Fräulein Howe hat großen Verstand, feine Be- urtheilungskraft und erhabne Großmuth: und kann eine solche Person unter den Verbindlichkei- ten, welche ihr seine beständige Bemühung und Gefälligkeit auflegen wird, wann er so glücklich seyn soll, sie die seinige zu nennen, wohl undankbar oder unempfindlich seyn?
Was mich anlanget: so ist niemals eine Braut so bereit gewesen, als ich bin. Meine Hochzeits- kleider sind gekaufet - - Und ob sie gleich nicht fein sind, oder in die Augen scheinen; ob sie gleich nicht mit Edelgesteinen geschmücket und mit Gold und Silber besetzet sind; denn ich habe niemand, der mich sehen sollte, und in dessen Augen ich zu glänzen wünschte: so werden sie doch die bequem- sten, die glücklichsten Kleider seyn, die jemals eine Jungfer an ihrem Hochzeitstage getragen hat - - Denn sie sind von der Beschaffenheit, daß sie eine Sicherheit gegen alle die Beängsti- gungen, Schmerzen und Unruhen, welche biswei- len auf den hoffnungsvollesten Hervortritt folgen, mit sich führen.
Und nunmehr, meine werthe Fr. Norton, wünsche ich nichts anders.
O beschleunige, gnädiger Gott, wo es dein heiliger Wille ist, den glücklichen Augenblick, da ich mit diesem erwünschten Gewand, das alles in Ruhe setzen wird, ausgeschmücket werden soll, und erhalte, tröste, segne, und bedecke mit den schatten- reichen Flügeln deiner Gnade meine liebe Eltern, meine Onkels, meinen Bruder, meine Schwester,
meinen
Fraͤulein Howe hat großen Verſtand, feine Be- urtheilungskraft und erhabne Großmuth: und kann eine ſolche Perſon unter den Verbindlichkei- ten, welche ihr ſeine beſtaͤndige Bemuͤhung und Gefaͤlligkeit auflegen wird, wann er ſo gluͤcklich ſeyn ſoll, ſie die ſeinige zu nennen, wohl undankbar oder unempfindlich ſeyn?
Was mich anlanget: ſo iſt niemals eine Braut ſo bereit geweſen, als ich bin. Meine Hochzeits- kleider ſind gekaufet ‒ ‒ Und ob ſie gleich nicht fein ſind, oder in die Augen ſcheinen; ob ſie gleich nicht mit Edelgeſteinen geſchmuͤcket und mit Gold und Silber beſetzet ſind; denn ich habe niemand, der mich ſehen ſollte, und in deſſen Augen ich zu glaͤnzen wuͤnſchte: ſo werden ſie doch die bequem- ſten, die gluͤcklichſten Kleider ſeyn, die jemals eine Jungfer an ihrem Hochzeitstage getragen hat ‒ ‒ Denn ſie ſind von der Beſchaffenheit, daß ſie eine Sicherheit gegen alle die Beaͤngſti- gungen, Schmerzen und Unruhen, welche biswei- len auf den hoffnungsvolleſten Hervortritt folgen, mit ſich fuͤhren.
Und nunmehr, meine werthe Fr. Norton, wuͤnſche ich nichts anders.
O beſchleunige, gnaͤdiger Gott, wo es dein heiliger Wille iſt, den gluͤcklichen Augenblick, da ich mit dieſem erwuͤnſchten Gewand, das alles in Ruhe ſetzen wird, ausgeſchmuͤcket werden ſoll, und erhalte, troͤſte, ſegne, und bedecke mit den ſchatten- reichen Fluͤgeln deiner Gnade meine liebe Eltern, meine Onkels, meinen Bruder, meine Schweſter,
meinen
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Fraͤulein Howe hat großen Verſtand, feine Be-
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kann eine ſolche Perſon unter den Verbindlichkei-
ten, welche ihr ſeine beſtaͤndige Bemuͤhung und
Gefaͤlligkeit auflegen wird, wann er ſo gluͤcklich
ſeyn ſoll, ſie die ſeinige zu nennen, wohl undankbar
oder unempfindlich ſeyn?
Was mich anlanget: ſo iſt niemals eine Braut
ſo bereit geweſen, als ich bin. Meine Hochzeits-
kleider ſind gekaufet ‒ ‒ Und ob ſie gleich nicht
fein ſind, oder in die Augen ſcheinen; ob ſie gleich
nicht mit Edelgeſteinen geſchmuͤcket und mit Gold
und Silber beſetzet ſind; denn ich habe niemand,
der mich ſehen ſollte, und in deſſen Augen ich zu
glaͤnzen wuͤnſchte: ſo werden ſie doch die bequem-
ſten, die gluͤcklichſten Kleider ſeyn, die jemals
eine Jungfer an ihrem Hochzeitstage getragen
hat ‒ ‒ Denn ſie ſind von der Beſchaffenheit,
daß ſie eine Sicherheit gegen alle die Beaͤngſti-
gungen, Schmerzen und Unruhen, welche biswei-
len auf den hoffnungsvolleſten Hervortritt folgen,
mit ſich fuͤhren.
Und nunmehr, meine werthe Fr. Norton,
wuͤnſche ich nichts anders.
O beſchleunige, gnaͤdiger Gott, wo es dein
heiliger Wille iſt, den gluͤcklichen Augenblick, da
ich mit dieſem erwuͤnſchten Gewand, das alles in
Ruhe ſetzen wird, ausgeſchmuͤcket werden ſoll, und
erhalte, troͤſte, ſegne, und bedecke mit den ſchatten-
reichen Fluͤgeln deiner Gnade meine liebe Eltern,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/392>, abgerufen am 22.11.2024.
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