Die Kunst, diese geringere Buben zu regie- ren, steckt mehr in dem erhabenen Ansehen, als in Worten: und du bist ein alberner Kerl, daß du dir einbildest, die Leutseligkeit bestehe darinn, daß du mit deinen Bedienten so umgehest, als dieje- nigen mit ihnen umgehen müssen, welche ihnen ihren Lohn nicht zu zahlen im Stande sind, oder sie um Geheimnisse haben wissen lassen, die, wenn sie auskämen, sie selbst solchen Schurken nach ih- rem Gefallen bloßstellen würden.
Was nun mich betrifft, der ich niemals et- was gethan habe, was ich mich schämte zu geste- hen, und mehr Aufrichtigkeit, als jemals ein Mensch, besitze; der ich eine Schandthat bey ih- rem rechten Namen nennen kann, wenn ich sie gleich selbst verübet habe, und durch meine eigne Bereitwilligkeit, mich selbst zu strafen, allen Ver- weisen von andern zuvorzukommen weiß; der ich kein solcher Heuchler bin, daß ich wünschen könn- te, von der Welt für anders oder besser angesehn zu werden, als ich bin: so schickt es sich für mich, einen Bedienten durch einen Blick zu seiner Pflicht zu bringen, wo ich kann. Jch werde auch niemals einen behalten, der sich nicht auf ein Nicken oder einen Wink nach mir zu richten weiß, und, wenn ich lächele, nicht entzückt, wenn ich sauer sehe, nicht ganz in Schrecken seyn wird. Gehe ich wirklich ein wenig zu weit: so suche ich allemal die Buben dafür zu belohnen, daß sie meinen Unwillen gedultig ertragen haben. Al- lein dieß geschieht schwerlich jemals in andern
Fäl-
Siebenter Theil. D
Die Kunſt, dieſe geringere Buben zu regie- ren, ſteckt mehr in dem erhabenen Anſehen, als in Worten: und du biſt ein alberner Kerl, daß du dir einbildeſt, die Leutſeligkeit beſtehe darinn, daß du mit deinen Bedienten ſo umgeheſt, als dieje- nigen mit ihnen umgehen muͤſſen, welche ihnen ihren Lohn nicht zu zahlen im Stande ſind, oder ſie um Geheimniſſe haben wiſſen laſſen, die, wenn ſie auskaͤmen, ſie ſelbſt ſolchen Schurken nach ih- rem Gefallen bloßſtellen wuͤrden.
Was nun mich betrifft, der ich niemals et- was gethan habe, was ich mich ſchaͤmte zu geſte- hen, und mehr Aufrichtigkeit, als jemals ein Menſch, beſitze; der ich eine Schandthat bey ih- rem rechten Namen nennen kann, wenn ich ſie gleich ſelbſt veruͤbet habe, und durch meine eigne Bereitwilligkeit, mich ſelbſt zu ſtrafen, allen Ver- weiſen von andern zuvorzukommen weiß; der ich kein ſolcher Heuchler bin, daß ich wuͤnſchen koͤnn- te, von der Welt fuͤr anders oder beſſer angeſehn zu werden, als ich bin: ſo ſchickt es ſich fuͤr mich, einen Bedienten durch einen Blick zu ſeiner Pflicht zu bringen, wo ich kann. Jch werde auch niemals einen behalten, der ſich nicht auf ein Nicken oder einen Wink nach mir zu richten weiß, und, wenn ich laͤchele, nicht entzuͤckt, wenn ich ſauer ſehe, nicht ganz in Schrecken ſeyn wird. Gehe ich wirklich ein wenig zu weit: ſo ſuche ich allemal die Buben dafuͤr zu belohnen, daß ſie meinen Unwillen gedultig ertragen haben. Al- lein dieß geſchieht ſchwerlich jemals in andern
Faͤl-
Siebenter Theil. D
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0055"n="49"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Die Kunſt, dieſe geringere Buben zu regie-<lb/>
ren, ſteckt mehr in dem erhabenen Anſehen, als in<lb/>
Worten: und du biſt ein alberner Kerl, daß du<lb/>
