Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



zu thun, wo sich die Gelegenheit anbietet und Un-
verschämtheit nicht fehlet, gar keinen Zweifel hat;
wie ist es möglich, daß ein solcher Mensch aus
guten Grundsätzen einen guten Ehegatten für
irgend ein Frauenzimmer abgeben sollte? Jn
Wahrheit, die unschuldigen Seelen denken gar
nicht, was für eine gänzliche Umkehrung des Be-
tragens, was für ein Wechsel eingewurzelter Ge-
wohnheiten, ja was für eine Ueberwindung einer
bösen Natur dazu gehöre, daß ein Mensch aus
guten Grundsätzen ein guter Ehegatte, ein
würdiger Vater und treuer Freund werde: son-
derlich wenn man bedenket, daß es nicht in ei-
nes Menschen eignem Vermögen stehe, sich zu
bessern, wann er will. Dieß hast du, daß ich von
meiner eignen Erfahrung nichts sage, in dem Fort-
gang deiner Unternehmungen gegen die göttliche
Fräulein Harlowe befunden. Denn wer konnte
wohl empfindlichere oder öftere Gewissensbisse ha-
ben? Und bey wenn konnten sie wohl flüchtiger
vorübergehen?

Werde nicht böse, daß ich so ernsthafte Be-
trachtungen, als dieß sind, unter meine Erzählun-
gen mische. Es stehet mir, nach meiner gegen-
wärtigen Art zu denken, zu, es so zu machen: da
ich an der Fräulein Harlowe sehe, wie alle mensch-
liche Vortrefflichkeit; an dem armen Belton, wie
alle unmenschliche Liederlichkeit; und nun bald an
diesem verruchten Weibe, wie alle teuflische Ruch-
losigkeit sich endige. Jch würde mich freuen, um
eurer selbst, um eurer ansehnlichen Familie, und

um



zu thun, wo ſich die Gelegenheit anbietet und Un-
verſchaͤmtheit nicht fehlet, gar keinen Zweifel hat;
wie iſt es moͤglich, daß ein ſolcher Menſch aus
guten Grundſaͤtzen einen guten Ehegatten fuͤr
irgend ein Frauenzimmer abgeben ſollte? Jn
Wahrheit, die unſchuldigen Seelen denken gar
nicht, was fuͤr eine gaͤnzliche Umkehrung des Be-
tragens, was fuͤr ein Wechſel eingewurzelter Ge-
wohnheiten, ja was fuͤr eine Ueberwindung einer
boͤſen Natur dazu gehoͤre, daß ein Menſch aus
guten Grundſaͤtzen ein guter Ehegatte, ein
wuͤrdiger Vater und treuer Freund werde: ſon-
derlich wenn man bedenket, daß es nicht in ei-
nes Menſchen eignem Vermoͤgen ſtehe, ſich zu
beſſern, wann er will. Dieß haſt du, daß ich von
meiner eignen Erfahrung nichts ſage, in dem Fort-
gang deiner Unternehmungen gegen die goͤttliche
Fraͤulein Harlowe befunden. Denn wer konnte
wohl empfindlichere oder oͤftere Gewiſſensbiſſe ha-
ben? Und bey wenn konnten ſie wohl fluͤchtiger
voruͤbergehen?

Werde nicht boͤſe, daß ich ſo ernſthafte Be-
trachtungen, als dieß ſind, unter meine Erzaͤhlun-
gen miſche. Es ſtehet mir, nach meiner gegen-
waͤrtigen Art zu denken, zu, es ſo zu machen: da
ich an der Fraͤulein Harlowe ſehe, wie alle menſch-
liche Vortrefflichkeit; an dem armen Belton, wie
alle unmenſchliche Liederlichkeit; und nun bald an
dieſem verruchten Weibe, wie alle teufliſche Ruch-
loſigkeit ſich endige. Jch wuͤrde mich freuen, um
eurer ſelbſt, um eurer anſehnlichen Familie, und

