Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite


Jch habe versprochen, den Aufsatz des Herrn
Lovelace zu beantworten, so bald ich Jhre
Meinung darüber gehöret.

Jn meinem nächsten Briefe hoffe ich, Ur-
sache zu haben, diesen günstigen Anschein zu be-
kräftigen. Günstigen Anschein muß ich wol
sagen, da ich einmal Schifbruch erlitten!

Jch hoffe in dem Kampfe, den ich ihrer
Meinung nach mit mir selbst anstellen muß,
(wie Sie sich ausdrücken) wenn mich seine Auf-
führung nicht nöthiget, ihn zu verlassen, mich so
bezeigen zu können, daß ich mich in Jhren Augen
nicht heruntersetze. Und das ist alles, was ich
jetzo wünschen kann. Aber, wenn ich ihn würk-
lich so hoch halte, wie Sie so gütig sind, zu
behaupten, so wird doch, denke ich, der Kampf
mir so schwer nicht seyn, als Sie sich einbil-
den, wenn ich von ihm gehe; im Fall mir nur
die Mittel zu meiner Entweichung gegeben wer-
den. Aber wie werde ich mich betragen, wenn
ich von ihm gegangen, und schwach genug bin,
mich gleich den ehemaligen Jsraeliten nach
meiner Egyptischen Gefangenschaft zu sehnen!

Es wird, denke ich, dieses günstigen An-
scheins ungeachtet, nicht schaden, daß Sie
den Entwurf (er sei beschaffen wie er wolle)
ausführen, den Sie für mich ausgedacht ha-
ben, mir im Fall der Noth eine Freistadt aus-
zumachen. Herr Lovelace ist in der That ein
unergründlicher und gefährlicher Mensch. Die
Klugheit erfordert es also, wachsam zu seyn,

und


Jch habe verſprochen, den Aufſatz des Herrn
Lovelace zu beantworten, ſo bald ich Jhre
Meinung daruͤber gehoͤret.

Jn meinem naͤchſten Briefe hoffe ich, Ur-
ſache zu haben, dieſen guͤnſtigen Anſchein zu be-
kraͤftigen. Guͤnſtigen Anſchein muß ich wol
ſagen, da ich einmal Schifbruch erlitten!

Jch hoffe in dem Kampfe, den ich ihrer
Meinung nach mit mir ſelbſt anſtellen muß,
(wie Sie ſich ausdruͤcken) wenn mich ſeine Auf-
fuͤhrung nicht noͤthiget, ihn zu verlaſſen, mich ſo
bezeigen zu koͤnnen, daß ich mich in Jhren Augen
nicht herunterſetze. Und das iſt alles, was ich
jetzo wuͤnſchen kann. Aber, wenn ich ihn wuͤrk-
lich ſo hoch halte, wie Sie ſo guͤtig ſind, zu
behaupten, ſo wird doch, denke ich, der Kampf
mir ſo ſchwer nicht ſeyn, als Sie ſich einbil-
den, wenn ich von ihm gehe; im Fall mir nur
die Mittel zu meiner Entweichung gegeben wer-
den. Aber wie werde ich mich betragen, wenn
ich von ihm gegangen, und ſchwach genug bin,
mich gleich den ehemaligen Jſraeliten nach
meiner Egyptiſchen Gefangenſchaft zu ſehnen!

