einem Vergnügen verzehrte, das seiner über- standnen Gefahr gleich war.
Jch habe einmal einer kleinen artigen Grau- samen das Vergnügen recht eingetrieben, das ihr ein grausames Spiel verursachte, welches ihr buntes Favorit-Kätzgen mit einer niedlichen Maus trieb, ehe es sie verzehrete. Meiner Seele! mein Kind! sagte ich bei mir selbst, wie ich da saß, und meine Betrachtungen darüber anstellte, ich habe mir fest vorgenommen, auf eine bequeme Gelegenheit zu lauren, da ich ver- suchen kann, wie dir das gefallen wird, wenn ich ich dich über meinen Kopf werfe, und wie- der erhasche! wie dir das gefallen will, wenn ich dich mit meinen Pfoten von mir stosse, und wieder zu mir ziehe! Doch will ich dir lieber das Leben geben, als nehmen, wie dies grau- same vierfüßige Thier doch zuletzt seiner Beute gethan hat. Hernach, wie zwischen meinem Mädgen und mir alles vorbei war, erinnerte ich sie an den Vorfall, der meine Entschliessung veranlasset hatte.
Zu einer andern Zeit hatte ich eben so we- nig Barmherzigkeit mit der Tochter eines al- ten Epicurers, der das Mädgen gelehret hat- te, See-Krebse lebendig zu kochen; ein Fer- ken zu Tode zu peitschen; Karpfen abzuschup- pen, sie in einen Kessel springen zu lassen, und sie statt der Brühe in ihrem eignen Blute zu kochen. Und das alles aus Wollust, und Ap- petit zu machen, den ich damals auf meine
Art
einem Vergnuͤgen verzehrte, das ſeiner uͤber- ſtandnen Gefahr gleich war.
Jch habe einmal einer kleinen artigen Grau- ſamen das Vergnuͤgen recht eingetrieben, das ihr ein grauſames Spiel verurſachte, welches ihr buntes Favorit-Kaͤtzgen mit einer niedlichen Maus trieb, ehe es ſie verzehrete. Meiner Seele! mein Kind! ſagte ich bei mir ſelbſt, wie ich da ſaß, und meine Betrachtungen daruͤber anſtellte, ich habe mir feſt vorgenommen, auf eine bequeme Gelegenheit zu lauren, da ich ver- ſuchen kann, wie dir das gefallen wird, wenn ich ich dich uͤber meinen Kopf werfe, und wie- der erhaſche! wie dir das gefallen will, wenn ich dich mit meinen Pfoten von mir ſtoſſe, und wieder zu mir ziehe! Doch will ich dir lieber das Leben geben, als nehmen, wie dies grau- ſame vierfuͤßige Thier doch zuletzt ſeiner Beute gethan hat. Hernach, wie zwiſchen meinem Maͤdgen und mir alles vorbei war, erinnerte ich ſie an den Vorfall, der meine Entſchlieſſung veranlaſſet hatte.
Zu einer andern Zeit hatte ich eben ſo we- nig Barmherzigkeit mit der Tochter eines al- ten Epicurers, der das Maͤdgen gelehret hat- te, See-Krebſe lebendig zu kochen; ein Fer- ken zu Tode zu peitſchen; Karpfen abzuſchup- pen, ſie in einen Keſſel ſpringen zu laſſen, und ſie ſtatt der Bruͤhe in ihrem eignen Blute zu kochen. Und das alles aus Wolluſt, und Ap- petit zu machen, den ich damals auf meine
Art
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einem Vergnuͤgen verzehrte, das ſeiner uͤber-
ſtandnen Gefahr gleich war.
Jch habe einmal einer kleinen artigen Grau-
ſamen das Vergnuͤgen recht eingetrieben, das
ihr ein grauſames Spiel verurſachte, welches
ihr buntes Favorit-Kaͤtzgen mit einer niedlichen
Maus trieb, ehe es ſie verzehrete. Meiner
Seele! mein Kind! ſagte ich bei mir ſelbſt, wie
ich da ſaß, und meine Betrachtungen daruͤber
anſtellte, ich habe mir feſt vorgenommen, auf
eine bequeme Gelegenheit zu lauren, da ich ver-
ſuchen kann, wie dir das gefallen wird, wenn
ich ich dich uͤber meinen Kopf werfe, und wie-
der erhaſche! wie dir das gefallen will, wenn
ich dich mit meinen Pfoten von mir ſtoſſe, und
wieder zu mir ziehe! Doch will ich dir lieber
das Leben geben, als nehmen, wie dies grau-
ſame vierfuͤßige Thier doch zuletzt ſeiner Beute
gethan hat. Hernach, wie zwiſchen meinem
Maͤdgen und mir alles vorbei war, erinnerte
ich ſie an den Vorfall, der meine Entſchlieſſung
veranlaſſet hatte.
Zu einer andern Zeit hatte ich eben ſo we-
nig Barmherzigkeit mit der Tochter eines al-
ten Epicurers, der das Maͤdgen gelehret hat-
te, See-Krebſe lebendig zu kochen; ein Fer-
ken zu Tode zu peitſchen; Karpfen abzuſchup-
pen, ſie in einen Keſſel ſpringen zu laſſen, und
ſie ſtatt der Bruͤhe in ihrem eignen Blute zu
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/136>, abgerufen am 23.11.2024.
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