Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



weiß ich doch, daß er so beschaffen ist, daß er zei-
gen wird, in was für einem wunderlichen Zu-
stande er sey; denn er hat ihn uns vollkommen
tragödienmäßig vorgelesen. Jhr werdet daraus
sehen, was der verrückte Kerl zu thun willens ge-
wesen, wenn wir uns nicht alle ins Mittel geschla-
gen hätten. Er war wirklich im Begriff, mit ei-
nem Wundarzt abzugehen, damit die Fräulein
geöffnet und einbalsamiret würde. - - Jch will
nicht ehrlich seyn, wo ich nicht völlig der Mey-
nung bin, daß, wenn es geschehen wäre, ihr Herz
entweder eisern oder marmorn befunden seyn
würde.

Wir haben den Lord M. zu ihm geschafft.
Seine Gnaden sind auch über den Tod der Fräu-
lein sehr betrübt. Seine Schwestern und Neffen,
sagt er, wollen sich fast das Herz brechen. Was
für Lermens ist hier um ein Weibsbild? Denn
wenn alles um und um kommt, so war sie ja nichts
mehr.

Wir haben ihm einen Wassereimer voll schwar-
zen Ochsenbluts abgezapft, und das hat ihn ein
wenig geschwächet. Allein er drohet dem Obrist
Morden, er drohet Euch um Eurer verfluchten
Anmerkungen willen; in der That, verfluchte An-
merkungen, Bruder! und fluchet der ganzen Welt,
und sich selbst noch dazu.

Gestern Abends ward seine Trauer, die voll-
kommen so tief ist, als für eine Frau, nebst der
Trauer sein Bedienten gebracht. Ob es gleich
schon acht Uhr war: so wollte er sie dennoch an-

legen,



weiß ich doch, daß er ſo beſchaffen iſt, daß er zei-
gen wird, in was fuͤr einem wunderlichen Zu-
ſtande er ſey; denn er hat ihn uns vollkommen
tragoͤdienmaͤßig vorgeleſen. Jhr werdet daraus
ſehen, was der verruͤckte Kerl zu thun willens ge-
weſen, wenn wir uns nicht alle ins Mittel geſchla-
gen haͤtten. Er war wirklich im Begriff, mit ei-
nem Wundarzt abzugehen, damit die Fraͤulein
geoͤffnet und einbalſamiret wuͤrde. ‒ ‒ Jch will
nicht ehrlich ſeyn, wo ich nicht voͤllig der Mey-
nung bin, daß, wenn es geſchehen waͤre, ihr Herz
entweder eiſern oder marmorn befunden ſeyn
wuͤrde.

Wir haben den Lord M. zu ihm geſchafft.
Seine Gnaden ſind auch uͤber den Tod der Fraͤu-
lein ſehr betruͤbt. Seine Schweſtern und Neffen,
ſagt er, wollen ſich faſt das Herz brechen. Was
fuͤr Lermens iſt hier um ein Weibsbild? Denn
wenn alles um und um kommt, ſo war ſie ja nichts
mehr.

Wir haben ihm einen Waſſereimer voll ſchwar-
zen Ochſenbluts abgezapft, und das hat ihn ein
wenig geſchwaͤchet. Allein er drohet dem Obriſt
Morden, er drohet Euch um Eurer verfluchten
Anmerkungen willen; in der That, verfluchte An-
merkungen, Bruder! und fluchet der ganzen Welt,
und ſich ſelbſt noch dazu.

Geſtern Abends ward ſeine Trauer, die voll-
kommen ſo tief iſt, als fuͤr eine Frau, nebſt der
Trauer ſein Bedienten gebracht. Ob es gleich
ſchon acht Uhr war: ſo wollte er ſie dennoch an-

