren zu Nutze machen koͤnnen, welche zu geben ſie ſich jetzt ſchon ſo geſchickt haͤlt! Recht ſehr gerne, Bruder, mag ich mit de- nen Weibesleuten zu thun haben, die Lehren ge- ben, oder fuͤr Muſter angeſehen ſeyn wollen. Du ſieheſt, Belford, ob gleich in keinem von dieſen Charactern etwas auſſerordentliches iſt, ſo koͤnnen wir doch, im Fall der Noth, ei- nen luſtigen Nachmittag mit ihnen haben, wenn wir ſie bei Tiſch durch wolluͤſtige Speiſen weich gemacht, und ſie hernach mit unſerm Frauen- zimmer zum Tanzen bringen koͤnnen. Alle Maͤd- gen lieben den Tanz, und alle Mannsperſonen ſollten ſie daher um ihrer beider willen dazu aufmuntern. Wenn

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/212>, abgerufen am 26.11.2024.