ben, als mein armer Freund. Wir sind geschickt, uns zu viele Hoffnung zu machen, und bedenken nicht, daß der Saame des Todes in uns geleget wird, wenn wir anfangen zu leben, und aufschie- ßet, bis er, wie ein um sich greifendes Unkraut, die zarte Blüthe des Lebens ersticket, welche in uns abnimmt, wie dieses Unkraut aufblühet. Wir sollten daher billig beyzeiten anfangen zu erforschen, was unsere Naturen vertragen wollen, damit wir das Unkraut, welches der Boden am meisten geschickt ist, hervorzubringen, durch Mä- ßigkeit ausrotten, oder wenigstens so, wie es auf- schießet, unterdrücken möchten, und sollten nicht erwarten, wenn die Blume oder Pflanze von der Wurzel aus welk geworden ist, und das Unkraut in vollem Wachsthum stehet, daß die Arzneykunst jene wieder herstellen, oder dieses gänzlich vertrei- ben werde, da eben dieses, wie ich gesagt habe, von unserer Geburt an eingewurzelt ist.
Diese Sprache, Robert, wirst du eine Red- nerschminke, oder einen weissen Bären nen- nen. - - Aber der Vergleich ist richtig: und du hast mich noch nicht ganz von der Liebe zu ver- blümten Redensarten geheilet.
Mehr als zu wahr, antwortete der Arzt. Sie haben ein gutes Gleichniß angegeben, die Sache zu erläutern. Es ist mir leid, daß ich für den Herrn nichts ausrichten kann, und ihm nur Ge- dult und eine bessere Fassung des Gemüths em- pfehlen muß.
Gut,
ben, als mein armer Freund. Wir ſind geſchickt, uns zu viele Hoffnung zu machen, und bedenken nicht, daß der Saame des Todes in uns geleget wird, wenn wir anfangen zu leben, und aufſchie- ßet, bis er, wie ein um ſich greifendes Unkraut, die zarte Bluͤthe des Lebens erſticket, welche in uns abnimmt, wie dieſes Unkraut aufbluͤhet. Wir ſollten daher billig beyzeiten anfangen zu erforſchen, was unſere Naturen vertragen wollen, damit wir das Unkraut, welches der Boden am meiſten geſchickt iſt, hervorzubringen, durch Maͤ- ßigkeit ausrotten, oder wenigſtens ſo, wie es auf- ſchießet, unterdruͤcken moͤchten, und ſollten nicht erwarten, wenn die Blume oder Pflanze von der Wurzel aus welk geworden iſt, und das Unkraut in vollem Wachsthum ſtehet, daß die Arzneykunſt jene wieder herſtellen, oder dieſes gaͤnzlich vertrei- ben werde, da eben dieſes, wie ich geſagt habe, von unſerer Geburt an eingewurzelt iſt.
Dieſe Sprache, Robert, wirſt du eine Red- nerſchminke, oder einen weiſſen Baͤren nen- nen. ‒ ‒ Aber der Vergleich iſt richtig: und du haſt mich noch nicht ganz von der Liebe zu ver- bluͤmten Redensarten geheilet.
Mehr als zu wahr, antwortete der Arzt. Sie haben ein gutes Gleichniß angegeben, die Sache zu erlaͤutern. Es iſt mir leid, daß ich fuͤr den Herrn nichts ausrichten kann, und ihm nur Ge- dult und eine beſſere Faſſung des Gemuͤths em- pfehlen muß.
Gut,
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[59/0065]
ben, als mein armer Freund. Wir ſind geſchickt,
uns zu viele Hoffnung zu machen, und bedenken
nicht, daß der Saame des Todes in uns geleget
wird, wenn wir anfangen zu leben, und aufſchie-
ßet, bis er, wie ein um ſich greifendes Unkraut,
die zarte Bluͤthe des Lebens erſticket, welche in
uns abnimmt, wie dieſes Unkraut aufbluͤhet.
Wir ſollten daher billig beyzeiten anfangen zu
erforſchen, was unſere Naturen vertragen wollen,
damit wir das Unkraut, welches der Boden am
meiſten geſchickt iſt, hervorzubringen, durch Maͤ-
ßigkeit ausrotten, oder wenigſtens ſo, wie es auf-
ſchießet, unterdruͤcken moͤchten, und ſollten nicht
erwarten, wenn die Blume oder Pflanze von der
Wurzel aus welk geworden iſt, und das Unkraut
in vollem Wachsthum ſtehet, daß die Arzneykunſt
jene wieder herſtellen, oder dieſes gaͤnzlich vertrei-
ben werde, da eben dieſes, wie ich geſagt habe,
von unſerer Geburt an eingewurzelt iſt.
Dieſe Sprache, Robert, wirſt du eine Red-
nerſchminke, oder einen weiſſen Baͤren nen-
nen. ‒ ‒ Aber der Vergleich iſt richtig: und du
haſt mich noch nicht ganz von der Liebe zu ver-
bluͤmten Redensarten geheilet.
Mehr als zu wahr, antwortete der Arzt. Sie
haben ein gutes Gleichniß angegeben, die Sache
zu erlaͤutern. Es iſt mir leid, daß ich fuͤr den
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/65>, abgerufen am 27.11.2024.
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