Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



sich bey solchen Vorwürfen beruhigen? - - Sie
muß es wissen.

Herr Hickmann ist wirklich ein recht braver
Mann. Ein jeder spricht wohl von ihm. Aber
er ist von sanfter Gemüthsart und betet die Fräu-
lein Howe an: und die Liebe leidet kein Ansehen
eines erhabenen, wenn gleich gebührlichen, We-
sens gegen den Gegenstand, der geliebet wird.
Jedoch wird er schwerlich die Zügel wieder zu-
rückbekommen, die er einmal aufgegeben hat: es
wäre denn, daß sie die Gewalt, worauf sie itzo
allzu sehr zu bestehen scheinet, zu weit treiben,
und, wenn sie ihm keine Gewogenheiten mehr zu
erweisen hat, die er nicht berechtigt ist zu fordern,
ihn dadurch reizen sollte, das allzu schwere Joch
abzuschütteln. Sollte er das thun, und ihr nach-
läßig begegnen: so wird die Fräulein Howe unter
allen Frauenzimmern, die ich kenne, am wenigsten
im Stande seyn, sich darein zu schicken. Als-
denn wird sie weit unglücklicher seyn, als sie ihn
jemals gemacht hat. Denn ein Mann, der zu
Hause sein Vergnügen nicht findet, kann sich au-
ßerhalb Hauses aufmuntern: das kann aber ein
Frauenzimmer nicht so leicht ohne Aergerniß
thun.

Erlauben Sie mir ferner zu bemerken, in
Absicht auf die Fräulein Howe, daß ich offenbar
sehe, wie sie sich, durch ihr hohes Bezeigen gegen
diesen würdigen Mann, selbst in eine Schwierig-
keit verwickelt habe, aus der sie sich nicht mit dem-
jenigen Anstande, der alle ihre Handlungen be-

gleitet,
Siebenter Theil. B b b



ſich bey ſolchen Vorwuͤrfen beruhigen? ‒ ‒ Sie
muß es wiſſen.

Herr Hickmann iſt wirklich ein recht braver
Mann. Ein jeder ſpricht wohl von ihm. Aber
er iſt von ſanfter Gemuͤthsart und betet die Fraͤu-
lein Howe an: und die Liebe leidet kein Anſehen
eines erhabenen, wenn gleich gebuͤhrlichen, We-
ſens gegen den Gegenſtand, der geliebet wird.
Jedoch wird er ſchwerlich die Zuͤgel wieder zu-
ruͤckbekommen, die er einmal aufgegeben hat: es
waͤre denn, daß ſie die Gewalt, worauf ſie itzo
allzu ſehr zu beſtehen ſcheinet, zu weit treiben,
und, wenn ſie ihm keine Gewogenheiten mehr zu
erweiſen hat, die er nicht berechtigt iſt zu fordern,
ihn dadurch reizen ſollte, das allzu ſchwere Joch
abzuſchuͤtteln. Sollte er das thun, und ihr nach-
laͤßig begegnen: ſo wird die Fraͤulein Howe unter
allen Frauenzimmern, die ich kenne, am wenigſten
im Stande ſeyn, ſich darein zu ſchicken. Als-
denn wird ſie weit ungluͤcklicher ſeyn, als ſie ihn
jemals gemacht hat. Denn ein Mann, der zu
Hauſe ſein Vergnuͤgen nicht findet, kann ſich au-
ßerhalb Hauſes aufmuntern: das kann aber ein
Frauenzimmer nicht ſo leicht ohne Aergerniß
thun.

Erlauben Sie mir ferner zu bemerken, in
Abſicht auf die Fraͤulein Howe, daß ich offenbar
ſehe, wie ſie ſich, durch ihr hohes Bezeigen gegen
dieſen wuͤrdigen Mann, ſelbſt in eine Schwierig-
keit verwickelt habe, aus der ſie ſich nicht mit dem-
jenigen Anſtande, der alle ihre Handlungen be-

