richtet worden! - - Denn ob es gleich des gottlosen Menschen Schuld gewesen ist, daß sie jemals in mein Haus gekommen: so war es doch meine und eure und eure und eure Schuld, solche Teufel, als wir alle waren; dabey wandte sie sich gegen Sa- rah, Maria und eine oder zwo mehr; daß er ihr nicht Gerechtigkeit widerfahren ließ! Und das, das ist mein Fluch, und wird auch dereinst euer Fluch seyn. Hiemit heulte sie wieder.
Jch riethe ihr noch immer Gedult an. Jch sagte, daß, wenn ihre Zeit so kurz wäre, als sie be- sorgte, sie desto mehr Ursache hätte, sich zu fassen: und denn würde sie wenigstens mit mehrerer Be- ruhigung für sich selbst sterben - - und mit meh- rerem Troste für ihre Freunde, wollte ich sagen - - Allein das Wort sterben brachte sie zu einem hestigen Toben: und so fuhr sie mich an.
Sterben, sagten sie, mein Herr? - - Ster- ben! - - Jch will nicht, ich kann nicht ster- ben! - - Jch weiß nicht, wie ich sterben soll! - - Sterben, mein Herr! - - Und muß ich dann sterben! - - diese Welt verlassen! - - Es ist mir unerträglich! - - Und wer hat sie hier- her gebracht, mein Herr; dabey schossen ihre Augen Feuer auf mich; Wer hat sie hierher ge- bracht, mein Herr, mir zu sagen daß ich sterben muß? - - Jch kann nicht, ich will diese Welt nicht verlassen. Es mögen andere sterben, die sich eine andere Welt wünschen! die eine bessere er- warten! - - Jch habe meine Plagen in dieser Welt gehabt: allein ich wollte mich dennoch ver-
glei-
richtet worden! ‒ ‒ Denn ob es gleich des gottloſen Menſchen Schuld geweſen iſt, daß ſie jemals in mein Haus gekommen: ſo war es doch meine und eure und eure und eure Schuld, ſolche Teufel, als wir alle waren; dabey wandte ſie ſich gegen Sa- rah, Maria und eine oder zwo mehr; daß er ihr nicht Gerechtigkeit widerfahren ließ! Und das, das iſt mein Fluch, und wird auch dereinſt euer Fluch ſeyn. Hiemit heulte ſie wieder.
Jch riethe ihr noch immer Gedult an. Jch ſagte, daß, wenn ihre Zeit ſo kurz waͤre, als ſie be- ſorgte, ſie deſto mehr Urſache haͤtte, ſich zu faſſen: und denn wuͤrde ſie wenigſtens mit mehrerer Be- ruhigung fuͤr ſich ſelbſt ſterben ‒ ‒ und mit meh- rerem Troſte fuͤr ihre Freunde, wollte ich ſagen ‒ ‒ Allein das Wort ſterben brachte ſie zu einem heſtigen Toben: und ſo fuhr ſie mich an.
Sterben, ſagten ſie, mein Herr? ‒ ‒ Ster- ben! ‒ ‒ Jch will nicht, ich kann nicht ſter- ben! ‒ ‒ Jch weiß nicht, wie ich ſterben ſoll! ‒ ‒ Sterben, mein Herr! ‒ ‒ Und muß ich dann ſterben! ‒ ‒ dieſe Welt verlaſſen! ‒ ‒ Es iſt mir unertraͤglich! ‒ ‒ Und wer hat ſie hier- her gebracht, mein Herr; dabey ſchoſſen ihre Augen Feuer auf mich; Wer hat ſie hierher ge- bracht, mein Herr, mir zu ſagen daß ich ſterben muß? ‒ ‒ Jch kann nicht, ich will dieſe Welt nicht verlaſſen. Es moͤgen andere ſterben, die ſich eine andere Welt wuͤnſchen! die eine beſſere er- warten! ‒ ‒ Jch habe meine Plagen in dieſer Welt gehabt: allein ich wollte mich dennoch ver-
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richtet worden! ‒ ‒ Denn ob es gleich des gottloſen
Menſchen Schuld geweſen iſt, daß ſie jemals in
mein Haus gekommen: ſo war es doch meine und
eure und eure und eure Schuld, ſolche Teufel, als
wir alle waren; dabey wandte ſie ſich gegen Sa-
rah, Maria und eine oder zwo mehr; daß er ihr
nicht Gerechtigkeit widerfahren ließ! Und das,
das iſt mein Fluch, und wird auch dereinſt euer
Fluch ſeyn. Hiemit heulte ſie wieder.
Jch riethe ihr noch immer Gedult an. Jch
ſagte, daß, wenn ihre Zeit ſo kurz waͤre, als ſie be-
ſorgte, ſie deſto mehr Urſache haͤtte, ſich zu faſſen:
und denn wuͤrde ſie wenigſtens mit mehrerer Be-
ruhigung fuͤr ſich ſelbſt ſterben ‒ ‒ und mit meh-
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‒ ‒ Allein das Wort ſterben brachte ſie zu einem
heſtigen Toben: und ſo fuhr ſie mich an.
Sterben, ſagten ſie, mein Herr? ‒ ‒ Ster-
ben! ‒ ‒ Jch will nicht, ich kann nicht ſter-
ben! ‒ ‒ Jch weiß nicht, wie ich ſterben ſoll!
‒ ‒ Sterben, mein Herr! ‒ ‒ Und muß ich
dann ſterben! ‒ ‒ dieſe Welt verlaſſen! ‒ ‒ Es
iſt mir unertraͤglich! ‒ ‒ Und wer hat ſie hier-
her gebracht, mein Herr; dabey ſchoſſen ihre
Augen Feuer auf mich; Wer hat ſie hierher ge-
bracht, mein Herr, mir zu ſagen daß ich ſterben
muß? ‒ ‒ Jch kann nicht, ich will dieſe Welt
nicht verlaſſen. Es moͤgen andere ſterben, die ſich
eine andere Welt wuͤnſchen! die eine beſſere er-
warten! ‒ ‒ Jch habe meine Plagen in dieſer
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/554>, abgerufen am 22.11.2024.
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