um
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0568" n="562"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
zu thun, wo &#x017F;ich die Gelegenheit anbietet und Un-<lb/>
ver&#x017F;cha&#x0364;mtheit nicht fehlet, gar keinen Zweifel hat;<lb/>
wie i&#x017F;t es mo&#x0364;glich, daß ein <hi rendition="#fr">&#x017F;olcher</hi> Men&#x017F;ch aus<lb/><hi rendition="#fr">guten Grund&#x017F;a&#x0364;tzen</hi> einen guten Ehegatten fu&#x0364;r<lb/><hi rendition="#fr">irgend</hi> ein Frauenzimmer abgeben &#x017F;ollte? Jn<lb/>
Wahrheit, die un&#x017F;chuldigen Seelen denken gar<lb/>
nicht, was fu&#x0364;r eine ga&#x0364;nzliche Umkehrung des Be-<lb/>
tragens, was fu&#x0364;r ein Wech&#x017F;el eingewurzelter Ge-<lb/>
wohnheiten, ja was fu&#x0364;r eine Ueberwindung einer<lb/><hi rendition="#fr">bo&#x0364;&#x017F;en Natur</hi> dazu geho&#x0364;re, daß ein Men&#x017F;ch aus<lb/><hi rendition="#fr">guten Grund&#x017F;a&#x0364;tzen</hi> ein guter Ehegatte, ein<lb/>
wu&#x0364;rdiger Vater und treuer Freund werde: &#x017F;on-<lb/>
derlich wenn man bedenket, daß es nicht in ei-<lb/>
nes Men&#x017F;chen eignem Vermo&#x0364;gen &#x017F;tehe, &#x017F;ich zu<lb/>
be&#x017F;&#x017F;ern, wann er will. Dieß ha&#x017F;t du, daß ich von<lb/>
meiner eignen Erfahrung nichts &#x017F;age, in dem Fort-<lb/>
gang deiner Unternehmungen gegen die go&#x0364;ttliche<lb/>
Fra&#x0364;ulein Harlowe befunden. Denn wer konnte<lb/>
wohl empfindlichere oder o&#x0364;ftere Gewi&#x017F;&#x017F;ensbi&#x017F;&#x017F;e ha-<lb/>
ben? Und bey wenn konnten &#x017F;ie wohl flu&#x0364;chtiger<lb/>
voru&#x0364;bergehen?</p><lb/>
          <p>Werde nicht bo&#x0364;&#x017F;e, daß ich &#x017F;o ern&#x017F;thafte Be-<lb/>
trachtungen, als dieß &#x017F;ind, unter meine Erza&#x0364;hlun-<lb/>
gen mi&#x017F;che. Es &#x017F;tehet mir, nach meiner gegen-<lb/>
wa&#x0364;rtigen Art zu denken, zu, es &#x017F;o zu machen: da<lb/>
ich an der Fra&#x0364;ulein Harlowe &#x017F;ehe, wie alle men&#x017F;ch-<lb/>
liche Vortrefflichkeit; an dem armen Belton, wie<lb/>
alle unmen&#x017F;chliche Liederlichkeit; und nun bald an<lb/>
die&#x017F;em verruchten Weibe, wie alle teufli&#x017F;che Ruch-<lb/>
lo&#x017F;igkeit &#x017F;ich endige. Jch wu&#x0364;rde mich freuen, um<lb/>
eurer &#x017F;elb&#x017F;t, um eurer an&#x017F;ehnlichen Familie, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">um</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[562/0568] zu thun, wo ſich die Gelegenheit anbietet und Un- verſchaͤmtheit nicht fehlet, gar keinen Zweifel hat; wie iſt es moͤglich, daß ein ſolcher Menſch aus guten Grundſaͤtzen einen guten Ehegatten fuͤr irgend ein Frauenzimmer abgeben ſollte? Jn Wahrheit, die unſchuldigen Seelen denken gar nicht, was fuͤr eine gaͤnzliche Umkehrung des Be- tragens, was fuͤr ein Wechſel eingewurzelter Ge- wohnheiten, ja was fuͤr eine Ueberwindung einer boͤſen Natur dazu gehoͤre, daß ein Menſch aus guten Grundſaͤtzen ein guter Ehegatte, ein wuͤrdiger Vater und treuer Freund werde: ſon- derlich wenn man bedenket, daß es nicht in ei- nes Menſchen eignem Vermoͤgen ſtehe, ſich zu beſſern, wann er will. Dieß haſt du, daß ich von meiner eignen Erfahrung nichts ſage, in dem Fort- gang deiner Unternehmungen gegen die goͤttliche Fraͤulein Harlowe befunden. Denn wer konnte wohl empfindlichere oder oͤftere Gewiſſensbiſſe ha- ben? Und bey wenn konnten ſie wohl fluͤchtiger voruͤbergehen? Werde nicht boͤſe, daß ich ſo ernſthafte Be- trachtungen, als dieß ſind, unter meine Erzaͤhlun- gen miſche. Es ſtehet mir, nach meiner gegen- waͤrtigen Art zu denken, zu, es ſo zu machen: da ich an der Fraͤulein Harlowe ſehe, wie alle menſch- liche Vortrefflichkeit; an dem armen Belton, wie alle unmenſchliche Liederlichkeit; und nun bald an dieſem verruchten Weibe, wie alle teufliſche Ruch- loſigkeit ſich endige. Jch wuͤrde mich freuen, um eurer ſelbſt, um eurer anſehnlichen Familie, und um

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/568
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/568>, abgerufen am 22.11.2024.