Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite



einander auf die Schultern an andre Oerter, wo
wir noch nicht hergekommen sind, um uns noch
einmal zu betrachten. Jede Gasse schickt einen
neuen Schwarm Leute, die zu spät kommen,
den fortrollenden Schneeball vergrössern, und
zufrieden sind, sich unsre Person, Betragen
und Anstand von denen beschreiben zu lassen,
die so glücklich waren, und zeitig genug kamen,
uns zu sehen!

Würklich, Bruder, wenn wir nach un-
sern Grundsätzen und nach unsrer Lebensart ur-
theilen wollen, so sehe ich nicht, warum wir
bei unserm Aufzuge, wenn uns dies widerfüh-
re, nicht eben so erhaben einhertreten sollten,
als andre bei Gelegenheiten, die den Pöbel am
meisten herbei ziehen. - - Zum Exempel ein
Lord Maire in seinem bunten Pomp! ein
siegreicher Feldherr, oder ein Gesandter bei sei-
nem öffentlichen Einzüge! oder, (denn ich ha-
be bei den geringsten angefangen) ein König,
bei dem feierlichsten Aufzuge, den man sich
denken kann, bei seiner Krönung! Denn
macht nicht bei allen diesen die königliche Wa-
che, die heroisch-bewafneten Bürger-Com-
pagnien, das Gedränge der Zuschauer, die an
den Häusern von oben bis unten hinunter hän-
gen, und ihre Köpfe hin und her bewegen, o-
der in den Gassen laufen, wie ich oben beschrie-
ben habe, den vornehmsten Theil der schönen
Rarität
aus?

Höre



einander auf die Schultern an andre Oerter, wo
wir noch nicht hergekommen ſind, um uns noch
einmal zu betrachten. Jede Gaſſe ſchickt einen
neuen Schwarm Leute, die zu ſpaͤt kommen,
den fortrollenden Schneeball vergroͤſſern, und
zufrieden ſind, ſich unſre Perſon, Betragen
und Anſtand von denen beſchreiben zu laſſen,
die ſo gluͤcklich waren, und zeitig genug kamen,
uns zu ſehen!

Wuͤrklich, Bruder, wenn wir nach un-
ſern Grundſaͤtzen und nach unſrer Lebensart ur-
theilen wollen, ſo ſehe ich nicht, warum wir
bei unſerm Aufzuge, wenn uns dies widerfuͤh-
re, nicht eben ſo erhaben einhertreten ſollten,
als andre bei Gelegenheiten, die den Poͤbel am
meiſten herbei ziehen. ‒ ‒ Zum Exempel ein
Lord Maire in ſeinem bunten Pomp! ein
ſiegreicher Feldherr, oder ein Geſandter bei ſei-
nem oͤffentlichen Einzuͤge! oder, (denn ich ha-
be bei den geringſten angefangen) ein Koͤnig,
bei dem feierlichſten Aufzuge, den man ſich
denken kann, bei ſeiner Kroͤnung! Denn
macht nicht bei allen dieſen die koͤnigliche Wa-
che, die heroiſch-bewafneten Buͤrger-Com-
pagnien, das Gedraͤnge der Zuſchauer, die an
den Haͤuſern von oben bis unten hinunter haͤn-
gen, und ihre Koͤpfe hin und her bewegen, o-
der in den Gaſſen laufen, wie ich oben beſchrie-
ben habe, den vornehmſten Theil der ſchoͤnen
Raritaͤt
aus?

