Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



kommenheit! Göttliche Fräulein! Leidende Schö-
ne! - - Einmal sagte er: Schaue herunter,
seliger Geist, schaue herunter! - - Und damit
hielte er inne: - - jedoch bewegten sich seine
Lippen.

Um neun des Morgens ward er von Zuckun-
gen überfallen und fiel in Ohnmacht. Es währ-
te eine Viertelstunde, ehe er sich daraus erhohlte.

Seine wenigen letzten Worte muß ich nicht
vergessen: da sie beweisen, daß er sich zuletzt ge-
fasset habe; welches seinen geehrten Freunden zu
einigem Troste gereichen mag.

Heiliger - - sprach er; und wandte sich da-
mit sonder Zweifel zum Himmel: denn seine ster-
bende Augen waren aufgehoben - - Eine starke
Zuckung hinderte ihn auf einige Augenblicke mehr
zu sagen - Als er sich aber wieder erhohlte, sprach
er wieder mit großem Eifer, mit aufgehabenen
Augen und ausgebreiteten Händen, das Wort
Heiliger aus. - - Hierauf redete er, als wenn
er andächtige Seufzer schickte, so einwärts, daß
man es nicht verstehen konnte: und zuletzt sprach
er deutlich diese drey Worte aus:
Laß dieß versöhnen!
Hiemit sank sein Haupt auf das Kopfküssen; und
er verschied: eine halbe Stunde nach zehn.

Er gedachte nicht; der arme Herr! daß sein
Ende so nahe seyn würde. Daher hatte er, fei-
nes Körpers wegen, nichts befohlen. Jch habe
ihn ausnehmen und in ein Gewölbe setzen lassen,
bis ich aus England Verhaltungsbefehle bekomme.

Dieß



kommenheit! Goͤttliche Fraͤulein! Leidende Schoͤ-
ne! ‒ ‒ Einmal ſagte er: Schaue herunter,
ſeliger Geiſt, ſchaue herunter! ‒ ‒ Und damit
hielte er inne: ‒ ‒ jedoch bewegten ſich ſeine
Lippen.

Um neun des Morgens ward er von Zuckun-
gen uͤberfallen und fiel in Ohnmacht. Es waͤhr-
te eine Viertelſtunde, ehe er ſich daraus erhohlte.

Seine wenigen letzten Worte muß ich nicht
vergeſſen: da ſie beweiſen, daß er ſich zuletzt ge-
faſſet habe; welches ſeinen geehrten Freunden zu
einigem Troſte gereichen mag.

Heiliger ‒ ‒ ſprach er; und wandte ſich da-
mit ſonder Zweifel zum Himmel: denn ſeine ſter-
bende Augen waren aufgehoben ‒ ‒ Eine ſtarke
Zuckung hinderte ihn auf einige Augenblicke mehr
zu ſagen ‒ Als er ſich aber wieder erhohlte, ſprach
er wieder mit großem Eifer, mit aufgehabenen
Augen und ausgebreiteten Haͤnden, das Wort
Heiliger aus. ‒ ‒ Hierauf redete er, als wenn
er andaͤchtige Seufzer ſchickte, ſo einwaͤrts, daß
man es nicht verſtehen konnte: und zuletzt ſprach
er deutlich dieſe drey Worte aus:
Laß dieß verſoͤhnen!
Hiemit ſank ſein Haupt auf das Kopfkuͤſſen; und
er verſchied: eine halbe Stunde nach zehn.

Er gedachte nicht; der arme Herr! daß ſein
Ende ſo nahe ſeyn wuͤrde. Daher hatte er, fei-
nes Koͤrpers wegen, nichts befohlen. Jch habe
ihn ausnehmen und in ein Gewoͤlbe ſetzen laſſen,
bis ich aus England Verhaltungsbefehle bekomme.

