verhärteten Neigung, mit andern ein Spiel zu treiben, bey dir habe, wenn du bloß aus muthwilli- ger Lust, da keine Absicht, die du dir vorsetzest, son- dern vielmehr gerade das Gegentheil, dadurch kann befördert werden, ein armes Frauenzimmer von einem Orte zum andern jagest, welches, wie ein unschuldiges Thier, das schon einen zackichten Pfeil in der Brust hat, nur in dem Schatten des Todes eine Zuflucht vor dir suchet?
Jedoch ich will diese Sache deinem eigenen Gewissen anheim stellen, und dir aus meinem Verzeichnisse der hier vorgefallenen Umstände ein solches Trauerspiel vorstellen, das dich viel- leicht kräftiger als alles andere, rühren wird. Denn es ist von der Art, daß du dereinst selbst ei- ne Hauptperson darinn spielen mußt: und eben dasjenige, welches du, wie ich dachte, ganz neu- lich an dir zu befürchten hattest. Es ist das letz- te Trauerspiel eines deiner vertrautesten Freunde, der seit den vier verwichnen Tagen unter der Angst des Todes gearbeitet hat. Laß diese Wahrheit, Lovelace, diese unstreitige Wahrheit dir bey allen deinen lustigen Aufzügen ins Gedächtniß einge- graben seyn, daß dieß Leben, in welches wir so verliebt sind, kaum ein Leben, nur ein bloßer Hauch sey, und daß am Ende, wenn es auch aufs längste dauret,
Du eben so wohl sterben müssest, als BELTON.
Du hast von Tourville erfahren, was wir in den weltlichen Angelegenheiten dieses armen Man-
nes
A 2
verhaͤrteten Neigung, mit andern ein Spiel zu treiben, bey dir habe, wenn du bloß aus muthwilli- ger Luſt, da keine Abſicht, die du dir vorſetzeſt, ſon- dern vielmehr gerade das Gegentheil, dadurch kann befoͤrdert werden, ein armes Frauenzimmer von einem Orte zum andern jageſt, welches, wie ein unſchuldiges Thier, das ſchon einen zackichten Pfeil in der Bruſt hat, nur in dem Schatten des Todes eine Zuflucht vor dir ſuchet?
Jedoch ich will dieſe Sache deinem eigenen Gewiſſen anheim ſtellen, und dir aus meinem Verzeichniſſe der hier vorgefallenen Umſtaͤnde ein ſolches Trauerſpiel vorſtellen, das dich viel- leicht kraͤftiger als alles andere, ruͤhren wird. Denn es iſt von der Art, daß du dereinſt ſelbſt ei- ne Hauptperſon darinn ſpielen mußt: und eben dasjenige, welches du, wie ich dachte, ganz neu- lich an dir zu befuͤrchten hatteſt. Es iſt das letz- te Trauerſpiel eines deiner vertrauteſten Freunde, der ſeit den vier verwichnen Tagen unter der Angſt des Todes gearbeitet hat. Laß dieſe Wahrheit, Lovelace, dieſe unſtreitige Wahrheit dir bey allen deinen luſtigen Aufzuͤgen ins Gedaͤchtniß einge- graben ſeyn, daß dieß Leben, in welches wir ſo verliebt ſind, kaum ein Leben, nur ein bloßer Hauch ſey, und daß am Ende, wenn es auch aufs laͤngſte dauret,
Du eben ſo wohl ſterben muͤſſeſt, als BELTON.
