vernünftiges Geschöpfe sich so lästerlich bezeigen sehen soll! - - Wird diese Heftigkeit die Sache besser machen? Was meynen sie? Wird sie ihnen zu etwas nützen? Wird sie nicht vielmehr ein Le- ben verkürzen, das sie so gern verlängert haben wol- len? Wird sie ihnen nicht die einzige Gelegenheit, ihre Sachen in Absicht auf beyde Welten zu be- stellen, benehmen? - - Dieß ist nur das gemeine Schicksal: und wo es bald das ihrige seyn wird: - - hiebey sahe ich sie an - - so wird es auch das ihrige und das ihrige; und das ihrige - - das sagte ich mit erhabner Stimme, und wandte mich gegen eine jede von den zitternden Teufeln um sie herum: denn sie bebten alle bey meiner nach- drücklichen Anordnung - - und das meinige gleichfalls seyn. Sie haben noch Ursache dank- bar zu seyn, daß sie nicht in der Unmäßigkeit selbst, die ihnen dieß zugezogen hat, umgekommen sind. Denn es hätte eben so gut ihren Hals, als ihren Fuß treffen können: und so hätten sie die Gele- genheit zur Buße, welche sie itzo haben, nicht ge- habt. - - Und, Gott sey ihnen gnädig! in wel- chem Zustande hätten sie alsdenn erwachen mögen?
Hiemit fing das elende Weib ein unvernehmli- ches schreckliches Geheul an: ein Geheul, dergleichen ich vorher niemals gehöret hatte, als wenn die Höl- lenschmerzen sie schon ergriffen hätten. Und da sie alle und jede erschrocken, und mich in der Bewegung sahe, wegzugehen: so schrie sie, mit Worten die durch Gluchsen unterbrochen wurden: O! erbarmen sie
sich
vernuͤnftiges Geſchoͤpfe ſich ſo laͤſterlich bezeigen ſehen ſoll! ‒ ‒ Wird dieſe Heftigkeit die Sache beſſer machen? Was meynen ſie? Wird ſie ihnen zu etwas nuͤtzen? Wird ſie nicht vielmehr ein Le- ben verkuͤrzen, das ſie ſo gern verlaͤngert haben wol- len? Wird ſie ihnen nicht die einzige Gelegenheit, ihre Sachen in Abſicht auf beyde Welten zu be- ſtellen, benehmen? ‒ ‒ Dieß iſt nur das gemeine Schickſal: und wo es bald das ihrige ſeyn wird: ‒ ‒ hiebey ſahe ich ſie an ‒ ‒ ſo wird es auch das ihrige und das ihrige; und das ihrige ‒ ‒ das ſagte ich mit erhabner Stimme, und wandte mich gegen eine jede von den zitternden Teufeln um ſie herum: denn ſie bebten alle bey meiner nach- druͤcklichen Anordnung ‒ ‒ und das meinige gleichfalls ſeyn. Sie haben noch Urſache dank- bar zu ſeyn, daß ſie nicht in der Unmaͤßigkeit ſelbſt, die ihnen dieß zugezogen hat, umgekommen ſind. Denn es haͤtte eben ſo gut ihren Hals, als ihren Fuß treffen koͤnnen: und ſo haͤtten ſie die Gele- genheit zur Buße, welche ſie itzo haben, nicht ge- habt. ‒ ‒ Und, Gott ſey ihnen gnaͤdig! in wel- chem Zuſtande haͤtten ſie alsdenn erwachen moͤgen?
