Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite




Der neun und funfzigste Brief
von
Herrn Mowbray an Hrn. Joh. Belford.

Lieber Bruder.

Jch schriebe auf des armen Lovelacens Verlan-
gen, um eine genauere Auslegung über den
unglücklichen kurzen Begriff von einem Briefe,
den du ihm diesen Abend zugeschickt hast, zu for-
dern. Es ist ihm unerträglich, eine Feder anzu-
setzen: und dennoch will er gern einen jeden klei-
nen Umstand von dem Abschiede der Fräulein
Harlowe wissen. Aber, warum er es wollen soll-
te, kann ich nicht sehen. Denn ist sie hin: so ist
sie hin; und wer kann sich helfen?

Jch habe niemals in meinem Leben von ei-
nem solchen Frauenzimmer gehöret. Was hat
sie sonderliches gelitten, daß der Kummer sie so
uns Leben bringen sollte?

Jch wollte wünschen, daß der arme Kerl sie
niemals gekannt hätte. Was für Unruhe hat sie
ihn vom Anfange bis zu Ende gekostet! Der ar-
tige Kerl ist beständig, seit dem er ihr nachgegan-
gen, für uns wie verlohren gewesen. Und was

ist




Der neun und funfzigſte Brief
von
Herrn Mowbray an Hrn. Joh. Belford.

Lieber Bruder.

Jch ſchriebe auf des armen Lovelacens Verlan-
gen, um eine genauere Auslegung uͤber den
ungluͤcklichen kurzen Begriff von einem Briefe,
den du ihm dieſen Abend zugeſchickt haſt, zu for-
dern. Es iſt ihm unertraͤglich, eine Feder anzu-
ſetzen: und dennoch will er gern einen jeden klei-
nen Umſtand von dem Abſchiede der Fraͤulein
Harlowe wiſſen. Aber, warum er es wollen ſoll-
te, kann ich nicht ſehen. Denn iſt ſie hin: ſo iſt
ſie hin; und wer kann ſich helfen?

Jch habe niemals in meinem Leben von ei-
nem ſolchen Frauenzimmer gehoͤret. Was hat
ſie ſonderliches gelitten, daß der Kummer ſie ſo
uns Leben bringen ſollte?

Jch wollte wuͤnſchen, daß der arme Kerl ſie
niemals gekannt haͤtte. Was fuͤr Unruhe hat ſie
ihn vom Anfange bis zu Ende gekoſtet! Der ar-
tige Kerl iſt beſtaͤndig, ſeit dem er ihr nachgegan-
gen, fuͤr uns wie verlohren geweſen. Und was

iſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0456" n="450"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Der neun und funfzig&#x017F;te Brief</hi><lb/>
von<lb/><hi rendition="#fr">Herrn Mowbray an Hrn. Joh. Belford.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Urbridge, den 7ten Sept. zwi&#x017F;chen eilf und<lb/>
zwo&#x0364;lfen, des Abends.</hi> </dateline><lb/>
          <salute> <hi rendition="#b">Lieber Bruder.</hi> </salute><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>ch &#x017F;chriebe auf des armen Lovelacens Verlan-<lb/>
gen, um eine <hi rendition="#fr">genauere Auslegung</hi> u&#x0364;ber den<lb/>
unglu&#x0364;cklichen kurzen Begriff von einem Briefe,<lb/>
den du ihm die&#x017F;en Abend zuge&#x017F;chickt ha&#x017F;t, zu for-<lb/>
dern. Es i&#x017F;t ihm unertra&#x0364;glich, eine Feder anzu-<lb/>
&#x017F;etzen: und dennoch will er gern einen jeden klei-<lb/>
nen Um&#x017F;tand von dem Ab&#x017F;chiede der Fra&#x0364;ulein<lb/>
Harlowe wi&#x017F;&#x017F;en. Aber, warum er es wollen &#x017F;oll-<lb/>
te, kann ich nicht &#x017F;ehen. Denn i&#x017F;t &#x017F;ie hin: &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ie hin; und wer kann &#x017F;ich helfen?</p><lb/>
          <p>Jch habe niemals in meinem Leben von ei-<lb/>
nem &#x017F;olchen Frauenzimmer geho&#x0364;ret. Was hat<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;onderliches gelitten, daß der Kummer &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
uns Leben bringen &#x017F;ollte?</p><lb/>
          <p>Jch wollte wu&#x0364;n&#x017F;chen, daß der arme Kerl &#x017F;ie<lb/>
niemals gekannt ha&#x0364;tte. Was fu&#x0364;r Unruhe hat &#x017F;ie<lb/>
ihn vom Anfange bis zu Ende geko&#x017F;tet! Der ar-<lb/>
tige Kerl i&#x017F;t be&#x017F;ta&#x0364;ndig, &#x017F;eit dem er ihr nachgegan-<lb/>
gen, fu&#x0364;r uns wie verlohren gewe&#x017F;en. Und was<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">i&#x017F;t</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[450/0456] Der neun und funfzigſte Brief von Herrn Mowbray an Hrn. Joh. Belford. Urbridge, den 7ten Sept. zwiſchen eilf und zwoͤlfen, des Abends. Lieber Bruder. Jch ſchriebe auf des armen Lovelacens Verlan- gen, um eine genauere Auslegung uͤber den ungluͤcklichen kurzen Begriff von einem Briefe, den du ihm dieſen Abend zugeſchickt haſt, zu for- dern. Es iſt ihm unertraͤglich, eine Feder anzu- ſetzen: und dennoch will er gern einen jeden klei- nen Umſtand von dem Abſchiede der Fraͤulein Harlowe wiſſen. Aber, warum er es wollen ſoll- te, kann ich nicht ſehen. Denn iſt ſie hin: ſo iſt ſie hin; und wer kann ſich helfen? Jch habe niemals in meinem Leben von ei- nem ſolchen Frauenzimmer gehoͤret. Was hat ſie ſonderliches gelitten, daß der Kummer ſie ſo uns Leben bringen ſollte? Jch wollte wuͤnſchen, daß der arme Kerl ſie niemals gekannt haͤtte. Was fuͤr Unruhe hat ſie ihn vom Anfange bis zu Ende gekoſtet! Der ar- tige Kerl iſt beſtaͤndig, ſeit dem er ihr nachgegan- gen, fuͤr uns wie verlohren geweſen. Und was iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/456
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/456>, abgerufen am 22.12.2024.