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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

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ihren durch einander gehenden Adern von einem
mehr durchscheinenden Blau, als ich jemals selbst an
den ihrigen gesehen hatte; Adern, die leider! so bald
durch Gefrierung des Purpurstromes, der schon itzo
so matt durch dieselben vielmehr kriechet, als flie-
ßet, verstopft werden sollen; ihre Hände hingen
leblos, eine vor ihr, die andere von der rechten
Hand der gütigen Witwe umfasset, deren Thränen
das anmuthreiche Gesicht, welches ihr mütterlicher
Busem stützte, bethaueten, ob es die schlafende
Schöne gleich nicht fühlte, und die gute Frau selbst
entweder auch nicht merkte, oder die Fräulein da-
durch nicht stören wollte, daß sie sie abwischte, oder
ihre Stellung veränderte. Sie sahe auf eine an-
genehme Art, ruhig und heiter aus: und ob sie
gleich bisweilen zusammenfuhr; so schien doch ihr
Schlaf geruhig. Jhr Athem war allerdings
kurz und geschwinde: aber noch ziemlich frey, und
nicht so, wie er bey einer Sterbenden zu seyn
pflegt.

Jn dieser rührenden Stellung und Beschaf-
fenheit fiel sie uns in die Augen, als wir uns zu
ihr naheten, und ihr liebenswürdiges Gesicht vor
uns bekamen.

Der Obrist sahe sie mit öftern Seufzern, mit zu-
sammengeschlagenen Armen, und mit der stärksten
und ergebensten Aufmerksamkeit starre an: bis er
sich endlich, da sie zusammenfuhr, und mit größe-
rer Schwierigkeit als vorher ihren Athem ausstieß,
an eine spanische Wand begab, die vor ihr Haus,
wie sie es nennt, welches, wie ich vorher gedacht

habe,



ihren durch einander gehenden Adern von einem
mehr durchſcheinenden Blau, als ich jemals ſelbſt an
den ihrigen geſehen hatte; Adern, die leider! ſo bald
durch Gefrierung des Purpurſtromes, der ſchon itzo
ſo matt durch dieſelben vielmehr kriechet, als flie-
ßet, verſtopft werden ſollen; ihre Haͤnde hingen
leblos, eine vor ihr, die andere von der rechten
Hand der guͤtigen Witwe umfaſſet, deren Thraͤnen
das anmuthreiche Geſicht, welches ihr muͤtterlicher
Buſem ſtuͤtzte, bethaueten, ob es die ſchlafende
Schoͤne gleich nicht fuͤhlte, und die gute Frau ſelbſt
entweder auch nicht merkte, oder die Fraͤulein da-
durch nicht ſtoͤren wollte, daß ſie ſie abwiſchte, oder
ihre Stellung veraͤnderte. Sie ſahe auf eine an-
genehme Art, ruhig und heiter aus: und ob ſie
gleich bisweilen zuſammenfuhr; ſo ſchien doch ihr
Schlaf geruhig. Jhr Athem war allerdings
kurz und geſchwinde: aber noch ziemlich frey, und
nicht ſo, wie er bey einer Sterbenden zu ſeyn
pflegt.

Jn dieſer ruͤhrenden Stellung und Beſchaf-
fenheit fiel ſie uns in die Augen, als wir uns zu
ihr naheten, und ihr liebenswuͤrdiges Geſicht vor
uns bekamen.

Der Obriſt ſahe ſie mit oͤftern Seufzern, mit zu-
ſammengeſchlagenen Armen, und mit der ſtaͤrkſten
und ergebenſten Aufmerkſamkeit ſtarre an: bis er
ſich endlich, da ſie zuſammenfuhr, und mit groͤße-
rer Schwierigkeit als vorher ihren Athem ausſtieß,
an eine ſpaniſche Wand begab, die vor ihr Haus,
wie ſie es nennt, welches, wie ich vorher gedacht

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[426/0432] ihren durch einander gehenden Adern von einem mehr durchſcheinenden Blau, als ich jemals ſelbſt an den ihrigen geſehen hatte; Adern, die leider! ſo bald durch Gefrierung des Purpurſtromes, der ſchon itzo ſo matt durch dieſelben vielmehr kriechet, als flie- ßet, verſtopft werden ſollen; ihre Haͤnde hingen leblos, eine vor ihr, die andere von der rechten Hand der guͤtigen Witwe umfaſſet, deren Thraͤnen das anmuthreiche Geſicht, welches ihr muͤtterlicher Buſem ſtuͤtzte, bethaueten, ob es die ſchlafende Schoͤne gleich nicht fuͤhlte, und die gute Frau ſelbſt entweder auch nicht merkte, oder die Fraͤulein da- durch nicht ſtoͤren wollte, daß ſie ſie abwiſchte, oder ihre Stellung veraͤnderte. Sie ſahe auf eine an- genehme Art, ruhig und heiter aus: und ob ſie gleich bisweilen zuſammenfuhr; ſo ſchien doch ihr Schlaf geruhig. Jhr Athem war allerdings kurz und geſchwinde: aber noch ziemlich frey, und nicht ſo, wie er bey einer Sterbenden zu ſeyn pflegt. Jn dieſer ruͤhrenden Stellung und Beſchaf- fenheit fiel ſie uns in die Augen, als wir uns zu ihr naheten, und ihr liebenswuͤrdiges Geſicht vor uns bekamen. Der Obriſt ſahe ſie mit oͤftern Seufzern, mit zu- ſammengeſchlagenen Armen, und mit der ſtaͤrkſten und ergebenſten Aufmerkſamkeit ſtarre an: bis er ſich endlich, da ſie zuſammenfuhr, und mit groͤße- rer Schwierigkeit als vorher ihren Athem ausſtieß, an eine ſpaniſche Wand begab, die vor ihr Haus, wie ſie es nennt, welches, wie ich vorher gedacht habe,

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/432>, abgerufen am 22.11.2024.