Zeit zum Unwillen: und sie werden desto geneig- ter seyn mir zu glauben, wenn ich sie versichern kann - - Sie sahe hiebey auf mich - - daß so gar dasjenige, woran ich mein größtes Vergnügen gefunden habe, die wahrhaftig freundschaftliche Lie- be, welche so lange zwischen meiner Fräulein Howe und ihrer Clarissa gedauret hat, ob sie gleich bis an den Augenblick, da ich den letzten Athem hoh- len werde, mir unter allem, was in diesem Leben theuer und werth ist, das liebste seyn wird, schon vieles von dem Feuer verlohren, schon einem höhern Feuer Platz gegeben habe. Soll denn die Erinnerung an die Beleidigungen meiner Per- son, die mir von Herrn Lovelacen widerfahren sind, und Gott sey Dank, niemals das Gemüth, welches an ihrer Freundschaft so viel Vergnügen fand, verderbet haben, in diesen Stunden stärker bey mir seyn, als die Erinnerung einer so reinen Liebe, als sich jemals ein menschliches Herz zu rühmen gehabt hat? Sagen sie also der Welt, wo es ihnen beliebt, und sagen sie, Herr Belford, wo sie das, was ich ihnen vorher sagte, nicht für stark genug halten, sagen sie dem armen Men- schen, daß ich ihm nicht allein vergebe, sondern seiner Seele, und zwar in Betrachtung ihrer Un- sterblichkeit, mit solchem Ernst wohl wünsche, daß, wenn meine Buße für mehrere, als für mei- ne eigne Sünden dienen könnte, meine letzte Thrä- ne für eben denjenigen, durch den ich sterbe, nie- derfließen sollte.
Unsere
Zeit zum Unwillen: und ſie werden deſto geneig- ter ſeyn mir zu glauben, wenn ich ſie verſichern kann ‒ ‒ Sie ſahe hiebey auf mich ‒ ‒ daß ſo gar dasjenige, woran ich mein groͤßtes Vergnuͤgen gefunden habe, die wahrhaftig freundſchaftliche Lie- be, welche ſo lange zwiſchen meiner Fraͤulein Howe und ihrer Clariſſa gedauret hat, ob ſie gleich bis an den Augenblick, da ich den letzten Athem hoh- len werde, mir unter allem, was in dieſem Leben theuer und werth iſt, das liebſte ſeyn wird, ſchon vieles von dem Feuer verlohren, ſchon einem hoͤhern Feuer Platz gegeben habe. Soll denn die Erinnerung an die Beleidigungen meiner Per- ſon, die mir von Herrn Lovelacen widerfahren ſind, und Gott ſey Dank, niemals das Gemuͤth, welches an ihrer Freundſchaft ſo viel Vergnuͤgen fand, verderbet haben, in dieſen Stunden ſtaͤrker bey mir ſeyn, als die Erinnerung einer ſo reinen Liebe, als ſich jemals ein menſchliches Herz zu ruͤhmen gehabt hat? Sagen ſie alſo der Welt, wo es ihnen beliebt, und ſagen ſie, Herr Belford, wo ſie das, was ich ihnen vorher ſagte, nicht fuͤr ſtark genug halten, ſagen ſie dem armen Men- ſchen, daß ich ihm nicht allein vergebe, ſondern ſeiner Seele, und zwar in Betrachtung ihrer Un- ſterblichkeit, mit ſolchem Ernſt wohl wuͤnſche, daß, wenn meine Buße fuͤr mehrere, als fuͤr mei- ne eigne Suͤnden dienen koͤnnte, meine letzte Thraͤ- ne fuͤr eben denjenigen, durch den ich ſterbe, nie- derfließen ſollte.
Unſere
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Zeit zum Unwillen: und ſie werden deſto geneig-
ter ſeyn mir zu glauben, wenn ich ſie verſichern
kann ‒ ‒ Sie ſahe hiebey auf mich ‒ ‒ daß ſo
gar dasjenige, woran ich mein groͤßtes Vergnuͤgen
gefunden habe, die wahrhaftig freundſchaftliche Lie-
be, welche ſo lange zwiſchen meiner Fraͤulein Howe
und ihrer Clariſſa gedauret hat, ob ſie gleich bis
an den Augenblick, da ich den letzten Athem hoh-
len werde, mir unter allem, was in dieſem Leben
theuer und werth iſt, das liebſte ſeyn wird, ſchon
vieles von dem Feuer verlohren, ſchon einem
hoͤhern Feuer Platz gegeben habe. Soll denn
die Erinnerung an die Beleidigungen meiner Per-
ſon, die mir von Herrn Lovelacen widerfahren
ſind, und Gott ſey Dank, niemals das Gemuͤth,
welches an ihrer Freundſchaft ſo viel Vergnuͤgen
fand, verderbet haben, in dieſen Stunden ſtaͤrker
bey mir ſeyn, als die Erinnerung einer ſo reinen
Liebe, als ſich jemals ein menſchliches Herz zu
ruͤhmen gehabt hat? Sagen ſie alſo der Welt,
wo es ihnen beliebt, und ſagen ſie, Herr Belford,
wo ſie das, was ich ihnen vorher ſagte, nicht fuͤr
ſtark genug halten, ſagen ſie dem armen Men-
ſchen, daß ich ihm nicht allein vergebe, ſondern
ſeiner Seele, und zwar in Betrachtung ihrer Un-
ſterblichkeit, mit ſolchem Ernſt wohl wuͤnſche,
daß, wenn meine Buße fuͤr mehrere, als fuͤr mei-
ne eigne Suͤnden dienen koͤnnte, meine letzte Thraͤ-
ne fuͤr eben denjenigen, durch den ich ſterbe, nie-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/402>, abgerufen am 25.11.2024.
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