Hiemit fing das elende Weib ein unvernehmli- ches ſchreckliches Geheul an: ein Geheul, dergleichen ich vorher niemals gehoͤret hatte, als wenn die Hoͤl- lenſchmerzen ſie ſchon ergriffen haͤtten. Und da ſie alle und jede erſchrocken, und mich in der Bewegung ſahe, wegzugehen: ſo ſchrie ſie, mit Worten die durch Gluchſen unterbrochen wurden: O! erbarmen ſie
ſich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0564"n="558"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
vernuͤnftiges Geſchoͤpfe ſich ſo laͤſterlich bezeigen<lb/>ſehen ſoll! ‒‒ Wird dieſe Heftigkeit die Sache<lb/>
beſſer machen? Was meynen ſie? Wird ſie ihnen<lb/>
zu etwas nuͤtzen? Wird ſie nicht vielmehr ein Le-<lb/>
ben verkuͤrzen, das ſie ſo gern verlaͤngert haben wol-<lb/>
len? Wird ſie ihnen nicht die einzige Gelegenheit,<lb/>
ihre Sachen in Abſicht auf beyde Welten zu be-<lb/>ſtellen, benehmen? ‒‒ Dieß iſt nur das gemeine<lb/>
Schickſal: und wo es bald das <hirendition="#fr">ihrige</hi>ſeyn wird:<lb/>‒‒ hiebey ſahe ich ſie an ‒‒ſo wird es auch das<lb/><hirendition="#fr">ihrige</hi> und das <hirendition="#fr">ihrige;</hi> und das <hirendition="#fr">ihrige</hi>‒‒<lb/>
das ſagte ich mit erhabner Stimme, und wandte<lb/>
mich gegen eine jede von den zitternden Teufeln um<lb/>ſie herum: denn ſie bebten alle bey meiner nach-<lb/>
druͤcklichen Anordnung ‒‒ und das <hirendition="#fr">meinige</hi><lb/>
gleichfalls ſeyn. Sie haben noch Urſache dank-<lb/>
bar zu ſeyn, daß ſie nicht in der Unmaͤßigkeit ſelbſt,<lb/>
die ihnen dieß zugezogen hat, umgekommen ſind.<lb/>
Denn es haͤtte eben ſo gut ihren Hals, als ihren<lb/>
Fuß treffen koͤnnen: und ſo haͤtten ſie die Gele-<lb/>
genheit zur Buße, welche ſie itzo haben, nicht ge-<lb/>
habt. ‒‒ Und, Gott ſey ihnen gnaͤdig! in wel-<lb/>
chem Zuſtande haͤtten ſie alsdenn erwachen<lb/>
moͤgen?</p><lb/><p>Hiemit fing das elende Weib ein unvernehmli-<lb/>
ches ſchreckliches Geheul an: ein Geheul, dergleichen<lb/>
ich vorher niemals gehoͤret hatte, als wenn die Hoͤl-<lb/>
lenſchmerzen ſie ſchon ergriffen haͤtten. Und da ſie<lb/>
alle und jede erſchrocken, und mich in der Bewegung<lb/>ſahe, wegzugehen: ſo ſchrie ſie, mit Worten die durch<lb/>
Gluchſen unterbrochen wurden: O! erbarmen ſie<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſich</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[558/0564]
vernuͤnftiges Geſchoͤpfe ſich ſo laͤſterlich bezeigen
ſehen ſoll! ‒ ‒ Wird dieſe Heftigkeit die Sache
beſſer machen? Was meynen ſie? Wird ſie ihnen
zu etwas nuͤtzen? Wird ſie nicht vielmehr ein Le-
ben verkuͤrzen, das ſie ſo gern verlaͤngert haben wol-
len? Wird ſie ihnen nicht die einzige Gelegenheit,
ihre Sachen in Abſicht auf beyde Welten zu be-
ſtellen, benehmen? ‒ ‒ Dieß iſt nur das gemeine
Schickſal: und wo es bald das ihrige ſeyn wird:
‒ ‒ hiebey ſahe ich ſie an ‒ ‒ ſo wird es auch das
ihrige und das ihrige; und das ihrige ‒ ‒
das ſagte ich mit erhabner Stimme, und wandte
mich gegen eine jede von den zitternden Teufeln um
ſie herum: denn ſie bebten alle bey meiner nach-
druͤcklichen Anordnung ‒ ‒ und das meinige
gleichfalls ſeyn. Sie haben noch Urſache dank-
bar zu ſeyn, daß ſie nicht in der Unmaͤßigkeit ſelbſt,
die ihnen dieß zugezogen hat, umgekommen ſind.
Denn es haͤtte eben ſo gut ihren Hals, als ihren
Fuß treffen koͤnnen: und ſo haͤtten ſie die Gele-
genheit zur Buße, welche ſie itzo haben, nicht ge-
habt. ‒ ‒ Und, Gott ſey ihnen gnaͤdig! in wel-
chem Zuſtande haͤtten ſie alsdenn erwachen
moͤgen?
Hiemit fing das elende Weib ein unvernehmli-
ches ſchreckliches Geheul an: ein Geheul, dergleichen
ich vorher niemals gehoͤret hatte, als wenn die Hoͤl-
lenſchmerzen ſie ſchon ergriffen haͤtten. Und da ſie
alle und jede erſchrocken, und mich in der Bewegung
ſahe, wegzugehen: ſo ſchrie ſie, mit Worten die durch
Gluchſen unterbrochen wurden: O! erbarmen ſie
ſich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/564>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.