Mit was für angenehmen Schmerzen, ant- wortete der Arzt, erfüllen sie die Gemüther derer- jenigen, welche das Glück haben, mit ihnen um- zugehen, und die glückliche Fassung, in der sie sich befinden, zu sehen! Das, was sie binnen wenigen verwichnen Tagen ausgestanden haben, hat ihnen vielen Schaden gethan. Sollten sie neue Be- schwerden von der Art haben: so könnte ich nicht dafür stehen, daß sie es länger halten würden, als - - Hier hielt er inne.
Wie lange, Herr Doctor? - - Jch glaube, ich werde noch ein wenig Unruhe haben - - Mir ist bange davor - - Aber es kann mir nur eines begegnen, das ich nicht ziemlich geruhig er- tragen werde. - - Wie lange denn, mein Herr?
Er schwieg stille.
Vierzehn Tage, mein Herr?
Er schwieg noch stille.
Zehn Tage? - - Eine Woche? - - Wie lange, mein Herr? fragte sie mit lächelnder Ernst- haftigkeit.
Wenn ich reden muß, gnädige Fräulein: so bin ich besorgt, wofern man nicht besser mit ihnen umgehet, als man vor kurzem mit ihnen umgegan- gen ist - - Hier brach er wieder ab.
Wovor besorgt, Herr Doctor? Seyn sie nicht besorgt - - Wie lange, mein Herr?
Daß vierzehn Tage oder drey Wochen die Welt ihrer feinesten Blume berauben werde.
Noch
Mit was fuͤr angenehmen Schmerzen, ant- wortete der Arzt, erfuͤllen ſie die Gemuͤther derer- jenigen, welche das Gluͤck haben, mit ihnen um- zugehen, und die gluͤckliche Faſſung, in der ſie ſich befinden, zu ſehen! Das, was ſie binnen wenigen verwichnen Tagen ausgeſtanden haben, hat ihnen vielen Schaden gethan. Sollten ſie neue Be- ſchwerden von der Art haben: ſo koͤnnte ich nicht dafuͤr ſtehen, daß ſie es laͤnger halten wuͤrden, als ‒ ‒ Hier hielt er inne.
Wie lange, Herr Doctor? ‒ ‒ Jch glaube, ich werde noch ein wenig Unruhe haben ‒ ‒ Mir iſt bange davor ‒ ‒ Aber es kann mir nur eines begegnen, das ich nicht ziemlich geruhig er- tragen werde. ‒ ‒ Wie lange denn, mein Herr?
Er ſchwieg ſtille.
Vierzehn Tage, mein Herr?
Er ſchwieg noch ſtille.
Zehn Tage? ‒ ‒ Eine Woche? ‒ ‒ Wie lange, mein Herr? fragte ſie mit laͤchelnder Ernſt- haftigkeit.
Wenn ich reden muß, gnaͤdige Fraͤulein: ſo bin ich beſorgt, wofern man nicht beſſer mit ihnen umgehet, als man vor kurzem mit ihnen umgegan- gen iſt ‒ ‒ Hier brach er wieder ab.
Wovor beſorgt, Herr Doctor? Seyn ſie nicht beſorgt ‒ ‒ Wie lange, mein Herr?
Daß vierzehn Tage oder drey Wochen die Welt ihrer feineſten Blume berauben werde.
Noch
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[88/0094]
Mit was fuͤr angenehmen Schmerzen, ant-
wortete der Arzt, erfuͤllen ſie die Gemuͤther derer-
jenigen, welche das Gluͤck haben, mit ihnen um-
zugehen, und die gluͤckliche Faſſung, in der ſie ſich
befinden, zu ſehen! Das, was ſie binnen wenigen
verwichnen Tagen ausgeſtanden haben, hat ihnen
vielen Schaden gethan. Sollten ſie neue Be-
ſchwerden von der Art haben: ſo koͤnnte ich nicht
dafuͤr ſtehen, daß ſie es laͤnger halten wuͤrden, als
‒ ‒ Hier hielt er inne.
Wie lange, Herr Doctor? ‒ ‒ Jch glaube,
ich werde noch ein wenig Unruhe haben ‒ ‒
Mir iſt bange davor ‒ ‒ Aber es kann mir nur
eines begegnen, das ich nicht ziemlich geruhig er-
tragen werde. ‒ ‒ Wie lange denn, mein
Herr?
Er ſchwieg ſtille.
Vierzehn Tage, mein Herr?
Er ſchwieg noch ſtille.
Zehn Tage? ‒ ‒ Eine Woche? ‒ ‒ Wie
lange, mein Herr? fragte ſie mit laͤchelnder Ernſt-
haftigkeit.
Wenn ich reden muß, gnaͤdige Fraͤulein: ſo
bin ich beſorgt, wofern man nicht beſſer mit ihnen
umgehet, als man vor kurzem mit ihnen umgegan-
gen iſt ‒ ‒ Hier brach er wieder ab.
Wovor beſorgt, Herr Doctor? Seyn ſie nicht
beſorgt ‒ ‒ Wie lange, mein Herr?
Daß vierzehn Tage oder drey Wochen die
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/94>, abgerufen am 22.11.2024.
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