die arme Fr. Harlowe, und vielleicht auch Frau Hervey; von Ohnmachten überfallen wäre.
Alle waren in solcher Unordnung, daß er we- der Bescheid bekommen, noch die Gelegenheit, selbst befragt zu werden, haben konnte. Die Bedienten schienen geneigter ihn zu verfluchen, als zu bewillkommen. - - O guter Freund! O junger Mensch! schrieen drey oder vier mit einan- der, was für unglückliche Zeitungen hat er ge- bracht! - - Sie halfen ihm gleich bey dem ersten Worte zu seinem Pferde, das sie bey seiner An- kunft mit großer Höflichkeit eingezogen hatten. Er ging darauf zu einem Wirthshause, und ver- folgte zu Fuße seinen Weg nach der Fr. Norton. Weil er aber fand, daß sie auf dem Wege nach London wäre: so ließ er den Brief, welchen er für sie hinunterbrachte, bey ihrem Sohne, einem ar- tigen Jünglinge, der, so bald er die unglückliche Zeitung hörte, ganze Ströme von Thränen ver- goß - - und erst den Tod der Fräulein beklagte, hiernächst aber ausrief: Was, was würde aus seiner armen Mutter werden? - - Wie würde sie sich fassen können, wenn sie bey ihrer Ankunft in London finden sollte, daß die liebe Fräulein, welche mit so vielem Rechte ihr ganzes Herz sich zu eigen gemacht, nicht mehr am Leben wäre!
Er ging weiter zu der Fräulein Howe, mit dem Briefe an sie. Diese hatte eben, wie er hör- te, einem jungen Menschen, eines Pachters Sohne, Befehl gegeben, eiligst nach London zu reiten, da- mit er ihr von dem Zustande ihrer lieben Freun-
dinn
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die arme Fr. Harlowe, und vielleicht auch Frau Hervey; von Ohnmachten uͤberfallen waͤre.
Alle waren in ſolcher Unordnung, daß er we- der Beſcheid bekommen, noch die Gelegenheit, ſelbſt befragt zu werden, haben konnte. Die Bedienten ſchienen geneigter ihn zu verfluchen, als zu bewillkommen. ‒ ‒ O guter Freund! O junger Menſch! ſchrieen drey oder vier mit einan- der, was fuͤr ungluͤckliche Zeitungen hat er ge- bracht! ‒ ‒ Sie halfen ihm gleich bey dem erſten Worte zu ſeinem Pferde, das ſie bey ſeiner An- kunft mit großer Hoͤflichkeit eingezogen hatten. Er ging darauf zu einem Wirthshauſe, und ver- folgte zu Fuße ſeinen Weg nach der Fr. Norton. Weil er aber fand, daß ſie auf dem Wege nach London waͤre: ſo ließ er den Brief, welchen er fuͤr ſie hinunterbrachte, bey ihrem Sohne, einem ar- tigen Juͤnglinge, der, ſo bald er die ungluͤckliche Zeitung hoͤrte, ganze Stroͤme von Thraͤnen ver- goß ‒ ‒ und erſt den Tod der Fraͤulein beklagte, hiernaͤchſt aber ausrief: Was, was wuͤrde aus ſeiner armen Mutter werden? ‒ ‒ Wie wuͤrde ſie ſich faſſen koͤnnen, wenn ſie bey ihrer Ankunft in London finden ſollte, daß die liebe Fraͤulein, welche mit ſo vielem Rechte ihr ganzes Herz ſich zu eigen gemacht, nicht mehr am Leben waͤre!
Er ging weiter zu der Fraͤulein Howe, mit dem Briefe an ſie. Dieſe hatte eben, wie er hoͤr- te, einem jungen Menſchen, eines Pachters Sohne, Befehl gegeben, eiligſt nach London zu reiten, da- mit er ihr von dem Zuſtande ihrer lieben Freun-
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die arme Fr. Harlowe, und vielleicht auch Frau
Hervey; von Ohnmachten uͤberfallen waͤre.
Alle waren in ſolcher Unordnung, daß er we-
der Beſcheid bekommen, noch die Gelegenheit,
ſelbſt befragt zu werden, haben konnte. Die
Bedienten ſchienen geneigter ihn zu verfluchen,
als zu bewillkommen. ‒ ‒ O guter Freund! O
junger Menſch! ſchrieen drey oder vier mit einan-
der, was fuͤr ungluͤckliche Zeitungen hat er ge-
bracht! ‒ ‒ Sie halfen ihm gleich bey dem erſten
Worte zu ſeinem Pferde, das ſie bey ſeiner An-
kunft mit großer Hoͤflichkeit eingezogen hatten.
Er ging darauf zu einem Wirthshauſe, und ver-
folgte zu Fuße ſeinen Weg nach der Fr. Norton.
Weil er aber fand, daß ſie auf dem Wege nach
London waͤre: ſo ließ er den Brief, welchen er fuͤr
ſie hinunterbrachte, bey ihrem Sohne, einem ar-
tigen Juͤnglinge, der, ſo bald er die ungluͤckliche
Zeitung hoͤrte, ganze Stroͤme von Thraͤnen ver-
goß ‒ ‒ und erſt den Tod der Fraͤulein beklagte,
hiernaͤchſt aber ausrief: Was, was wuͤrde aus
ſeiner armen Mutter werden? ‒ ‒ Wie wuͤrde
ſie ſich faſſen koͤnnen, wenn ſie bey ihrer Ankunft
in London finden ſollte, daß die liebe Fraͤulein,
welche mit ſo vielem Rechte ihr ganzes Herz ſich
zu eigen gemacht, nicht mehr am Leben waͤre!
Er ging weiter zu der Fraͤulein Howe, mit
dem Briefe an ſie. Dieſe hatte eben, wie er hoͤr-
te, einem jungen Menſchen, eines Pachters Sohne,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/521>, abgerufen am 22.11.2024.
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