Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



gleitet, zu ziehen weiß. Sie ist willens, Herrn
Hickmann zu nehmen. Jch glaube, er gefällt
ihr nicht übel. Es wird sie aber nicht geringe
Mühe kosten, sich von der Höhe, zu der sie hin-
aufgeklettert ist, herunter zu lassen.

Noch eine andere Unbequemlichkeit wird sie
daher leiden, daß sie einen jeden; denn sie ist über
alle Verstellung hinaus; durch ihr Bezeigen ge-
gen Herrn Hickmann gelehret hat, sich viel schlech-
tere Gedanken von ihm zu machen, als er verdie-
net. Und muß seine Entehrung ihr nicht selbst
zur Unehre gereichen?

Fr. Howe ist über ihrer Tochter Aufführung
gegen diesen Herrn sehr unzufrieden. Er hat
mit vollkommenem Rechte ihre Gunst. Aber,
ein neuer Fehler an der Fräulein Howe! ihre
Mutter gilt nicht so viel bey ihr, als die gute Ein-
sicht ihrer Tochter sie billig gelten lassen sollte.
Es ist sehr schwer, Herr Belford, für Leute von
verschiedner oder entgegengesetzter Gemüths-
art, wenn sie auch sonst nicht böse sind, mit ihrer
Liebe gegen einander Ehrerbietung zu verknü-
pfen: selbst da, wo die Natur in der Verwandt-
schaft zur Liebe aufgefordert hat.

Fräulein Howe ist offenherzig, freygebig,
edelmüthig.
Die Mutter hat nicht eine einzi-
ge von diesen schönen Eigenschaften. Die Eltern
sollten billig große Sorge tragen, damit sie sich
bey ihren Kindern die Ehrerbietung erhielten,
dieselbe in ihrer Aufführung, oder in ihrem Be-

zeigen



gleitet, zu ziehen weiß. Sie iſt willens, Herrn
Hickmann zu nehmen. Jch glaube, er gefaͤllt
ihr nicht uͤbel. Es wird ſie aber nicht geringe
Muͤhe koſten, ſich von der Hoͤhe, zu der ſie hin-
aufgeklettert iſt, herunter zu laſſen.

Noch eine andere Unbequemlichkeit wird ſie
daher leiden, daß ſie einen jeden; denn ſie iſt uͤber
alle Verſtellung hinaus; durch ihr Bezeigen ge-
gen Herrn Hickmann gelehret hat, ſich viel ſchlech-
tere Gedanken von ihm zu machen, als er verdie-
net. Und muß ſeine Entehrung ihr nicht ſelbſt
zur Unehre gereichen?

Fr. Howe iſt uͤber ihrer Tochter Auffuͤhrung
gegen dieſen Herrn ſehr unzufrieden. Er hat
mit vollkommenem Rechte ihre Gunſt. Aber,
ein neuer Fehler an der Fraͤulein Howe! ihre
Mutter gilt nicht ſo viel bey ihr, als die gute Ein-
ſicht ihrer Tochter ſie billig gelten laſſen ſollte.
Es iſt ſehr ſchwer, Herr Belford, fuͤr Leute von
verſchiedner oder entgegengeſetzter Gemuͤths-
art, wenn ſie auch ſonſt nicht boͤſe ſind, mit ihrer
Liebe gegen einander Ehrerbietung zu verknuͤ-
pfen: ſelbſt da, wo die Natur in der Verwandt-
ſchaft zur Liebe aufgefordert hat.

Fraͤulein Howe iſt offenherzig, freygebig,
edelmuͤthig.
Die Mutter hat nicht eine einzi-
ge von dieſen ſchoͤnen Eigenſchaften. Die Eltern
ſollten billig große Sorge tragen, damit ſie ſich
bey ihren Kindern die Ehrerbietung erhielten,
dieſelbe in ihrer Auffuͤhrung, oder in ihrem Be-

