Knieen, und die Thränen liefen in großen Tropfen ihre Wangen herunter.
Jhre Wärterinn kniete, zwischen dem Fenster und Fr. Smithinn, mit ausgereckten Armen. Jn der einen Hand hielte sie eine unkräftige Herzstär- kung, welche sie ihrer sterbenden Herrschaft eben dargeboten hatte. Jhr Gesicht war vom Wei- nen geschwollen; ob sie gleich solche Trauerspiele zu sehen gewohnt war; und sie wandte ihre Au- gen auf mich, als wenn sie mich durch dieselben auffordern wollte, mich mit ihnen allen zugleich der vergeblichen Traurigkeit zu überlassen: indem ein frischer Strohm aus ihnen hervorbrach, als ich mich dem Bette näherte.
Die Magd vom Hause, die mit dem Gesich- te auf ihren zusammengeschlagnen Armen lag, in- dem sie sich gegen die Vertäfelung gelehnet hatte, ließ ihren Kummer vernehmlicher merken, als ir- gend jemand von den Uebrigen.
Die Fräulein war auf einige wenige Augenbli- cke stille gewesen, und sprachlos, wie sie dachten, weil sie ihre Lippen bewegte, ohne ein Wort her- auszubringen: und ihre eine Hand, wie ich ge- sagt habe, hatte ihr Vetter mit seinen beyden Hän- den umfasset. Als aber Fr. Lovick meinen Namen bey meiner Herannäherung hören ließ: fing sie an zu reden. O! Herr Belford, sagte sie in gebroch- ner Rede, und mit einer schwachen einwärts schal- lenden Stimme, aber doch sehr deutlich - - Nun! - - Nun! - - Jch danke Gott für seine mannich- faltige Gnade gegen sein armes Geschöpfe - - Nun
wird
F f 5
Knieen, und die Thraͤnen liefen in großen Tropfen ihre Wangen herunter.
Jhre Waͤrterinn kniete, zwiſchen dem Fenſter und Fr. Smithinn, mit ausgereckten Armen. Jn der einen Hand hielte ſie eine unkraͤftige Herzſtaͤr- kung, welche ſie ihrer ſterbenden Herrſchaft eben dargeboten hatte. Jhr Geſicht war vom Wei- nen geſchwollen; ob ſie gleich ſolche Trauerſpiele zu ſehen gewohnt war; und ſie wandte ihre Au- gen auf mich, als wenn ſie mich durch dieſelben auffordern wollte, mich mit ihnen allen zugleich der vergeblichen Traurigkeit zu uͤberlaſſen: indem ein friſcher Strohm aus ihnen hervorbrach, als ich mich dem Bette naͤherte.
Die Magd vom Hauſe, die mit dem Geſich- te auf ihren zuſammengeſchlagnen Armen lag, in- dem ſie ſich gegen die Vertaͤfelung gelehnet hatte, ließ ihren Kummer vernehmlicher merken, als ir- gend jemand von den Uebrigen.
Die Fraͤulein war auf einige wenige Augenbli- cke ſtille geweſen, und ſprachlos, wie ſie dachten, weil ſie ihre Lippen bewegte, ohne ein Wort her- auszubringen: und ihre eine Hand, wie ich ge- ſagt habe, hatte ihr Vetter mit ſeinen beyden Haͤn- den umfaſſet. Als aber Fr. Lovick meinen Namen bey meiner Herannaͤherung hoͤren ließ: fing ſie an zu reden. O! Herr Belford, ſagte ſie in gebroch- ner Rede, und mit einer ſchwachen einwaͤrts ſchal- lenden Stimme, aber doch ſehr deutlich ‒ ‒ Nun! ‒ ‒ Nun! ‒ ‒ Jch danke Gott fuͤr ſeine mannich- faltige Gnade gegen ſein armes Geſchoͤpfe ‒ ‒ Nun
wird
F f 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0463"n="457"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Knieen, und die Thraͤnen liefen in großen Tropfen<lb/>
ihre Wangen herunter.</p><lb/><p>Jhre Waͤrterinn kniete, zwiſchen dem Fenſter<lb/>
und Fr. Smithinn, mit ausgereckten Armen. Jn<lb/>
