Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



Geister, zur Aufwartung bey der Seele meiner
verstorbenen Clarissa, fortschicken wird.

Jch kam hier gestern an: und da ich mich
nach einem englischen Cavallier, Namens Mor-
den, er[kun]digte, machte ich des Obristen Wohnung
bald ausfündig. Er war schon zween Tage in
der Stadt gewesen: und hatte seinen Namen an
allen Orten, wo wahrscheinlicher Weise Nachfra-
ge geschehen konnte, von sich gegeben.

Er war ausgegangen, um auszureiten: und
ich gab meinen Namen von mir, und die Nach-
richt, wo ich zu finden seyn würde. Des Abends
besuchte er mich.

Er war gewaltig sinster. Das war ich nicht.
Jedoch sagte er zu mir, daß ich in meinem ersten
Briefe als ein Mann von wahrer Herzhaftigkeit,
und darinn, daß ich so willig zu dieser Zusammen-
kunft gewesen wäre, nach wahrer Ehre gehandelt
hätte. Er wünschte, daß ich eben das in anderer
Betrachtung gethan haben möchte: so hätten wir
einander unter bessern Umständen, als itzo geschä-
he, sprechen können.

Jch sagte, was geschehen wäre, ließe sich nicht
wieder zurückrufen, und ich wünschte eben so wohl,
als er, daß eines und das andere nicht geschehen
wäre.

Wenn wir nun aufs neue uns mit Vorwür-
fen aufhalten wollten, sprach er: so würde es so
wohl zur Verbitterung dienen als unnütze seyn!
Und da ich ihm diese Gelegenheit so willig gege-
ben hätte: so wollten wir statt der Worte zur

Sache
Siebenter Theil. J i i



Geiſter, zur Aufwartung bey der Seele meiner
verſtorbenen Clariſſa, fortſchicken wird.

Jch kam hier geſtern an: und da ich mich
nach einem engliſchen Cavallier, Namens Mor-
den, er[kun]digte, machte ich des Obriſten Wohnung
bald ausfuͤndig. Er war ſchon zween Tage in
der Stadt geweſen: und hatte ſeinen Namen an
allen Orten, wo wahrſcheinlicher Weiſe Nachfra-
ge geſchehen konnte, von ſich gegeben.

Er war ausgegangen, um auszureiten: und
ich gab meinen Namen von mir, und die Nach-
richt, wo ich zu finden ſeyn wuͤrde. Des Abends
beſuchte er mich.

Er war gewaltig ſinſter. Das war ich nicht.
Jedoch ſagte er zu mir, daß ich in meinem erſten
Briefe als ein Mann von wahrer Herzhaftigkeit,
und darinn, daß ich ſo willig zu dieſer Zuſammen-
kunft geweſen waͤre, nach wahrer Ehre gehandelt
haͤtte. Er wuͤnſchte, daß ich eben das in anderer
Betrachtung gethan haben moͤchte: ſo haͤtten wir
einander unter beſſern Umſtaͤnden, als itzo geſchaͤ-
he, ſprechen koͤnnen.

Jch ſagte, was geſchehen waͤre, ließe ſich nicht
wieder zuruͤckrufen, und ich wuͤnſchte eben ſo wohl,
als er, daß eines und das andere nicht geſchehen
waͤre.

Wenn wir nun aufs neue uns mit Vorwuͤr-
fen aufhalten wollten, ſprach er: ſo wuͤrde es ſo
wohl zur Verbitterung dienen als unnuͤtze ſeyn!
Und da ich ihm dieſe Gelegenheit ſo willig gege-
ben haͤtte: ſo wollten wir ſtatt der Worte zur

