ren. Eine Eheverbindung, welche der höchste Freundschaftsstand ist, hebet gemeiniglich die ei- frigsten Freundschaften der Frauenzimmer mit Frauenzimmern auf: es mag die Heyrath glück- lich seyn, oder nicht.
Welches Frauenzimmer hat ein Gemüth, das geschickt sey, zwo feurige Freundschaften zu einer und eben derselben Zeit zu unterhalten?
Dieß berühre ich, als eine allgemeine An- merkung. Allein die Freundschaft, welche zwi- schen diesen beyden Fräulein bestanden, giebt eine merkwürdige Ausnahme dabey an die Hand, wel- che ich aus denen Eigenschaften und Gaben an beyden erkläre, die zum Vortheil des schönen Geschlechts mehrere Ausnahmen zuwege bringen würden, wenn sie gemeiner wären. Beyde hat- ten eine große und so gar freygebige Erziehung. Beyde hatten Gemüther, die mit brennender Be- gierde nach tugendhafter Erkenntniß strebeten. Beyde lasen viel: Beyde schrieben viel - - Und frühzeitiges Schreiben zwischen vertrauten Personen halte ich für eines der besten Mittel, die eine Mannsperson oder ein Frauenzimmer ge- brauchen kann, den Verstand zu öffnen und zu bessern - - Beyde waren edelmüthig und freyge- big, reich an Gütern, und daher nicht genöthigt, von einander abzuhangen, welches oft die Ver- traulichkeit, das Band der Freundschaft, aufhe- bet. Beyde hatten ihre vortrefflichen Vorzüge auf verschiedne Arten, in welchen keine von beyden die andere zu beneiden suchte. Beyde
waren
ren. Eine Eheverbindung, welche der hoͤchſte Freundſchaftsſtand iſt, hebet gemeiniglich die ei- frigſten Freundſchaften der Frauenzimmer mit Frauenzimmern auf: es mag die Heyrath gluͤck- lich ſeyn, oder nicht.
Welches Frauenzimmer hat ein Gemuͤth, das geſchickt ſey, zwo feurige Freundſchaften zu einer und eben derſelben Zeit zu unterhalten?
Dieß beruͤhre ich, als eine allgemeine An- merkung. Allein die Freundſchaft, welche zwi- ſchen dieſen beyden Fraͤulein beſtanden, giebt eine merkwuͤrdige Ausnahme dabey an die Hand, wel- che ich aus denen Eigenſchaften und Gaben an beyden erklaͤre, die zum Vortheil des ſchoͤnen Geſchlechts mehrere Ausnahmen zuwege bringen wuͤrden, wenn ſie gemeiner waͤren. Beyde hat- ten eine große und ſo gar freygebige Erziehung. Beyde hatten Gemuͤther, die mit brennender Be- gierde nach tugendhafter Erkenntniß ſtrebeten. Beyde laſen viel: Beyde ſchrieben viel ‒ ‒ Und fruͤhzeitiges Schreiben zwiſchen vertrauten Perſonen halte ich fuͤr eines der beſten Mittel, die eine Mannsperſon oder ein Frauenzimmer ge- brauchen kann, den Verſtand zu oͤffnen und zu beſſern ‒ ‒ Beyde waren edelmuͤthig und freyge- big, reich an Guͤtern, und daher nicht genoͤthigt, von einander abzuhangen, welches oft die Ver- traulichkeit, das Band der Freundſchaft, aufhe- bet. Beyde hatten ihre vortrefflichen Vorzuͤge auf verſchiedne Arten, in welchen keine von beyden die andere zu beneiden ſuchte. Beyde
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ren. Eine Eheverbindung, welche der hoͤchſte
Freundſchaftsſtand iſt, hebet gemeiniglich die ei-
frigſten Freundſchaften der Frauenzimmer mit
Frauenzimmern auf: es mag die Heyrath gluͤck-
lich ſeyn, oder nicht.
Welches Frauenzimmer hat ein Gemuͤth, das
geſchickt ſey, zwo feurige Freundſchaften zu einer
und eben derſelben Zeit zu unterhalten?
Dieß beruͤhre ich, als eine allgemeine An-
merkung. Allein die Freundſchaft, welche zwi-
ſchen dieſen beyden Fraͤulein beſtanden, giebt eine
merkwuͤrdige Ausnahme dabey an die Hand, wel-
che ich aus denen Eigenſchaften und Gaben an
beyden erklaͤre, die zum Vortheil des ſchoͤnen
Geſchlechts mehrere Ausnahmen zuwege bringen
wuͤrden, wenn ſie gemeiner waͤren. Beyde hat-
ten eine große und ſo gar freygebige Erziehung.
Beyde hatten Gemuͤther, die mit brennender Be-
gierde nach tugendhafter Erkenntniß ſtrebeten.
Beyde laſen viel: Beyde ſchrieben viel ‒ ‒ Und
fruͤhzeitiges Schreiben zwiſchen vertrauten
Perſonen halte ich fuͤr eines der beſten Mittel,
die eine Mannsperſon oder ein Frauenzimmer ge-
brauchen kann, den Verſtand zu oͤffnen und zu
beſſern ‒ ‒ Beyde waren edelmuͤthig und freyge-
big, reich an Guͤtern, und daher nicht genoͤthigt,
von einander abzuhangen, welches oft die Ver-
traulichkeit, das Band der Freundſchaft, aufhe-
bet. Beyde hatten ihre vortrefflichen Vorzuͤge
auf verſchiedne Arten, in welchen keine von
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 751. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/757>, abgerufen am 23.11.2024.
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