macht er sich mit seiner Ausführung groß, und fähret fort:
Jch kann Euch sagen, daß, wenn ich eben so frühe angefangen hätte zu schreiben, als Jhr und Lovelace, ich eben eine so gute Figur gemacht haben würde, als einer von Euch beyden. Warum nicht? Allein so wohl wie ein Knabe, als wie ein Mann, habe ich allezeit einen Haß gegen ein Buch gehabt. Es ist eine Thorheit, zu lügen. Jch habe gern allezeit in Wirksamkeit seyn mögen, Brüderchen. Jch bin ein Feind vom Faullenzen gewesen und habe in meinem vergangenen Leben mehr Bu- ben von ihren Büchern abgezogen, als selbst mein Lehrmeister dadurch gelehrt gemacht hat. Bei- ne unterschlagen, Maulschellen geben, die Baum- gärten bestehlen, ist der Ruhm gewesen, den ich gar frühe erlangt habe.
Allein ich bin des Schreibens überdrüßig. Jch habe in meinem Leben niemals einen solchen langen Brief geschrieben. Die Gelenke an mei- nen Händen, meine Finger und Daumen thun mir verdammt wehe. Die Feder ist mir wenig- stens ein hundert Pfund schwer: und meine Au- gen wollen mir aus dem Kopfe auf das Papier fallen. - - Der Krampf war mir noch erst diesen Augenblick in den Fingern. Der Henker hohle die Gänse und die Gänsespulen! Jch will in ei- nem Jahre keine lange Briefe wieder schreiben. Jedoch noch ein Wort: wir denken der verrückte Kerl kommt doch noch. Lebt wohl.
Der
macht er ſich mit ſeiner Ausfuͤhrung groß, und faͤhret fort:
Jch kann Euch ſagen, daß, wenn ich eben ſo fruͤhe angefangen haͤtte zu ſchreiben, als Jhr und Lovelace, ich eben eine ſo gute Figur gemacht haben wuͤrde, als einer von Euch beyden. Warum nicht? Allein ſo wohl wie ein Knabe, als wie ein Mann, habe ich allezeit einen Haß gegen ein Buch gehabt. Es iſt eine Thorheit, zu luͤgen. Jch habe gern allezeit in Wirkſamkeit ſeyn moͤgen, Bruͤderchen. Jch bin ein Feind vom Faullenzen geweſen und habe in meinem vergangenen Leben mehr Bu- ben von ihren Buͤchern abgezogen, als ſelbſt mein Lehrmeiſter dadurch gelehrt gemacht hat. Bei- ne unterſchlagen, Maulſchellen geben, die Baum- gaͤrten beſtehlen, iſt der Ruhm geweſen, den ich gar fruͤhe erlangt habe.
Allein ich bin des Schreibens uͤberdruͤßig. Jch habe in meinem Leben niemals einen ſolchen langen Brief geſchrieben. Die Gelenke an mei- nen Haͤnden, meine Finger und Daumen thun mir verdammt wehe. Die Feder iſt mir wenig- ſtens ein hundert Pfund ſchwer: und meine Au- gen wollen mir aus dem Kopfe auf das Papier fallen. ‒ ‒ Der Krampf war mir noch erſt dieſen Augenblick in den Fingern. Der Henker hohle die Gaͤnſe und die Gaͤnſeſpulen! Jch will in ei- nem Jahre keine lange Briefe wieder ſchreiben. Jedoch noch ein Wort: wir denken der verruͤckte Kerl kommt doch noch. Lebt wohl.
Der
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macht er ſich mit ſeiner Ausfuͤhrung
groß, und faͤhret fort:
Jch kann Euch ſagen, daß, wenn ich eben ſo
fruͤhe angefangen haͤtte zu ſchreiben, als Jhr und
Lovelace, ich eben eine ſo gute Figur gemacht haben
wuͤrde, als einer von Euch beyden. Warum nicht?
Allein ſo wohl wie ein Knabe, als wie ein Mann,
habe ich allezeit einen Haß gegen ein Buch gehabt.
Es iſt eine Thorheit, zu luͤgen. Jch habe gern
allezeit in Wirkſamkeit ſeyn moͤgen, Bruͤderchen.
Jch bin ein Feind vom Faullenzen geweſen und
habe in meinem vergangenen Leben mehr Bu-
ben von ihren Buͤchern abgezogen, als ſelbſt mein
Lehrmeiſter dadurch gelehrt gemacht hat. Bei-
ne unterſchlagen, Maulſchellen geben, die Baum-
gaͤrten beſtehlen, iſt der Ruhm geweſen, den ich
gar fruͤhe erlangt habe.
Allein ich bin des Schreibens uͤberdruͤßig.
Jch habe in meinem Leben niemals einen ſolchen
langen Brief geſchrieben. Die Gelenke an mei-
nen Haͤnden, meine Finger und Daumen thun
mir verdammt wehe. Die Feder iſt mir wenig-
ſtens ein hundert Pfund ſchwer: und meine Au-
gen wollen mir aus dem Kopfe auf das Papier
fallen. ‒ ‒ Der Krampf war mir noch erſt dieſen
Augenblick in den Fingern. Der Henker hohle
die Gaͤnſe und die Gaͤnſeſpulen! Jch will in ei-
nem Jahre keine lange Briefe wieder ſchreiben.
Jedoch noch ein Wort: wir denken der verruͤckte
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Der
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/534>, abgerufen am 22.11.2024.
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