gleitet,
Siebenter Theil. B b b
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0759" n="753"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;ich bey &#x017F;olchen Vorwu&#x0364;rfen beruhigen? &#x2012; &#x2012; Sie<lb/>
muß es wi&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Herr Hickmann i&#x017F;t wirklich ein recht braver<lb/>
Mann. Ein jeder &#x017F;pricht wohl von ihm. Aber<lb/>
er i&#x017F;t von &#x017F;anfter Gemu&#x0364;thsart und betet die Fra&#x0364;u-<lb/>
lein Howe an: und die Liebe leidet kein An&#x017F;ehen<lb/>
eines erhabenen, wenn gleich gebu&#x0364;hrlichen, We-<lb/>
&#x017F;ens gegen den Gegen&#x017F;tand, der geliebet wird.<lb/>
Jedoch wird er &#x017F;chwerlich die Zu&#x0364;gel wieder zu-<lb/>
ru&#x0364;ckbekommen, die er einmal aufgegeben hat: es<lb/>
wa&#x0364;re denn, daß &#x017F;ie die Gewalt, worauf &#x017F;ie itzo<lb/>
allzu &#x017F;ehr zu be&#x017F;tehen &#x017F;cheinet, zu weit treiben,<lb/>
und, wenn &#x017F;ie ihm keine Gewogenheiten mehr zu<lb/>
erwei&#x017F;en hat, die er nicht berechtigt i&#x017F;t zu fordern,<lb/>
ihn dadurch reizen &#x017F;ollte, das allzu &#x017F;chwere Joch<lb/>
abzu&#x017F;chu&#x0364;tteln. Sollte er das thun, und ihr nach-<lb/>
la&#x0364;ßig begegnen: &#x017F;o wird die Fra&#x0364;ulein Howe unter<lb/>
allen Frauenzimmern, die ich kenne, am wenig&#x017F;ten<lb/>
im Stande &#x017F;eyn, &#x017F;ich darein zu &#x017F;chicken. Als-<lb/>
denn wird &#x017F;ie <hi rendition="#fr">weit</hi> unglu&#x0364;cklicher &#x017F;eyn, als &#x017F;ie ihn<lb/>
jemals gemacht hat. Denn ein Mann, der zu<lb/>
Hau&#x017F;e &#x017F;ein Vergnu&#x0364;gen nicht findet, kann &#x017F;ich au-<lb/>
ßerhalb Hau&#x017F;es aufmuntern: das kann aber ein<lb/>
Frauenzimmer nicht &#x017F;o leicht ohne Aergerniß<lb/>
thun.</p><lb/>
          <p>Erlauben Sie mir ferner zu bemerken, in<lb/>
Ab&#x017F;icht auf die Fra&#x0364;ulein Howe, daß ich offenbar<lb/>
&#x017F;ehe, wie &#x017F;ie &#x017F;ich, durch ihr hohes Bezeigen gegen<lb/>
die&#x017F;en wu&#x0364;rdigen Mann, &#x017F;elb&#x017F;t in eine Schwierig-<lb/>
keit verwickelt habe, aus der &#x017F;ie &#x017F;ich nicht mit dem-<lb/>
jenigen An&#x017F;tande, der alle ihre Handlungen be-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Siebenter Theil.</hi> B b b</fw><fw place="bottom" type="catch">gleitet,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[753/0759] ſich bey ſolchen Vorwuͤrfen beruhigen? ‒ ‒ Sie muß es wiſſen. Herr Hickmann iſt wirklich ein recht braver Mann. Ein jeder ſpricht wohl von ihm. Aber er iſt von ſanfter Gemuͤthsart und betet die Fraͤu- lein Howe an: und die Liebe leidet kein Anſehen eines erhabenen, wenn gleich gebuͤhrlichen, We- ſens gegen den Gegenſtand, der geliebet wird. Jedoch wird er ſchwerlich die Zuͤgel wieder zu- ruͤckbekommen, die er einmal aufgegeben hat: es waͤre denn, daß ſie die Gewalt, worauf ſie itzo allzu ſehr zu beſtehen ſcheinet, zu weit treiben, und, wenn ſie ihm keine Gewogenheiten mehr zu erweiſen hat, die er nicht berechtigt iſt zu fordern, ihn dadurch reizen ſollte, das allzu ſchwere Joch abzuſchuͤtteln. Sollte er das thun, und ihr nach- laͤßig begegnen: ſo wird die Fraͤulein Howe unter allen Frauenzimmern, die ich kenne, am wenigſten im Stande ſeyn, ſich darein zu ſchicken. Als- denn wird ſie weit ungluͤcklicher ſeyn, als ſie ihn jemals gemacht hat. Denn ein Mann, der zu Hauſe ſein Vergnuͤgen nicht findet, kann ſich au- ßerhalb Hauſes aufmuntern: das kann aber ein Frauenzimmer nicht ſo leicht ohne Aergerniß thun. Erlauben Sie mir ferner zu bemerken, in Abſicht auf die Fraͤulein Howe, daß ich offenbar ſehe, wie ſie ſich, durch ihr hohes Bezeigen gegen dieſen wuͤrdigen Mann, ſelbſt in eine Schwierig- keit verwickelt habe, aus der ſie ſich nicht mit dem- jenigen Anſtande, der alle ihre Handlungen be- gleitet, Siebenter Theil. B b b

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/759
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 753. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/759>, abgerufen am 23.11.2024.