Dieß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0881" n="875"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
kommenheit! Go&#x0364;ttliche Fra&#x0364;ulein! Leidende Scho&#x0364;-<lb/>
ne! &#x2012; &#x2012; Einmal &#x017F;agte er: Schaue herunter,<lb/>
&#x017F;eliger Gei&#x017F;t, &#x017F;chaue herunter! &#x2012; &#x2012; Und damit<lb/>
hielte er inne: &#x2012; &#x2012; jedoch bewegten &#x017F;ich &#x017F;eine<lb/>
Lippen.</p><lb/>
          <p>Um neun des Morgens ward er von Zuckun-<lb/>
gen u&#x0364;berfallen und fiel in Ohnmacht. Es wa&#x0364;hr-<lb/>
te eine Viertel&#x017F;tunde, ehe er &#x017F;ich daraus erhohlte.</p><lb/>
          <p>Seine wenigen letzten Worte muß ich nicht<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en: da &#x017F;ie bewei&#x017F;en, daß er &#x017F;ich zuletzt ge-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;et habe; welches &#x017F;einen geehrten Freunden zu<lb/>
einigem Tro&#x017F;te gereichen mag.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Heiliger</hi> &#x2012; &#x2012; &#x017F;prach er; und wandte &#x017F;ich da-<lb/>
mit &#x017F;onder Zweifel zum Himmel: denn &#x017F;eine &#x017F;ter-<lb/>
bende Augen waren aufgehoben &#x2012; &#x2012; Eine &#x017F;tarke<lb/>
Zuckung hinderte ihn auf einige Augenblicke mehr<lb/>
zu &#x017F;agen &#x2012; Als er &#x017F;ich aber wieder erhohlte, &#x017F;prach<lb/>
er wieder mit großem Eifer, mit aufgehabenen<lb/>
Augen und ausgebreiteten Ha&#x0364;nden, das Wort<lb/><hi rendition="#fr">Heiliger</hi> aus. &#x2012; &#x2012; Hierauf redete er, als wenn<lb/>
er anda&#x0364;chtige Seufzer &#x017F;chickte, &#x017F;o einwa&#x0364;rts, daß<lb/>
man es nicht ver&#x017F;tehen konnte: und zuletzt &#x017F;prach<lb/>
er deutlich die&#x017F;e drey Worte aus:<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Laß dieß ver&#x017F;o&#x0364;hnen!</hi></hi><lb/>
Hiemit &#x017F;ank &#x017F;ein Haupt auf das Kopfku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; und<lb/>
er ver&#x017F;chied: eine halbe Stunde nach zehn.</p><lb/>
          <p>Er gedachte nicht; der arme Herr! daß &#x017F;ein<lb/>
Ende &#x017F;o nahe &#x017F;eyn wu&#x0364;rde. Daher hatte er, fei-<lb/>
nes Ko&#x0364;rpers wegen, nichts befohlen. Jch habe<lb/>
ihn ausnehmen und in ein Gewo&#x0364;lbe &#x017F;etzen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
bis ich aus England Verhaltungsbefehle bekomme.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Dieß</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[875/0881] kommenheit! Goͤttliche Fraͤulein! Leidende Schoͤ- ne! ‒ ‒ Einmal ſagte er: Schaue herunter, ſeliger Geiſt, ſchaue herunter! ‒ ‒ Und damit hielte er inne: ‒ ‒ jedoch bewegten ſich ſeine Lippen. Um neun des Morgens ward er von Zuckun- gen uͤberfallen und fiel in Ohnmacht. Es waͤhr- te eine Viertelſtunde, ehe er ſich daraus erhohlte. Seine wenigen letzten Worte muß ich nicht vergeſſen: da ſie beweiſen, daß er ſich zuletzt ge- faſſet habe; welches ſeinen geehrten Freunden zu einigem Troſte gereichen mag. Heiliger ‒ ‒ ſprach er; und wandte ſich da- mit ſonder Zweifel zum Himmel: denn ſeine ſter- bende Augen waren aufgehoben ‒ ‒ Eine ſtarke Zuckung hinderte ihn auf einige Augenblicke mehr zu ſagen ‒ Als er ſich aber wieder erhohlte, ſprach er wieder mit großem Eifer, mit aufgehabenen Augen und ausgebreiteten Haͤnden, das Wort Heiliger aus. ‒ ‒ Hierauf redete er, als wenn er andaͤchtige Seufzer ſchickte, ſo einwaͤrts, daß man es nicht verſtehen konnte: und zuletzt ſprach er deutlich dieſe drey Worte aus: Laß dieß verſoͤhnen! Hiemit ſank ſein Haupt auf das Kopfkuͤſſen; und er verſchied: eine halbe Stunde nach zehn. Er gedachte nicht; der arme Herr! daß ſein Ende ſo nahe ſeyn wuͤrde. Daher hatte er, fei- nes Koͤrpers wegen, nichts befohlen. Jch habe ihn ausnehmen und in ein Gewoͤlbe ſetzen laſſen, bis ich aus England Verhaltungsbefehle bekomme. Dieß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/881
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 875. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/881>, abgerufen am 25.11.2024.