zeigen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0760" n="754"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
gleitet, zu ziehen weiß. Sie i&#x017F;t willens, Herrn<lb/>
Hickmann zu nehmen. Jch glaube, er gefa&#x0364;llt<lb/>
ihr nicht u&#x0364;bel. Es wird &#x017F;ie aber nicht geringe<lb/>
Mu&#x0364;he ko&#x017F;ten, &#x017F;ich von der Ho&#x0364;he, zu der &#x017F;ie hin-<lb/>
aufgeklettert i&#x017F;t, herunter zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Noch eine andere Unbequemlichkeit wird &#x017F;ie<lb/>
daher leiden, daß &#x017F;ie einen jeden; denn &#x017F;ie i&#x017F;t u&#x0364;ber<lb/>
alle Ver&#x017F;tellung hinaus; durch ihr Bezeigen ge-<lb/>
gen Herrn Hickmann gelehret hat, &#x017F;ich viel &#x017F;chlech-<lb/>
tere Gedanken von ihm zu machen, als er verdie-<lb/>
net. Und muß <hi rendition="#fr">&#x017F;eine</hi> Entehrung <hi rendition="#fr">ihr</hi> nicht &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zur Unehre gereichen?</p><lb/>
          <p>Fr. Howe i&#x017F;t u&#x0364;ber ihrer Tochter Auffu&#x0364;hrung<lb/>
gegen die&#x017F;en Herrn &#x017F;ehr unzufrieden. Er hat<lb/>
mit vollkommenem Rechte ihre Gun&#x017F;t. Aber,<lb/>
ein neuer Fehler an der Fra&#x0364;ulein Howe! ihre<lb/>
Mutter gilt nicht &#x017F;o viel bey ihr, als die gute Ein-<lb/>
&#x017F;icht ihrer Tochter &#x017F;ie billig gelten la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollte.<lb/>
Es i&#x017F;t &#x017F;ehr &#x017F;chwer, Herr Belford, fu&#x0364;r Leute von<lb/><hi rendition="#fr">ver&#x017F;chiedner</hi> oder <hi rendition="#fr">entgegenge&#x017F;etzter</hi> Gemu&#x0364;ths-<lb/>
art, wenn &#x017F;ie auch &#x017F;on&#x017F;t nicht bo&#x0364;&#x017F;e &#x017F;ind, mit ihrer<lb/><hi rendition="#fr">Liebe</hi> gegen einander <hi rendition="#fr">Ehrerbietung</hi> zu verknu&#x0364;-<lb/>
pfen: &#x017F;elb&#x017F;t da, wo die Natur in der Verwandt-<lb/>
&#x017F;chaft zur <hi rendition="#fr">Liebe</hi> aufgefordert hat.</p><lb/>
          <p>Fra&#x0364;ulein Howe i&#x017F;t <hi rendition="#fr">offenherzig, freygebig,<lb/>
edelmu&#x0364;thig.</hi> Die Mutter hat nicht eine einzi-<lb/>
ge von die&#x017F;en &#x017F;cho&#x0364;nen Eigen&#x017F;chaften. Die Eltern<lb/>
&#x017F;ollten billig große Sorge tragen, damit &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
bey ihren Kindern die Ehrerbietung erhielten,<lb/>
die&#x017F;elbe in ihrer Auffu&#x0364;hrung, oder in ihrem Be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zeigen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[754/0760] gleitet, zu ziehen weiß. Sie iſt willens, Herrn Hickmann zu nehmen. Jch glaube, er gefaͤllt ihr nicht uͤbel. Es wird ſie aber nicht geringe Muͤhe koſten, ſich von der Hoͤhe, zu der ſie hin- aufgeklettert iſt, herunter zu laſſen. Noch eine andere Unbequemlichkeit wird ſie daher leiden, daß ſie einen jeden; denn ſie iſt uͤber alle Verſtellung hinaus; durch ihr Bezeigen ge- gen Herrn Hickmann gelehret hat, ſich viel ſchlech- tere Gedanken von ihm zu machen, als er verdie- net. Und muß ſeine Entehrung ihr nicht ſelbſt zur Unehre gereichen? Fr. Howe iſt uͤber ihrer Tochter Auffuͤhrung gegen dieſen Herrn ſehr unzufrieden. Er hat mit vollkommenem Rechte ihre Gunſt. Aber, ein neuer Fehler an der Fraͤulein Howe! ihre Mutter gilt nicht ſo viel bey ihr, als die gute Ein- ſicht ihrer Tochter ſie billig gelten laſſen ſollte. Es iſt ſehr ſchwer, Herr Belford, fuͤr Leute von verſchiedner oder entgegengeſetzter Gemuͤths- art, wenn ſie auch ſonſt nicht boͤſe ſind, mit ihrer Liebe gegen einander Ehrerbietung zu verknuͤ- pfen: ſelbſt da, wo die Natur in der Verwandt- ſchaft zur Liebe aufgefordert hat. Fraͤulein Howe iſt offenherzig, freygebig, edelmuͤthig. Die Mutter hat nicht eine einzi- ge von dieſen ſchoͤnen Eigenſchaften. Die Eltern ſollten billig große Sorge tragen, damit ſie ſich bey ihren Kindern die Ehrerbietung erhielten, dieſelbe in ihrer Auffuͤhrung, oder in ihrem Be- zeigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/760
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 754. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/760>, abgerufen am 23.11.2024.