Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



mand leiden, der die Liebe mit ihm theile.
Durch mancherley Wege tödtet er alle andre Em-
pfindungen, oder verschlinget sie vielmehr in der
Liebe gegen Jhn.

Nichts desto weniger werde ich Sie lieben,
meine werthe Mamma Norton: und auch meine
Fräulein Howe, deren Liebe gegen mich bis an
meine letzte Stunde der Frauen Liebe über-
troffen hat!
- - Dennoch aber bin ich über die
lebhafte Empfindung solcher Vergnügungen, die
mich vormals am meisten ergötzeten, hinaus:
und ich sage noch einmal, daß ich Personen, die
mir so werth sind, nicht zu sehen wünsche, als
welche mich wieder zum Gefühl bringen, an mei-
ner höchsten Liebe Theil nehmen möchten.



Zweymal bin ich genöthigt gewesen, abzubre-
chen. Jch habe gewünschet, daß mein letztes
Schreiben an Sie, oder an Fräulein Howe ge-
richtet seyn möchte, wo nicht an meine wertheste
Mu - -

Mutter habe ich schreiben wollen - - Jst
das Wort leserlich? - - Meine Augen sind so
benebelt! - - Wo ich mit halben Worten abbre-
che, wenn ich mich an Sie wende: so ergänzen Sie
dieselben - - Die liebreichsten Worte kommen
Jhnen zu - - Gewiß, nehmen Sie die liebreich-
sten Worte, die Lücken auszufüllen, wo Lücken
da sind - -

Noch



mand leiden, der die Liebe mit ihm theile.
Durch mancherley Wege toͤdtet er alle andre Em-
pfindungen, oder verſchlinget ſie vielmehr in der
Liebe gegen Jhn.

Nichts deſto weniger werde ich Sie lieben,
meine werthe Mamma Norton: und auch meine
Fraͤulein Howe, deren Liebe gegen mich bis an
meine letzte Stunde der Frauen Liebe uͤber-
troffen hat!
‒ ‒ Dennoch aber bin ich uͤber die
lebhafte Empfindung ſolcher Vergnuͤgungen, die
mich vormals am meiſten ergoͤtzeten, hinaus:
und ich ſage noch einmal, daß ich Perſonen, die
mir ſo werth ſind, nicht zu ſehen wuͤnſche, als
welche mich wieder zum Gefuͤhl bringen, an mei-
ner hoͤchſten Liebe Theil nehmen moͤchten.



Zweymal bin ich genoͤthigt geweſen, abzubre-
chen. Jch habe gewuͤnſchet, daß mein letztes
Schreiben an Sie, oder an Fraͤulein Howe ge-
richtet ſeyn moͤchte, wo nicht an meine wertheſte
Mu ‒ ‒

Mutter habe ich ſchreiben wollen ‒ ‒ Jſt
das Wort leſerlich? ‒ ‒ Meine Augen ſind ſo
benebelt! ‒ ‒ Wo ich mit halben Worten abbre-
che, wenn ich mich an Sie wende: ſo ergaͤnzen Sie
dieſelben ‒ ‒ Die liebreichſten Worte kommen
Jhnen zu ‒ ‒ Gewiß, nehmen Sie die liebreich-
ſten Worte, die Luͤcken auszufuͤllen, wo Luͤcken
da ſind ‒ ‒

