Wo, werthester Herr Vetter, wird in solchem Falle das Uebel ein Ende finden? Wer wird sich an Jhnen rächen? - - Und wer an Jhrem Rächer?
Lassen Sie also, werthester Herr, das Ge- wissen des elenden Menschen selbst mich rächen. Er wird durch dasselbe dereinst mehr Strafe aus- zustehen haben, als genug ist. Gönnen Sie ihm Raum zur Buße. Will ihm der Allmächtige Zeit dazu geben: warum sollten Sie es ihm ver- sagen? - - Lassen Sie ihn allezeit den strafwür- digen und angreifenden Theil bleiben: und lassen Sie niemand sagen, daß Clarissa Harlowe nun in seinem Falle vollkommen gerächet worden; oder, wenn Sie etwa in dem Kampfe bleiben soll- ten; welches der Himmel verhüten wolle! daß ihr Vergehen, statt in ihrem Grabe verscharret zu seyn, durch einen weit größern Verlust, als der Verlust in ihr gewesen, verewigt und vergrö- ßert sey.
Der Schuldigere, mein Herr, hat oft über den Unschuldigern den Sieg davon getragen. Ein Grafe von Shrewsbury, unter der Regie- rung Carls des II. suchte die größte Beleidigung, die einer Mannsperson von der andern widerfah- ren kann, zu rächen, und fand seinen Tod bey Barn Elms, eben durch die Hand des unedelmü- thigen Herzogs, der ihn auf das schändlichste be- schimpft hatte. Man kann es auch für keine un- gleiche Haushaltung der Vorsehung halten: wenn
es
Wo, wertheſter Herr Vetter, wird in ſolchem Falle das Uebel ein Ende finden? Wer wird ſich an Jhnen raͤchen? ‒ ‒ Und wer an Jhrem Raͤcher?
Laſſen Sie alſo, wertheſter Herr, das Ge- wiſſen des elenden Menſchen ſelbſt mich raͤchen. Er wird durch daſſelbe dereinſt mehr Strafe aus- zuſtehen haben, als genug iſt. Goͤnnen Sie ihm Raum zur Buße. Will ihm der Allmaͤchtige Zeit dazu geben: warum ſollten Sie es ihm ver- ſagen? ‒ ‒ Laſſen Sie ihn allezeit den ſtrafwuͤr- digen und angreifenden Theil bleiben: und laſſen Sie niemand ſagen, daß Clariſſa Harlowe nun in ſeinem Falle vollkommen geraͤchet worden; oder, wenn Sie etwa in dem Kampfe bleiben ſoll- ten; welches der Himmel verhuͤten wolle! daß ihr Vergehen, ſtatt in ihrem Grabe verſcharret zu ſeyn, durch einen weit groͤßern Verluſt, als der Verluſt in ihr geweſen, verewigt und vergroͤ- ßert ſey.
Der Schuldigere, mein Herr, hat oft uͤber den Unſchuldigern den Sieg davon getragen. Ein Grafe von Shrewsbury, unter der Regie- rung Carls des II. ſuchte die groͤßte Beleidigung, die einer Mannsperſon von der andern widerfah- ren kann, zu raͤchen, und fand ſeinen Tod bey Barn Elms, eben durch die Hand des unedelmuͤ- thigen Herzogs, der ihn auf das ſchaͤndlichſte be- ſchimpft hatte. Man kann es auch fuͤr keine un- gleiche Haushaltung der Vorſehung halten: wenn
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Wo, wertheſter Herr Vetter, wird in ſolchem
Falle das Uebel ein Ende finden? Wer wird ſich
an Jhnen raͤchen? ‒ ‒ Und wer an Jhrem
Raͤcher?
Laſſen Sie alſo, wertheſter Herr, das Ge-
wiſſen des elenden Menſchen ſelbſt mich raͤchen.
Er wird durch daſſelbe dereinſt mehr Strafe aus-
zuſtehen haben, als genug iſt. Goͤnnen Sie ihm
Raum zur Buße. Will ihm der Allmaͤchtige
Zeit dazu geben: warum ſollten Sie es ihm ver-
ſagen? ‒ ‒ Laſſen Sie ihn allezeit den ſtrafwuͤr-
digen und angreifenden Theil bleiben: und laſſen
Sie niemand ſagen, daß Clariſſa Harlowe nun
in ſeinem Falle vollkommen geraͤchet worden;
oder, wenn Sie etwa in dem Kampfe bleiben ſoll-
ten; welches der Himmel verhuͤten wolle! daß
ihr Vergehen, ſtatt in ihrem Grabe verſcharret
zu ſeyn, durch einen weit groͤßern Verluſt, als der
Verluſt in ihr geweſen, verewigt und vergroͤ-
ßert ſey.
Der Schuldigere, mein Herr, hat oft uͤber
den Unſchuldigern den Sieg davon getragen.
Ein Grafe von Shrewsbury, unter der Regie-
rung Carls des II. ſuchte die groͤßte Beleidigung,
die einer Mannsperſon von der andern widerfah-
ren kann, zu raͤchen, und fand ſeinen Tod bey
Barn Elms, eben durch die Hand des unedelmuͤ-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 735. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/741>, abgerufen am 27.11.2024.
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