dir einbildeſt, die Leutſeligkeit beſtehe darinn, daß<lb/>
du mit deinen Bedienten ſo umgeheſt, als dieje-<lb/>
nigen mit ihnen umgehen muͤſſen, welche ihnen<lb/>
ihren Lohn nicht zu zahlen im Stande ſind, oder<lb/>ſie um Geheimniſſe haben wiſſen laſſen, die, wenn<lb/>ſie auskaͤmen, ſie ſelbſt ſolchen Schurken nach ih-<lb/>
rem Gefallen bloßſtellen wuͤrden.</p><lb/><p>Was nun mich betrifft, der ich niemals et-<lb/>
was gethan habe, was ich mich ſchaͤmte zu geſte-<lb/>
hen, und mehr Aufrichtigkeit, als jemals ein<lb/>
Menſch, beſitze; der ich eine Schandthat bey ih-<lb/>
rem rechten Namen nennen kann, wenn ich ſie<lb/>
gleich ſelbſt veruͤbet habe, und durch meine eigne<lb/>
Bereitwilligkeit, mich ſelbſt zu ſtrafen, allen Ver-<lb/>
weiſen von andern zuvorzukommen weiß; der ich<lb/>
kein ſolcher Heuchler bin, daß ich wuͤnſchen koͤnn-<lb/>
te, von der Welt fuͤr anders oder beſſer angeſehn<lb/>
zu werden, als ich bin: ſo ſchickt es ſich fuͤr mich,<lb/>
einen Bedienten durch einen Blick zu ſeiner<lb/>
Pflicht zu bringen, wo ich kann. Jch werde<lb/>
auch niemals einen behalten, der ſich nicht auf<lb/>
ein Nicken oder einen Wink nach mir zu richten<lb/>
weiß, und, wenn ich laͤchele, nicht entzuͤckt, wenn<lb/>
ich ſauer ſehe, nicht ganz in Schrecken ſeyn wird.<lb/>
Gehe ich wirklich ein wenig zu weit: ſo ſuche ich<lb/>
allemal die Buben dafuͤr zu belohnen, daß ſie<lb/>
meinen Unwillen gedultig ertragen haben. Al-<lb/>
lein dieß geſchieht ſchwerlich jemals in andern<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Siebenter Theil.</hi> D</fw><fwplace="bottom"type="catch">Faͤl-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[49/0055]
Die Kunſt, dieſe geringere Buben zu regie-
ren, ſteckt mehr in dem erhabenen Anſehen, als in
Worten: und du biſt ein alberner Kerl, daß du
dir einbildeſt, die Leutſeligkeit beſtehe darinn, daß
du mit deinen Bedienten ſo umgeheſt, als dieje-
nigen mit ihnen umgehen muͤſſen, welche ihnen
ihren Lohn nicht zu zahlen im Stande ſind, oder
ſie um Geheimniſſe haben wiſſen laſſen, die, wenn
ſie auskaͤmen, ſie ſelbſt ſolchen Schurken nach ih-
rem Gefallen bloßſtellen wuͤrden.
Was nun mich betrifft, der ich niemals et-
was gethan habe, was ich mich ſchaͤmte zu geſte-
hen, und mehr Aufrichtigkeit, als jemals ein
Menſch, beſitze; der ich eine Schandthat bey ih-
rem rechten Namen nennen kann, wenn ich ſie
gleich ſelbſt veruͤbet habe, und durch meine eigne
Bereitwilligkeit, mich ſelbſt zu ſtrafen, allen Ver-
weiſen von andern zuvorzukommen weiß; der ich
kein ſolcher Heuchler bin, daß ich wuͤnſchen koͤnn-
te, von der Welt fuͤr anders oder beſſer angeſehn
zu werden, als ich bin: ſo ſchickt es ſich fuͤr mich,
einen Bedienten durch einen Blick zu ſeiner
Pflicht zu bringen, wo ich kann. Jch werde
auch niemals einen behalten, der ſich nicht auf
ein Nicken oder einen Wink nach mir zu richten
weiß, und, wenn ich laͤchele, nicht entzuͤckt, wenn
ich ſauer ſehe, nicht ganz in Schrecken ſeyn wird.
Gehe ich wirklich ein wenig zu weit: ſo ſuche ich
allemal die Buben dafuͤr zu belohnen, daß ſie
meinen Unwillen gedultig ertragen haben. Al-
lein dieß geſchieht ſchwerlich jemals in andern
Faͤl-
Siebenter Theil. D
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/55>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.