Hoͤre
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0186" n="178"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
einander auf die Schultern an andre Oerter, wo<lb/>
wir noch nicht hergekommen &#x017F;ind, um uns noch<lb/>
einmal zu betrachten. Jede Ga&#x017F;&#x017F;e &#x017F;chickt einen<lb/>
neuen Schwarm Leute, die zu &#x017F;pa&#x0364;t kommen,<lb/>
den fortrollenden Schneeball vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern, und<lb/>
zufrieden &#x017F;ind, &#x017F;ich un&#x017F;re Per&#x017F;on, Betragen<lb/>
und An&#x017F;tand von denen be&#x017F;chreiben zu la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
die &#x017F;o glu&#x0364;cklich waren, und zeitig genug kamen,<lb/>
uns zu &#x017F;ehen!</p><lb/>
          <p>Wu&#x0364;rklich, Bruder, wenn wir nach un-<lb/>
&#x017F;ern Grund&#x017F;a&#x0364;tzen und nach un&#x017F;rer Lebensart ur-<lb/>
theilen wollen, &#x017F;o &#x017F;ehe ich nicht, warum wir<lb/>
bei un&#x017F;erm Aufzuge, wenn uns dies widerfu&#x0364;h-<lb/>
re, nicht eben &#x017F;o erhaben einhertreten &#x017F;ollten,<lb/>
als andre bei Gelegenheiten, die den Po&#x0364;bel am<lb/>
mei&#x017F;ten herbei ziehen. &#x2012; &#x2012; Zum Exempel ein<lb/><hi rendition="#fr">Lord Maire</hi> in &#x017F;einem bunten Pomp! ein<lb/>
&#x017F;iegreicher Feldherr, oder ein Ge&#x017F;andter bei &#x017F;ei-<lb/>
nem o&#x0364;ffentlichen Einzu&#x0364;ge! oder, (denn ich ha-<lb/>
be bei den gering&#x017F;ten angefangen) ein Ko&#x0364;nig,<lb/>
bei dem feierlich&#x017F;ten Aufzuge, den man &#x017F;ich<lb/>
denken kann, bei &#x017F;einer <hi rendition="#fr">Kro&#x0364;nung!</hi> Denn<lb/>
macht nicht bei allen die&#x017F;en die ko&#x0364;nigliche Wa-<lb/>
che, die heroi&#x017F;ch-bewafneten Bu&#x0364;rger-Com-<lb/>
pagnien, das Gedra&#x0364;nge der Zu&#x017F;chauer, die an<lb/>
den Ha&#x0364;u&#x017F;ern von oben bis unten hinunter ha&#x0364;n-<lb/>
gen, und ihre Ko&#x0364;pfe hin und her bewegen, o-<lb/>
der in den Ga&#x017F;&#x017F;en laufen, wie ich oben be&#x017F;chrie-<lb/>
ben habe, den vornehm&#x017F;ten Theil der <hi rendition="#fr">&#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Rarita&#x0364;t</hi> aus?</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Ho&#x0364;re</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0186] einander auf die Schultern an andre Oerter, wo wir noch nicht hergekommen ſind, um uns noch einmal zu betrachten. Jede Gaſſe ſchickt einen neuen Schwarm Leute, die zu ſpaͤt kommen, den fortrollenden Schneeball vergroͤſſern, und zufrieden ſind, ſich unſre Perſon, Betragen und Anſtand von denen beſchreiben zu laſſen, die ſo gluͤcklich waren, und zeitig genug kamen, uns zu ſehen! Wuͤrklich, Bruder, wenn wir nach un- ſern Grundſaͤtzen und nach unſrer Lebensart ur- theilen wollen, ſo ſehe ich nicht, warum wir bei unſerm Aufzuge, wenn uns dies widerfuͤh- re, nicht eben ſo erhaben einhertreten ſollten, als andre bei Gelegenheiten, die den Poͤbel am meiſten herbei ziehen. ‒ ‒ Zum Exempel ein Lord Maire in ſeinem bunten Pomp! ein ſiegreicher Feldherr, oder ein Geſandter bei ſei- nem oͤffentlichen Einzuͤge! oder, (denn ich ha- be bei den geringſten angefangen) ein Koͤnig, bei dem feierlichſten Aufzuge, den man ſich denken kann, bei ſeiner Kroͤnung! Denn macht nicht bei allen dieſen die koͤnigliche Wa- che, die heroiſch-bewafneten Buͤrger-Com- pagnien, das Gedraͤnge der Zuſchauer, die an den Haͤuſern von oben bis unten hinunter haͤn- gen, und ihre Koͤpfe hin und her bewegen, o- der in den Gaſſen laufen, wie ich oben beſchrie- ben habe, den vornehmſten Theil der ſchoͤnen Raritaͤt aus? Hoͤre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/186
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/186>, abgerufen am 24.11.2024.