Du haſt von Tourville erfahren, was wir in den weltlichen Angelegenheiten dieſes armen Man-
nes
A 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0009"n="3"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
verhaͤrteten Neigung, mit andern ein Spiel zu<lb/>
treiben, bey dir habe, wenn du bloß aus muthwilli-<lb/>
ger Luſt, da keine Abſicht, die du dir vorſetzeſt, ſon-<lb/>
dern vielmehr gerade das Gegentheil, dadurch<lb/>
kann befoͤrdert werden, ein armes Frauenzimmer<lb/>
von einem Orte zum andern jageſt, welches, wie<lb/>
ein unſchuldiges Thier, das ſchon einen zackichten<lb/>
Pfeil in der Bruſt hat, nur in dem Schatten des<lb/>
Todes eine Zuflucht vor dir ſuchet?</p><lb/><p>Jedoch ich will dieſe Sache deinem eigenen<lb/>
Gewiſſen anheim ſtellen, und dir aus meinem<lb/>
Verzeichniſſe der hier vorgefallenen Umſtaͤnde<lb/>
ein ſolches Trauerſpiel vorſtellen, das dich viel-<lb/>
leicht kraͤftiger als alles andere, ruͤhren wird.<lb/>
Denn es iſt von der Art, daß du dereinſt ſelbſt ei-<lb/>
ne Hauptperſon darinn ſpielen mußt: und eben<lb/>
dasjenige, welches du, wie ich dachte, ganz neu-<lb/>
lich an dir zu befuͤrchten hatteſt. Es iſt das letz-<lb/>
te Trauerſpiel eines deiner vertrauteſten Freunde,<lb/>
der ſeit den vier verwichnen Tagen unter der Angſt<lb/>
des Todes gearbeitet hat. Laß dieſe Wahrheit,<lb/>
Lovelace, dieſe unſtreitige Wahrheit dir bey allen<lb/>
deinen luſtigen Aufzuͤgen ins Gedaͤchtniß einge-<lb/>
graben ſeyn, daß dieß Leben, in welches wir ſo<lb/>
verliebt ſind, kaum ein Leben, nur ein bloßer<lb/>
Hauch ſey, und daß am Ende, wenn es auch aufs<lb/>
laͤngſte dauret,</p><lb/><p><hirendition="#c"><hirendition="#b">Du eben ſo wohl ſterben muͤſſeſt,<lb/>
als <hirendition="#g">BELTON</hi>.</hi></hi></p><lb/><p>Du haſt von Tourville erfahren, was wir in<lb/>
den weltlichen Angelegenheiten dieſes armen Man-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">nes</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[3/0009]
verhaͤrteten Neigung, mit andern ein Spiel zu
treiben, bey dir habe, wenn du bloß aus muthwilli-
ger Luſt, da keine Abſicht, die du dir vorſetzeſt, ſon-
dern vielmehr gerade das Gegentheil, dadurch
kann befoͤrdert werden, ein armes Frauenzimmer
von einem Orte zum andern jageſt, welches, wie
ein unſchuldiges Thier, das ſchon einen zackichten
Pfeil in der Bruſt hat, nur in dem Schatten des
Todes eine Zuflucht vor dir ſuchet?
Jedoch ich will dieſe Sache deinem eigenen
Gewiſſen anheim ſtellen, und dir aus meinem
Verzeichniſſe der hier vorgefallenen Umſtaͤnde
ein ſolches Trauerſpiel vorſtellen, das dich viel-
leicht kraͤftiger als alles andere, ruͤhren wird.
Denn es iſt von der Art, daß du dereinſt ſelbſt ei-
ne Hauptperſon darinn ſpielen mußt: und eben
dasjenige, welches du, wie ich dachte, ganz neu-
lich an dir zu befuͤrchten hatteſt. Es iſt das letz-
te Trauerſpiel eines deiner vertrauteſten Freunde,
der ſeit den vier verwichnen Tagen unter der Angſt
des Todes gearbeitet hat. Laß dieſe Wahrheit,
Lovelace, dieſe unſtreitige Wahrheit dir bey allen
deinen luſtigen Aufzuͤgen ins Gedaͤchtniß einge-
graben ſeyn, daß dieß Leben, in welches wir ſo
verliebt ſind, kaum ein Leben, nur ein bloßer
Hauch ſey, und daß am Ende, wenn es auch aufs
laͤngſte dauret,
Du eben ſo wohl ſterben muͤſſeſt,
als BELTON.
Du haſt von Tourville erfahren, was wir in
den weltlichen Angelegenheiten dieſes armen Man-
nes
A 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/9>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.