ste Zimmer gingen, begab ich mich zu ihnen, und brachte ihr die Nachricht von dem gütigen Ver- machtnisse, das ihre geliebte Fräulein ihr hinter- lassen hätte. Aber dieß vermehrte ihre Betrüb- niß mehr, als es dieselbe verminderte. Sie hätte ihr, sagte sie, billig in Person aufwarten sollen. Was wäre die Welt nunmehr für sie, setzte sie mit Händeringen hinzu, da das Kind, welches an ihrer Brust gelegen und ihr ganzes Herze auf sich gewandt, dahin wäre? Jhr bester Trost wä- re, inzwischen, daß sie die Fräulein nicht lange überleben würde. Sie hoffte, sprach sie, daß sie sich nicht versündigte, wenn sie dieß wünschte.
Es war leicht aus der Aehnlichkeit der Ge- sinnungen, die sie in diesem und andern Umstän- den zeigte, wahrzunehmen, daß die göttliche Fräu- lein viele ihrer guten Begriffe dieser trefflichen Frauen zu danken hatte.
Jch gedachte, es würde die arme Frau ein wenig aufmuntern, und zwar auf eine nicht ganz unbequeme Art, wenn ich sie darauf brächte, daß sie die Trauer für sich anschaffete: weil dieß sie durch eine schickliche und nothwendige Beschäffti- gung von der seltsamen Schlafsucht der Traurig- keit aufrichten würde, welche insgemein auf den allzu heftigen Schmerzen folget, der ein sanftes Gemüth auf die erste Nachricht von dem uner- warteten Verlust eines theuren Freundes zu zer- reißen pfleget. Jch gab ihr daher die dreyßig Guineas, welche ihr und ihrem Sohne zur Trauer vermacht sind; der einzigen Trauer, deren die
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ſte Zimmer gingen, begab ich mich zu ihnen, und brachte ihr die Nachricht von dem guͤtigen Ver- machtniſſe, das ihre geliebte Fraͤulein ihr hinter- laſſen haͤtte. Aber dieß vermehrte ihre Betruͤb- niß mehr, als es dieſelbe verminderte. Sie haͤtte ihr, ſagte ſie, billig in Perſon aufwarten ſollen. Was waͤre die Welt nunmehr fuͤr ſie, ſetzte ſie mit Haͤnderingen hinzu, da das Kind, welches an ihrer Bruſt gelegen und ihr ganzes Herze auf ſich gewandt, dahin waͤre? Jhr beſter Troſt waͤ- re, inzwiſchen, daß ſie die Fraͤulein nicht lange uͤberleben wuͤrde. Sie hoffte, ſprach ſie, daß ſie ſich nicht verſuͤndigte, wenn ſie dieß wuͤnſchte.
Es war leicht aus der Aehnlichkeit der Ge- ſinnungen, die ſie in dieſem und andern Umſtaͤn- den zeigte, wahrzunehmen, daß die goͤttliche Fraͤu- lein viele ihrer guten Begriffe dieſer trefflichen Frauen zu danken hatte.
Jch gedachte, es wuͤrde die arme Frau ein wenig aufmuntern, und zwar auf eine nicht ganz unbequeme Art, wenn ich ſie darauf braͤchte, daß ſie die Trauer fuͤr ſich anſchaffete: weil dieß ſie durch eine ſchickliche und nothwendige Beſchaͤffti- gung von der ſeltſamen Schlafſucht der Traurig- keit aufrichten wuͤrde, welche insgemein auf den allzu heftigen Schmerzen folget, der ein ſanftes Gemuͤth auf die erſte Nachricht von dem uner- warteten Verluſt eines theuren Freundes zu zer- reißen pfleget. Jch gab ihr daher die dreyßig Guineas, welche ihr und ihrem Sohne zur Trauer vermacht ſind; der einzigen Trauer, deren die
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ſte Zimmer gingen, begab ich mich zu ihnen, und
brachte ihr die Nachricht von dem guͤtigen Ver-
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laſſen haͤtte. Aber dieß vermehrte ihre Betruͤb-
niß mehr, als es dieſelbe verminderte. Sie haͤtte
ihr, ſagte ſie, billig in Perſon aufwarten ſollen.
Was waͤre die Welt nunmehr fuͤr ſie, ſetzte ſie
mit Haͤnderingen hinzu, da das Kind, welches an
ihrer Bruſt gelegen und ihr ganzes Herze auf
ſich gewandt, dahin waͤre? Jhr beſter Troſt waͤ-
re, inzwiſchen, daß ſie die Fraͤulein nicht lange
uͤberleben wuͤrde. Sie hoffte, ſprach ſie, daß ſie
ſich nicht verſuͤndigte, wenn ſie dieß wuͤnſchte.
Es war leicht aus der Aehnlichkeit der Ge-
ſinnungen, die ſie in dieſem und andern Umſtaͤn-
den zeigte, wahrzunehmen, daß die goͤttliche Fraͤu-
lein viele ihrer guten Begriffe dieſer trefflichen
Frauen zu danken hatte.
Jch gedachte, es wuͤrde die arme Frau ein
wenig aufmuntern, und zwar auf eine nicht ganz
unbequeme Art, wenn ich ſie darauf braͤchte, daß
ſie die Trauer fuͤr ſich anſchaffete: weil dieß ſie
durch eine ſchickliche und nothwendige Beſchaͤffti-
gung von der ſeltſamen Schlafſucht der Traurig-
keit aufrichten wuͤrde, welche insgemein auf den
allzu heftigen Schmerzen folget, der ein ſanftes
Gemuͤth auf die erſte Nachricht von dem uner-
warteten Verluſt eines theuren Freundes zu zer-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/493>, abgerufen am 22.11.2024.
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