der einen Hand hielte ſie eine unkraͤftige Herzſtaͤr-<lb/>
kung, welche ſie ihrer ſterbenden Herrſchaft eben<lb/>
dargeboten hatte. Jhr Geſicht war vom Wei-<lb/>
nen geſchwollen; ob ſie gleich ſolche Trauerſpiele<lb/>
zu ſehen gewohnt war; und ſie wandte ihre Au-<lb/>
gen auf mich, als wenn ſie mich durch dieſelben<lb/>
auffordern wollte, mich mit ihnen allen zugleich der<lb/>
vergeblichen Traurigkeit zu uͤberlaſſen: indem ein<lb/>
friſcher Strohm aus ihnen hervorbrach, als ich<lb/>
mich dem Bette naͤherte.</p><lb/><p>Die Magd vom Hauſe, die mit dem Geſich-<lb/>
te auf ihren zuſammengeſchlagnen Armen lag, in-<lb/>
dem ſie ſich gegen die Vertaͤfelung gelehnet hatte,<lb/>
ließ ihren Kummer vernehmlicher merken, als ir-<lb/>
gend jemand von den Uebrigen.</p><lb/><p>Die Fraͤulein war auf einige wenige Augenbli-<lb/>
cke ſtille geweſen, und ſprachlos, wie ſie dachten,<lb/>
weil ſie ihre Lippen bewegte, ohne ein Wort her-<lb/>
auszubringen: und ihre eine Hand, wie ich ge-<lb/>ſagt habe, hatte ihr Vetter mit ſeinen beyden Haͤn-<lb/>
den umfaſſet. Als aber Fr. Lovick meinen Namen<lb/>
bey meiner Herannaͤherung hoͤren ließ: fing ſie an<lb/>
zu reden. O! Herr Belford, ſagte ſie in gebroch-<lb/>
ner Rede, und mit einer ſchwachen einwaͤrts ſchal-<lb/>
lenden Stimme, aber doch ſehr deutlich ‒‒ Nun!<lb/>‒‒ Nun! ‒‒ Jch danke Gott fuͤr ſeine mannich-<lb/>
faltige Gnade gegen ſein armes Geſchoͤpfe ‒‒ Nun<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F f 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">wird</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[457/0463]
Knieen, und die Thraͤnen liefen in großen Tropfen
ihre Wangen herunter.
Jhre Waͤrterinn kniete, zwiſchen dem Fenſter
und Fr. Smithinn, mit ausgereckten Armen. Jn
der einen Hand hielte ſie eine unkraͤftige Herzſtaͤr-
kung, welche ſie ihrer ſterbenden Herrſchaft eben
dargeboten hatte. Jhr Geſicht war vom Wei-
nen geſchwollen; ob ſie gleich ſolche Trauerſpiele
zu ſehen gewohnt war; und ſie wandte ihre Au-
gen auf mich, als wenn ſie mich durch dieſelben
auffordern wollte, mich mit ihnen allen zugleich der
vergeblichen Traurigkeit zu uͤberlaſſen: indem ein
friſcher Strohm aus ihnen hervorbrach, als ich
mich dem Bette naͤherte.
Die Magd vom Hauſe, die mit dem Geſich-
te auf ihren zuſammengeſchlagnen Armen lag, in-
dem ſie ſich gegen die Vertaͤfelung gelehnet hatte,
ließ ihren Kummer vernehmlicher merken, als ir-
gend jemand von den Uebrigen.
Die Fraͤulein war auf einige wenige Augenbli-
cke ſtille geweſen, und ſprachlos, wie ſie dachten,
weil ſie ihre Lippen bewegte, ohne ein Wort her-
auszubringen: und ihre eine Hand, wie ich ge-
ſagt habe, hatte ihr Vetter mit ſeinen beyden Haͤn-
den umfaſſet. Als aber Fr. Lovick meinen Namen
bey meiner Herannaͤherung hoͤren ließ: fing ſie an
zu reden. O! Herr Belford, ſagte ſie in gebroch-
ner Rede, und mit einer ſchwachen einwaͤrts ſchal-
lenden Stimme, aber doch ſehr deutlich ‒ ‒ Nun!
‒ ‒ Nun! ‒ ‒ Jch danke Gott fuͤr ſeine mannich-
faltige Gnade gegen ſein armes Geſchoͤpfe ‒ ‒ Nun
wird
F f 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/463>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.