"Wir finden, daß in den Haushaltungen "der göttlichen Vorsehung Gutes und Böses "allen Menschen vor ihrem Grabe gleich gut "begegne: und da der vornehmste Endzweck bey "den Trauerspielen ist, Mitleiden und Schrecken "in den Gemüthern der Zuhörer zu erwecken; so "werden wir diese Hauptabsicht aufheben, wenn "wir die Tugend und Unschuld allezeit glücklich "machen.
"Ein Frommer mag in dem Haupttheil des "Trauerspiels noch so viele Widerwärtigkeiten und "Unglücksfälle auszustehen haben: so werden "doch dieselben nur einen schwachen Eindruck in "unsere Gemüther machen; wenn wir wissen, daß "er in dem letzten Aufzuge seine Wünsche und "sein Verlangen erfüllt sehen werde.
"Wenn wir ihn in seinem tiefsten Leiden ver- "wickelt sehen: so können wir uns trösten, weil "wir versichert sind, daß er sich aus demselben heraus "finden, und sein Kummer, so groß er auch gegen- "wärtig seyn mag, sich bald in Freude endigen "werde.
"Aus der Ursache gingen die alten Verfasser "von Trauerspielen in ihren Vorstellungen so "mit den Menschen um, wie mit ihnen in der "Welt umgegangen wird: indem sie die Tu- "gend bisweilen glücklich und bisweilen unglück- "lich machten; wie sie es der Erdichtung, welche
"sie
Siebenter Theil. L l l
„Wir finden, daß in den Haushaltungen „der goͤttlichen Vorſehung Gutes und Boͤſes „allen Menſchen vor ihrem Grabe gleich gut „begegne: und da der vornehmſte Endzweck bey „den Trauerſpielen iſt, Mitleiden und Schrecken „in den Gemuͤthern der Zuhoͤrer zu erwecken; ſo „werden wir dieſe Hauptabſicht aufheben, wenn „wir die Tugend und Unſchuld allezeit gluͤcklich „machen.
„Ein Frommer mag in dem Haupttheil des „Trauerſpiels noch ſo viele Widerwaͤrtigkeiten und „Ungluͤcksfaͤlle auszuſtehen haben: ſo werden „doch dieſelben nur einen ſchwachen Eindruck in „unſere Gemuͤther machen; wenn wir wiſſen, daß „er in dem letzten Aufzuge ſeine Wuͤnſche und „ſein Verlangen erfuͤllt ſehen werde.
„Wenn wir ihn in ſeinem tiefſten Leiden ver- „wickelt ſehen: ſo koͤnnen wir uns troͤſten, weil „wir verſichert ſind, daß er ſich aus demſelben heraus „finden, und ſein Kummer, ſo groß er auch gegen- „waͤrtig ſeyn mag, ſich bald in Freude endigen „werde.
„Aus der Urſache gingen die alten Verfaſſer „von Trauerſpielen in ihren Vorſtellungen ſo „mit den Menſchen um, wie mit ihnen in der „Welt umgegangen wird: indem ſie die Tu- „gend bisweilen gluͤcklich und bisweilen ungluͤck- „lich machten; wie ſie es der Erdichtung, welche
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Siebenter Theil. L l l
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[897/0903]
„Wir finden, daß in den Haushaltungen
„der goͤttlichen Vorſehung Gutes und Boͤſes
„allen Menſchen vor ihrem Grabe gleich gut
„begegne: und da der vornehmſte Endzweck bey
„den Trauerſpielen iſt, Mitleiden und Schrecken
„in den Gemuͤthern der Zuhoͤrer zu erwecken; ſo
„werden wir dieſe Hauptabſicht aufheben, wenn
„wir die Tugend und Unſchuld allezeit gluͤcklich
„machen.
„Ein Frommer mag in dem Haupttheil des
„Trauerſpiels noch ſo viele Widerwaͤrtigkeiten und
„Ungluͤcksfaͤlle auszuſtehen haben: ſo werden
„doch dieſelben nur einen ſchwachen Eindruck in
„unſere Gemuͤther machen; wenn wir wiſſen, daß
„er in dem letzten Aufzuge ſeine Wuͤnſche und
„ſein Verlangen erfuͤllt ſehen werde.
„Wenn wir ihn in ſeinem tiefſten Leiden ver-
„wickelt ſehen: ſo koͤnnen wir uns troͤſten, weil
„wir verſichert ſind, daß er ſich aus demſelben heraus
„finden, und ſein Kummer, ſo groß er auch gegen-
„waͤrtig ſeyn mag, ſich bald in Freude endigen
„werde.
„Aus der Urſache gingen die alten Verfaſſer
„von Trauerſpielen in ihren Vorſtellungen ſo
„mit den Menſchen um, wie mit ihnen in der
„Welt umgegangen wird: indem ſie die Tu-
„gend bisweilen gluͤcklich und bisweilen ungluͤck-
„lich machten; wie ſie es der Erdichtung, welche
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 897. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/903>, abgerufen am 22.11.2024.
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