Noch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0390" n="384"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#fr">mand leiden, der die Liebe mit ihm theile.</hi><lb/>
Durch mancherley Wege to&#x0364;dtet er alle andre Em-<lb/>
pfindungen, oder ver&#x017F;chlinget &#x017F;ie vielmehr in der<lb/>
Liebe gegen Jhn.</p><lb/>
          <p>Nichts de&#x017F;to weniger werde ich <hi rendition="#fr">Sie</hi> lieben,<lb/>
meine werthe Mamma Norton: und auch meine<lb/>
Fra&#x0364;ulein Howe, deren Liebe gegen mich bis an<lb/>
meine letzte Stunde <hi rendition="#fr">der Frauen Liebe u&#x0364;ber-<lb/>
troffen hat!</hi> &#x2012; &#x2012; Dennoch aber bin ich u&#x0364;ber die<lb/>
lebhafte Empfindung &#x017F;olcher Vergnu&#x0364;gungen, die<lb/>
mich vormals am mei&#x017F;ten ergo&#x0364;tzeten, hinaus:<lb/>
und ich &#x017F;age noch einmal, daß ich Per&#x017F;onen, die<lb/>
mir &#x017F;o werth &#x017F;ind, nicht zu &#x017F;ehen wu&#x0364;n&#x017F;che, als<lb/>
welche mich wieder zum Gefu&#x0364;hl bringen, an mei-<lb/>
ner <hi rendition="#fr">ho&#x0364;ch&#x017F;ten Liebe</hi> Theil nehmen mo&#x0364;chten.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Zweymal bin ich geno&#x0364;thigt gewe&#x017F;en, abzubre-<lb/>
chen. Jch <hi rendition="#fr">habe gewu&#x0364;n&#x017F;chet,</hi> daß mein letztes<lb/>
Schreiben an Sie, oder an Fra&#x0364;ulein Howe ge-<lb/>
richtet &#x017F;eyn mo&#x0364;chte, wo nicht an meine werthe&#x017F;te<lb/>
Mu &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Mutter</hi> habe ich &#x017F;chreiben wollen &#x2012; &#x2012; J&#x017F;t<lb/>
das Wort le&#x017F;erlich? &#x2012; &#x2012; Meine Augen &#x017F;ind <hi rendition="#fr">&#x017F;o</hi><lb/>
benebelt! &#x2012; &#x2012; Wo ich mit halben Worten abbre-<lb/>
che, wenn ich mich an Sie wende: &#x017F;o erga&#x0364;nzen Sie<lb/>
die&#x017F;elben &#x2012; &#x2012; Die liebreich&#x017F;ten Worte kommen<lb/>
Jhnen zu &#x2012; &#x2012; Gewiß, nehmen Sie die liebreich-<lb/>
&#x017F;ten Worte, die Lu&#x0364;cken auszufu&#x0364;llen, wo Lu&#x0364;cken<lb/>
da &#x017F;ind &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Noch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[384/0390] mand leiden, der die Liebe mit ihm theile. Durch mancherley Wege toͤdtet er alle andre Em- pfindungen, oder verſchlinget ſie vielmehr in der Liebe gegen Jhn. Nichts deſto weniger werde ich Sie lieben, meine werthe Mamma Norton: und auch meine Fraͤulein Howe, deren Liebe gegen mich bis an meine letzte Stunde der Frauen Liebe uͤber- troffen hat! ‒ ‒ Dennoch aber bin ich uͤber die lebhafte Empfindung ſolcher Vergnuͤgungen, die mich vormals am meiſten ergoͤtzeten, hinaus: und ich ſage noch einmal, daß ich Perſonen, die mir ſo werth ſind, nicht zu ſehen wuͤnſche, als welche mich wieder zum Gefuͤhl bringen, an mei- ner hoͤchſten Liebe Theil nehmen moͤchten. Zweymal bin ich genoͤthigt geweſen, abzubre- chen. Jch habe gewuͤnſchet, daß mein letztes Schreiben an Sie, oder an Fraͤulein Howe ge- richtet ſeyn moͤchte, wo nicht an meine wertheſte Mu ‒ ‒ Mutter habe ich ſchreiben wollen ‒ ‒ Jſt das Wort leſerlich? ‒ ‒ Meine Augen ſind ſo benebelt! ‒ ‒ Wo ich mit halben Worten abbre- che, wenn ich mich an Sie wende: ſo ergaͤnzen Sie dieſelben ‒ ‒ Die liebreichſten Worte kommen Jhnen zu ‒ ‒ Gewiß, nehmen Sie die liebreich- ſten Worte, die Luͤcken auszufuͤllen, wo Luͤcken da ſind ‒ ‒ Noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/390
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/390>, abgerufen am 22.11.2024.