Es wird, denke ich, dieſes guͤnſtigen An-
ſcheins ungeachtet, nicht ſchaden, daß Sie
den Entwurf (er ſei beſchaffen wie er wolle)
ausfuͤhren, den Sie fuͤr mich ausgedacht ha-
ben, mir im Fall der Noth eine Freiſtadt aus-
zumachen. Herr Lovelace iſt in der That ein
unergruͤndlicher und gefaͤhrlicher Menſch. Die
Klugheit erfordert es alſo, wachſam zu ſeyn,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0165" n="157"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Jch habe ver&#x017F;prochen, den Auf&#x017F;atz des Herrn<lb/><hi rendition="#fr">Lovelace</hi> zu beantworten, &#x017F;o bald ich Jhre<lb/>
Meinung daru&#x0364;ber geho&#x0364;ret.</p><lb/>
          <p>Jn meinem na&#x0364;ch&#x017F;ten Briefe hoffe ich, Ur-<lb/>
&#x017F;ache zu haben, die&#x017F;en gu&#x0364;n&#x017F;tigen An&#x017F;chein zu be-<lb/>
kra&#x0364;ftigen. <hi rendition="#fr">Gu&#x0364;n&#x017F;tigen</hi> An&#x017F;chein muß ich wol<lb/>
&#x017F;agen, da ich einmal Schifbruch erlitten!</p><lb/>
          <p>Jch hoffe in dem Kampfe, den ich ihrer<lb/>
Meinung nach mit mir &#x017F;elb&#x017F;t an&#x017F;tellen muß,<lb/>
(wie Sie &#x017F;ich ausdru&#x0364;cken) wenn mich &#x017F;eine Auf-<lb/>
fu&#x0364;hrung nicht no&#x0364;thiget, ihn zu verla&#x017F;&#x017F;en, mich &#x017F;o<lb/>
bezeigen zu ko&#x0364;nnen, daß ich mich in Jhren Augen<lb/>
nicht herunter&#x017F;etze. Und das i&#x017F;t alles, was ich<lb/>
jetzo wu&#x0364;n&#x017F;chen kann. Aber, wenn ich ihn wu&#x0364;rk-<lb/>
lich &#x017F;o hoch halte, wie Sie &#x017F;o gu&#x0364;tig &#x017F;ind, zu<lb/>
behaupten, &#x017F;o wird doch, denke ich, der Kampf<lb/>
mir &#x017F;o &#x017F;chwer nicht &#x017F;eyn, als Sie &#x017F;ich einbil-<lb/>
den, wenn ich von ihm gehe; im Fall mir nur<lb/>
die Mittel zu meiner Entweichung gegeben wer-<lb/>
den. Aber wie werde ich mich betragen, wenn<lb/>
ich von ihm gegangen, und &#x017F;chwach genug bin,<lb/>
mich gleich den ehemaligen <hi rendition="#fr">J&#x017F;raeliten</hi> nach<lb/>
meiner <hi rendition="#fr">Egypti&#x017F;chen</hi> Gefangen&#x017F;chaft zu &#x017F;ehnen!</p><lb/>
          <p>Es wird, denke ich, die&#x017F;es gu&#x0364;n&#x017F;tigen An-<lb/>
&#x017F;cheins ungeachtet, nicht &#x017F;chaden, daß Sie<lb/>
den Entwurf (er &#x017F;ei be&#x017F;chaffen wie er wolle)<lb/>
ausfu&#x0364;hren, den Sie fu&#x0364;r mich ausgedacht ha-<lb/>
ben, mir im Fall der Noth eine Frei&#x017F;tadt aus-<lb/>
zumachen. Herr <hi rendition="#fr">Lovelace</hi> i&#x017F;t in der That ein<lb/>
unergru&#x0364;ndlicher und gefa&#x0364;hrlicher Men&#x017F;ch. Die<lb/>
Klugheit erfordert es al&#x017F;o, wach&#x017F;am zu &#x017F;eyn,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0165] Jch habe verſprochen, den Aufſatz des Herrn Lovelace zu beantworten, ſo bald ich Jhre Meinung daruͤber gehoͤret. Jn meinem naͤchſten Briefe hoffe ich, Ur- ſache zu haben, dieſen guͤnſtigen Anſchein zu be- kraͤftigen. Guͤnſtigen Anſchein muß ich wol ſagen, da ich einmal Schifbruch erlitten! Jch hoffe in dem Kampfe, den ich ihrer Meinung nach mit mir ſelbſt anſtellen muß, (wie Sie ſich ausdruͤcken) wenn mich ſeine Auf- fuͤhrung nicht noͤthiget, ihn zu verlaſſen, mich ſo bezeigen zu koͤnnen, daß ich mich in Jhren Augen nicht herunterſetze. Und das iſt alles, was ich jetzo wuͤnſchen kann. Aber, wenn ich ihn wuͤrk- lich ſo hoch halte, wie Sie ſo guͤtig ſind, zu behaupten, ſo wird doch, denke ich, der Kampf mir ſo ſchwer nicht ſeyn, als Sie ſich einbil- den, wenn ich von ihm gehe; im Fall mir nur die Mittel zu meiner Entweichung gegeben wer- den. Aber wie werde ich mich betragen, wenn ich von ihm gegangen, und ſchwach genug bin, mich gleich den ehemaligen Jſraeliten nach meiner Egyptiſchen Gefangenſchaft zu ſehnen! Es wird, denke ich, dieſes guͤnſtigen An- ſcheins ungeachtet, nicht ſchaden, daß Sie den Entwurf (er ſei beſchaffen wie er wolle) ausfuͤhren, den Sie fuͤr mich ausgedacht ha- ben, mir im Fall der Noth eine Freiſtadt aus- zumachen. Herr Lovelace iſt in der That ein unergruͤndlicher und gefaͤhrlicher Menſch. Die Klugheit erfordert es alſo, wachſam zu ſeyn, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/165
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/165>, abgerufen am 22.11.2024.