für mich natürlich war, ihre gänzliche Verwer- sung seiner angebotenen Hand vielmehr einem vorübergehenden Unwillen, einem Bewußtseyn menschlicher Schwachheit und damit vermisch- ten Zweifeln an der Aufrichtigkeit seiner Erbie- tungen, zuzuschreiben, als solchen Schandtha- ten, die ihr den unwiederruflichen Stoß gege- ben und alsobald an die Pforten des Todes, welche in sehr wenigen Tagen sie einschlossen, heruntergebracht hätten.
Jch erwäge, daß er ein trotziger Mensch ist: ein Mensch, der sich einbildet, ein jeder müsse sich durch sein übermüthig vermessenes Bezeigen und seine angemaßte Vorzüge in der Herzhaf- tigkeit und Geschicklichkeit Furcht einjagen lassen.
Jch erwäge, daß, da er ein Schandfleck für seinen Namen und für den guten Ruf eines Caval- liers ist, es demjenigen nicht an seinem Ver- dienst mangeln würde, der ihn, um den ent- ehrten Stand zu rächen, aus der würdigen Li- ste ausstreichen und auslöschen sollte.
Jch erwäge, daß die beleidigte Familie einen Sohn hat, der, so unwürdig er auch einer solchen Schwester seyn mag, dennoch von einer hefti- gen Gemüthsart, unbändig, wild, und daher, wie man schon einmal in der That befunden hat, einem Streit mit diesem Menschen nicht gewachsen ist. Der Verlust von diesem Soh- ne, durch einen gewaltsamen Tod, bey einer sol- chen Gelegenheit, durch eine mit Recht so ver-
haßte
fuͤr mich natuͤrlich war, ihre gaͤnzliche Verwer- ſung ſeiner angebotenen Hand vielmehr einem voruͤbergehenden Unwillen, einem Bewußtſeyn menſchlicher Schwachheit und damit vermiſch- ten Zweifeln an der Aufrichtigkeit ſeiner Erbie- tungen, zuzuſchreiben, als ſolchen Schandtha- ten, die ihr den unwiederruflichen Stoß gege- ben und alſobald an die Pforten des Todes, welche in ſehr wenigen Tagen ſie einſchloſſen, heruntergebracht haͤtten.
Jch erwaͤge, daß er ein trotziger Menſch iſt: ein Menſch, der ſich einbildet, ein jeder muͤſſe ſich durch ſein uͤbermuͤthig vermeſſenes Bezeigen und ſeine angemaßte Vorzuͤge in der Herzhaf- tigkeit und Geſchicklichkeit Furcht einjagen laſſen.
Jch erwaͤge, daß, da er ein Schandfleck fuͤr ſeinen Namen und fuͤr den guten Ruf eines Caval- liers iſt, es demjenigen nicht an ſeinem Ver- dienſt mangeln wuͤrde, der ihn, um den ent- ehrten Stand zu raͤchen, aus der wuͤrdigen Li- ſte ausſtreichen und ausloͤſchen ſollte.
Jch erwaͤge, daß die beleidigte Familie einen Sohn hat, der, ſo unwuͤrdig er auch einer ſolchen Schweſter ſeyn mag, dennoch von einer hefti- gen Gemuͤthsart, unbaͤndig, wild, und daher, wie man ſchon einmal in der That befunden hat, einem Streit mit dieſem Menſchen nicht gewachſen iſt. Der Verluſt von dieſem Soh- ne, durch einen gewaltſamen Tod, bey einer ſol- chen Gelegenheit, durch eine mit Recht ſo ver-
haßte
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fuͤr mich natuͤrlich war, ihre gaͤnzliche Verwer-
ſung ſeiner angebotenen Hand vielmehr einem
voruͤbergehenden Unwillen, einem Bewußtſeyn
menſchlicher Schwachheit und damit vermiſch-
ten Zweifeln an der Aufrichtigkeit ſeiner Erbie-
tungen, zuzuſchreiben, als ſolchen Schandtha-
ten, die ihr den unwiederruflichen Stoß gege-
ben und alſobald an die Pforten des Todes,
welche in ſehr wenigen Tagen ſie einſchloſſen,
heruntergebracht haͤtten.
Jch erwaͤge, daß er ein trotziger Menſch iſt: ein
Menſch, der ſich einbildet, ein jeder muͤſſe ſich
durch ſein uͤbermuͤthig vermeſſenes Bezeigen
und ſeine angemaßte Vorzuͤge in der Herzhaf-
tigkeit und Geſchicklichkeit Furcht einjagen
laſſen.
Jch erwaͤge, daß, da er ein Schandfleck fuͤr ſeinen
Namen und fuͤr den guten Ruf eines Caval-
liers iſt, es demjenigen nicht an ſeinem Ver-
dienſt mangeln wuͤrde, der ihn, um den ent-
ehrten Stand zu raͤchen, aus der wuͤrdigen Li-
ſte ausſtreichen und ausloͤſchen ſollte.
Jch erwaͤge, daß die beleidigte Familie einen Sohn
hat, der, ſo unwuͤrdig er auch einer ſolchen
Schweſter ſeyn mag, dennoch von einer hefti-
gen Gemuͤthsart, unbaͤndig, wild, und daher,
wie man ſchon einmal in der That befunden
hat, einem Streit mit dieſem Menſchen nicht
gewachſen iſt. Der Verluſt von dieſem Soh-
ne, durch einen gewaltſamen Tod, bey einer ſol-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 742. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/748>, abgerufen am 24.11.2024.
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