Allein es war noch mehr Großmuth an ihr, daß sie dieselben gegen mich zu entschuldigen suchte, wie sie wirklich that, als wir wenige Stunden vor ihrem Ende alleine bey einander waren, und daß sie den einzigen Fehler, dessen sie sich jemals schul- dig gemacht, mehr als sie billig hätte thun sollen, so viel ich finden kann, zu vergrößern bemühet war. Gleichwohl that sie das vielleicht deswegen um so viel freyer; o erhabene Seele! damit ich mir von ihren Freunden bessere Gedanken machen möchte, wenn es auch gleich auf ihre Unkosten geschehen sollte. Jch bin, werther Herr,
Jhr getreuer und gehorsamer Diener Wilh. Morden.
Der achtzigste Brief von dem Obrist Morden, zur Fortsetzung.
Nachdem die unglücklichen Leidtragenden sich alle wegbegeben hatten: so befahl ich den Deckel des Sarges aufzuschrauben, und machte, daß einige frische Kräuter und Blumen hineinge- legt wurden.
Die Leiche hatte sich, ungeachtet der Reise, sehr wenig verändert. Das angenehme Lächeln blieb noch.
Die Mägdchen, welche die Blumen brach- ten, suchten eine Ehre darinn, sie darum zu streuen.
Sie
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Allein es war noch mehr Großmuth an ihr, daß ſie dieſelben gegen mich zu entſchuldigen ſuchte, wie ſie wirklich that, als wir wenige Stunden vor ihrem Ende alleine bey einander waren, und daß ſie den einzigen Fehler, deſſen ſie ſich jemals ſchul- dig gemacht, mehr als ſie billig haͤtte thun ſollen, ſo viel ich finden kann, zu vergroͤßern bemuͤhet war. Gleichwohl that ſie das vielleicht deswegen um ſo viel freyer; o erhabene Seele! damit ich mir von ihren Freunden beſſere Gedanken machen moͤchte, wenn es auch gleich auf ihre Unkoſten geſchehen ſollte. Jch bin, werther Herr,
Jhr getreuer und gehorſamer Diener Wilh. Morden.
Der achtzigſte Brief von dem Obriſt Morden, zur Fortſetzung.
Nachdem die ungluͤcklichen Leidtragenden ſich alle wegbegeben hatten: ſo befahl ich den Deckel des Sarges aufzuſchrauben, und machte, daß einige friſche Kraͤuter und Blumen hineinge- legt wurden.
Die Leiche hatte ſich, ungeachtet der Reiſe, ſehr wenig veraͤndert. Das angenehme Laͤcheln blieb noch.
Die Maͤgdchen, welche die Blumen brach- ten, ſuchten eine Ehre darinn, ſie darum zu ſtreuen.
Sie
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[581/0587]
Allein es war noch mehr Großmuth an ihr, daß
ſie dieſelben gegen mich zu entſchuldigen ſuchte,
wie ſie wirklich that, als wir wenige Stunden vor
ihrem Ende alleine bey einander waren, und daß
ſie den einzigen Fehler, deſſen ſie ſich jemals ſchul-
dig gemacht, mehr als ſie billig haͤtte thun ſollen,
ſo viel ich finden kann, zu vergroͤßern bemuͤhet war.
Gleichwohl that ſie das vielleicht deswegen um ſo
viel freyer; o erhabene Seele! damit ich mir von
ihren Freunden beſſere Gedanken machen moͤchte,
wenn es auch gleich auf ihre Unkoſten geſchehen
ſollte. Jch bin, werther Herr,
Jhr getreuer und gehorſamer Diener
Wilh. Morden.
Der achtzigſte Brief
von dem
Obriſt Morden, zur Fortſetzung.
Nachdem die ungluͤcklichen Leidtragenden ſich
alle wegbegeben hatten: ſo befahl ich den
Deckel des Sarges aufzuſchrauben, und machte,
daß einige friſche Kraͤuter und Blumen hineinge-
legt wurden.
Die Leiche hatte ſich, ungeachtet der Reiſe,
ſehr wenig veraͤndert. Das angenehme Laͤcheln
blieb noch.
Die Maͤgdchen, welche die Blumen brach-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/587>, abgerufen am 26.11.2024.
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