legen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0530" n="524"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
weiß ich doch, daß er &#x017F;o be&#x017F;chaffen i&#x017F;t, daß er zei-<lb/>
gen wird, in was fu&#x0364;r einem <hi rendition="#fr">wunderlichen</hi> Zu-<lb/>
&#x017F;tande er &#x017F;ey; denn er hat ihn uns vollkommen<lb/>
trago&#x0364;dienma&#x0364;ßig vorgele&#x017F;en. Jhr werdet daraus<lb/>
&#x017F;ehen, was der verru&#x0364;ckte Kerl zu thun willens ge-<lb/>
we&#x017F;en, wenn wir uns nicht alle ins Mittel ge&#x017F;chla-<lb/>
gen ha&#x0364;tten. Er war wirklich im Begriff, mit ei-<lb/>
nem Wundarzt abzugehen, damit die Fra&#x0364;ulein<lb/>
geo&#x0364;ffnet und einbal&#x017F;amiret wu&#x0364;rde. &#x2012; &#x2012; Jch will<lb/>
nicht ehrlich &#x017F;eyn, wo ich nicht vo&#x0364;llig der Mey-<lb/>
nung bin, daß, wenn es ge&#x017F;chehen wa&#x0364;re, ihr Herz<lb/>
entweder ei&#x017F;ern oder marmorn befunden &#x017F;eyn<lb/>
wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>Wir haben den Lord M. zu ihm ge&#x017F;chafft.<lb/>
Seine Gnaden &#x017F;ind auch u&#x0364;ber den Tod der Fra&#x0364;u-<lb/>
lein &#x017F;ehr betru&#x0364;bt. Seine Schwe&#x017F;tern und Neffen,<lb/>
&#x017F;agt er, wollen &#x017F;ich fa&#x017F;t das Herz brechen. Was<lb/>
fu&#x0364;r Lermens i&#x017F;t hier um ein Weibsbild? Denn<lb/>
wenn alles um und um kommt, &#x017F;o war &#x017F;ie ja nichts<lb/>
mehr.</p><lb/>
          <p>Wir haben ihm einen Wa&#x017F;&#x017F;ereimer voll &#x017F;chwar-<lb/>
zen Och&#x017F;enbluts abgezapft, und das hat ihn ein<lb/>
wenig ge&#x017F;chwa&#x0364;chet. Allein er drohet dem Obri&#x017F;t<lb/>
Morden, er drohet Euch um Eurer verfluchten<lb/>
Anmerkungen willen; in der That, verfluchte An-<lb/>
merkungen, Bruder! und fluchet der ganzen Welt,<lb/>
und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t noch dazu.</p><lb/>
          <p>Ge&#x017F;tern Abends ward &#x017F;eine Trauer, die voll-<lb/>
kommen &#x017F;o tief i&#x017F;t, als fu&#x0364;r eine Frau, neb&#x017F;t der<lb/>
Trauer &#x017F;ein Bedienten gebracht. Ob es gleich<lb/>
&#x017F;chon acht Uhr war: &#x017F;o wollte er &#x017F;ie dennoch an-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">legen,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[524/0530] weiß ich doch, daß er ſo beſchaffen iſt, daß er zei- gen wird, in was fuͤr einem wunderlichen Zu- ſtande er ſey; denn er hat ihn uns vollkommen tragoͤdienmaͤßig vorgeleſen. Jhr werdet daraus ſehen, was der verruͤckte Kerl zu thun willens ge- weſen, wenn wir uns nicht alle ins Mittel geſchla- gen haͤtten. Er war wirklich im Begriff, mit ei- nem Wundarzt abzugehen, damit die Fraͤulein geoͤffnet und einbalſamiret wuͤrde. ‒ ‒ Jch will nicht ehrlich ſeyn, wo ich nicht voͤllig der Mey- nung bin, daß, wenn es geſchehen waͤre, ihr Herz entweder eiſern oder marmorn befunden ſeyn wuͤrde. Wir haben den Lord M. zu ihm geſchafft. Seine Gnaden ſind auch uͤber den Tod der Fraͤu- lein ſehr betruͤbt. Seine Schweſtern und Neffen, ſagt er, wollen ſich faſt das Herz brechen. Was fuͤr Lermens iſt hier um ein Weibsbild? Denn wenn alles um und um kommt, ſo war ſie ja nichts mehr. Wir haben ihm einen Waſſereimer voll ſchwar- zen Ochſenbluts abgezapft, und das hat ihn ein wenig geſchwaͤchet. Allein er drohet dem Obriſt Morden, er drohet Euch um Eurer verfluchten Anmerkungen willen; in der That, verfluchte An- merkungen, Bruder! und fluchet der ganzen Welt, und ſich ſelbſt noch dazu. Geſtern Abends ward ſeine Trauer, die voll- kommen ſo tief iſt, als fuͤr eine Frau, nebſt der Trauer ſein Bedienten gebracht. Ob es gleich ſchon acht Uhr war: ſo wollte er ſie dennoch an- legen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/530
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/530>, abgerufen am 16.07.2024.