Sache
Siebenter Theil. J i i
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0871" n="865"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Gei&#x017F;ter, zur Aufwartung bey der Seele meiner<lb/>
ver&#x017F;torbenen <hi rendition="#fr">Clari&#x017F;&#x017F;a,</hi> fort&#x017F;chicken wird.</p><lb/>
          <p>Jch kam hier ge&#x017F;tern an: und da ich mich<lb/>
nach einem engli&#x017F;chen Cavallier, Namens Mor-<lb/>
den, er<supplied>kun</supplied>digte, machte ich des Obri&#x017F;ten Wohnung<lb/>
bald ausfu&#x0364;ndig. Er war &#x017F;chon zween Tage in<lb/>
der Stadt gewe&#x017F;en: und hatte &#x017F;einen Namen an<lb/>
allen Orten, wo wahr&#x017F;cheinlicher Wei&#x017F;e Nachfra-<lb/>
ge ge&#x017F;chehen konnte, von &#x017F;ich gegeben.</p><lb/>
          <p>Er war ausgegangen, um auszureiten: und<lb/>
ich gab <hi rendition="#fr">meinen</hi> Namen von mir, und die Nach-<lb/>
richt, wo ich zu finden &#x017F;eyn wu&#x0364;rde. Des Abends<lb/>
be&#x017F;uchte er mich.</p><lb/>
          <p>Er war gewaltig &#x017F;in&#x017F;ter. Das war ich nicht.<lb/>
Jedoch &#x017F;agte er zu mir, daß ich in meinem er&#x017F;ten<lb/>
Briefe als ein Mann von wahrer Herzhaftigkeit,<lb/>
und darinn, daß ich &#x017F;o willig zu die&#x017F;er Zu&#x017F;ammen-<lb/>
kunft gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, nach wahrer Ehre gehandelt<lb/>
ha&#x0364;tte. Er wu&#x0364;n&#x017F;chte, daß ich eben das in anderer<lb/>
Betrachtung gethan haben mo&#x0364;chte: &#x017F;o ha&#x0364;tten wir<lb/>
einander unter be&#x017F;&#x017F;ern Um&#x017F;ta&#x0364;nden, als itzo ge&#x017F;cha&#x0364;-<lb/>
he, &#x017F;prechen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <p>Jch &#x017F;agte, was ge&#x017F;chehen wa&#x0364;re, ließe &#x017F;ich nicht<lb/>
wieder zuru&#x0364;ckrufen, und ich wu&#x0364;n&#x017F;chte eben &#x017F;o wohl,<lb/>
als er, daß eines und das andere nicht ge&#x017F;chehen<lb/>
wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Wenn wir nun aufs neue uns mit Vorwu&#x0364;r-<lb/>
fen aufhalten wollten, &#x017F;prach er: &#x017F;o wu&#x0364;rde es &#x017F;o<lb/>
wohl zur Verbitterung dienen als unnu&#x0364;tze &#x017F;eyn!<lb/>
Und da ich ihm die&#x017F;e Gelegenheit &#x017F;o willig gege-<lb/>
ben ha&#x0364;tte: &#x017F;o wollten wir &#x017F;tatt der Worte zur<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Siebenter Theil.</hi> J i i</fw><fw place="bottom" type="catch">Sache</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[865/0871] Geiſter, zur Aufwartung bey der Seele meiner verſtorbenen Clariſſa, fortſchicken wird. Jch kam hier geſtern an: und da ich mich nach einem engliſchen Cavallier, Namens Mor- den, erkundigte, machte ich des Obriſten Wohnung bald ausfuͤndig. Er war ſchon zween Tage in der Stadt geweſen: und hatte ſeinen Namen an allen Orten, wo wahrſcheinlicher Weiſe Nachfra- ge geſchehen konnte, von ſich gegeben. Er war ausgegangen, um auszureiten: und ich gab meinen Namen von mir, und die Nach- richt, wo ich zu finden ſeyn wuͤrde. Des Abends beſuchte er mich. Er war gewaltig ſinſter. Das war ich nicht. Jedoch ſagte er zu mir, daß ich in meinem erſten Briefe als ein Mann von wahrer Herzhaftigkeit, und darinn, daß ich ſo willig zu dieſer Zuſammen- kunft geweſen waͤre, nach wahrer Ehre gehandelt haͤtte. Er wuͤnſchte, daß ich eben das in anderer Betrachtung gethan haben moͤchte: ſo haͤtten wir einander unter beſſern Umſtaͤnden, als itzo geſchaͤ- he, ſprechen koͤnnen. Jch ſagte, was geſchehen waͤre, ließe ſich nicht wieder zuruͤckrufen, und ich wuͤnſchte eben ſo wohl, als er, daß eines und das andere nicht geſchehen waͤre. Wenn wir nun aufs neue uns mit Vorwuͤr- fen aufhalten wollten, ſprach er: ſo wuͤrde es ſo wohl zur Verbitterung dienen als unnuͤtze ſeyn! Und da ich ihm dieſe Gelegenheit ſo willig gege- ben haͤtte: ſo wollten wir ſtatt der Worte zur Sache Siebenter Theil. J i i

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/871
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 865. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/871>, abgerufen am 25.11.2024.