mir noch hinzuzufügen, daß der unglückliche Mensch, seit Jhrem Besuch bey ihm in des Lords M. Hause, da Sie mit seiner Gesinnung, seine Vergehungen wieder gut zu machen, so wohl zu- frieden waren, daß Sie selbst Jhre Base instän- dig baten, ihm zu vergeben, keine neue Gelegen- heit auf ihn zu zürnen gegeben habe.
Erlauben Sie mir auch; ob ich gleich hoffe, daß es gar nicht nöthig seyn wird, wenn sie alles kaltsinnig überlegen; Sie an Jhr Versprechen gegen Jhre sterbende Base, worauf sie sich ver- ließ, und in ihren letzten Stunden desto geruhi- ger war, zu erinnern.
Das größte Unrecht, mein werthester Herr Obrist Morden, ist ihr widerfahren. Jhre gan- ze Familie hat an der Ursache dazu Theil. Sie vergiebt es. Warum sollten wir uns nicht be- mühen, dasjenige nachzuahmen, was wir bewun- dern?
Sie fragten mich, mein Herr, da Sie in Lon- don waren, ob ein herzhafter Mensch mit Vorsatz niederträchtig seyn könnte? - - Ueberhaupt zu reden, glaube ich, daß Herzhaftigkeit und Nieder- trächtigkeit nicht beysammen stehen können. Aber in dem Falle, den wir vor uns haben, giebt uns des Herrn Lovelacens Charakter einen Beweis von der Wahrheit der gemeinen Anmerkung, daß keine Regel ohne Ausnahme sey. Denn Eng- land, glaube ich, für so tapfer es auch gehalten wird, hat keinen herzhaftern Geist, als der seinige ist, in seinem Umfange; keinen Menschen, der
besser
mir noch hinzuzufuͤgen, daß der ungluͤckliche Menſch, ſeit Jhrem Beſuch bey ihm in des Lords M. Hauſe, da Sie mit ſeiner Geſinnung, ſeine Vergehungen wieder gut zu machen, ſo wohl zu- frieden waren, daß Sie ſelbſt Jhre Baſe inſtaͤn- dig baten, ihm zu vergeben, keine neue Gelegen- heit auf ihn zu zuͤrnen gegeben habe.
Erlauben Sie mir auch; ob ich gleich hoffe, daß es gar nicht noͤthig ſeyn wird, wenn ſie alles kaltſinnig uͤberlegen; Sie an Jhr Verſprechen gegen Jhre ſterbende Baſe, worauf ſie ſich ver- ließ, und in ihren letzten Stunden deſto geruhi- ger war, zu erinnern.
Das groͤßte Unrecht, mein wertheſter Herr Obriſt Morden, iſt ihr widerfahren. Jhre gan- ze Familie hat an der Urſache dazu Theil. Sie vergiebt es. Warum ſollten wir uns nicht be- muͤhen, dasjenige nachzuahmen, was wir bewun- dern?
Sie fragten mich, mein Herr, da Sie in Lon- don waren, ob ein herzhafter Menſch mit Vorſatz niedertraͤchtig ſeyn koͤnnte? ‒ ‒ Ueberhaupt zu reden, glaube ich, daß Herzhaftigkeit und Nieder- traͤchtigkeit nicht beyſammen ſtehen koͤnnen. Aber in dem Falle, den wir vor uns haben, giebt uns des Herrn Lovelacens Charakter einen Beweis von der Wahrheit der gemeinen Anmerkung, daß keine Regel ohne Ausnahme ſey. Denn Eng- land, glaube ich, fuͤr ſo tapfer es auch gehalten wird, hat keinen herzhaftern Geiſt, als der ſeinige iſt, in ſeinem Umfange; keinen Menſchen, der
beſſer
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mir noch hinzuzufuͤgen, daß der ungluͤckliche
Menſch, ſeit Jhrem Beſuch bey ihm in des Lords
M. Hauſe, da Sie mit ſeiner Geſinnung, ſeine
Vergehungen wieder gut zu machen, ſo wohl zu-
frieden waren, daß Sie ſelbſt Jhre Baſe inſtaͤn-
dig baten, ihm zu vergeben, keine neue Gelegen-
heit auf ihn zu zuͤrnen gegeben habe.
Erlauben Sie mir auch; ob ich gleich hoffe,
daß es gar nicht noͤthig ſeyn wird, wenn ſie alles
kaltſinnig uͤberlegen; Sie an Jhr Verſprechen
gegen Jhre ſterbende Baſe, worauf ſie ſich ver-
ließ, und in ihren letzten Stunden deſto geruhi-
ger war, zu erinnern.
Das groͤßte Unrecht, mein wertheſter Herr
Obriſt Morden, iſt ihr widerfahren. Jhre gan-
ze Familie hat an der Urſache dazu Theil. Sie
vergiebt es. Warum ſollten wir uns nicht be-
muͤhen, dasjenige nachzuahmen, was wir bewun-
dern?
Sie fragten mich, mein Herr, da Sie in Lon-
don waren, ob ein herzhafter Menſch mit Vorſatz
niedertraͤchtig ſeyn koͤnnte? ‒ ‒ Ueberhaupt zu
reden, glaube ich, daß Herzhaftigkeit und Nieder-
traͤchtigkeit nicht beyſammen ſtehen koͤnnen. Aber
in dem Falle, den wir vor uns haben, giebt uns
des Herrn Lovelacens Charakter einen Beweis
von der Wahrheit der gemeinen Anmerkung, daß
keine Regel ohne Ausnahme ſey. Denn Eng-
land, glaube ich, fuͤr ſo tapfer es auch gehalten
wird, hat keinen herzhaftern Geiſt, als der ſeinige
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 730. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/736>, abgerufen am 27.11.2024.
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