mir die Kraft genommen zu spatzieren: darauf nahm ich eine Kutsche - - Eine Kutsche ward mir auch eine allzu heftige Bewegung: also nahm ich hernach eine Sänfte. - - Das Gefängniß war ein weiter Schritt, den der Tod auf mich zu that. - - Jch würde sonst länger ausgehal- ten haben! - - Nach diesem war ich nicht mehr im Stande zur Kirche zu gehen; hierauf nicht mehr die Treppen auf oder nieder zu steigen: Nun kann ich kaum aus einem Zimmer in das andere kommen; und bald wird noch ein klei- nerer Raum mich einschließen - - Meine Au- gen fangen an, mich zu verlassen, so daß ich bis- weilen nicht sehen kann, recht genau zu lesen: und itzo kann ich kaum schreiben, oder eine Feder hal- ten. - - Das nächste wird vermuthlich nun seyn, daß ich niemand kennen und keinem von ihnen al- len Dank zu sagen vermögend seyn werde: daher danke ich ihnen itzo noch einmal, Fr. Lovick, und ihnen, Fr. Smithinn, und ihnen, Herr Belford, da ich ihnen noch danken kann, für alle ihre Gü- te gegen mich. Und so ertödtet Gott nach und nach, wie ich sagen mag, bey einem so allmähligen Tode, als mir gnädigst gegönnet ist, alle mensch- liche Vergnügungen, damit er seine arme Geschö- pfe Jhm selbst unterwürfig mache.
Du kannst leicht erachten, wie wir alle bey dieser nachdrücklichen Erzählung des allmähligen Fortganges in ihrer Schwachheit gerührt wur- den. Wir hörten sie mit nassen Augen: denn ich konnte mich theils bey dem Beyspiel, das ich
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mir die Kraft genommen zu ſpatzieren: darauf nahm ich eine Kutſche ‒ ‒ Eine Kutſche ward mir auch eine allzu heftige Bewegung: alſo nahm ich hernach eine Saͤnfte. ‒ ‒ Das Gefaͤngniß war ein weiter Schritt, den der Tod auf mich zu that. ‒ ‒ Jch wuͤrde ſonſt laͤnger ausgehal- ten haben! ‒ ‒ Nach dieſem war ich nicht mehr im Stande zur Kirche zu gehen; hierauf nicht mehr die Treppen auf oder nieder zu ſteigen: Nun kann ich kaum aus einem Zimmer in das andere kommen; und bald wird noch ein klei- nerer Raum mich einſchließen ‒ ‒ Meine Au- gen fangen an, mich zu verlaſſen, ſo daß ich bis- weilen nicht ſehen kann, recht genau zu leſen: und itzo kann ich kaum ſchreiben, oder eine Feder hal- ten. ‒ ‒ Das naͤchſte wird vermuthlich nun ſeyn, daß ich niemand kennen und keinem von ihnen al- len Dank zu ſagen vermoͤgend ſeyn werde: daher danke ich ihnen itzo noch einmal, Fr. Lovick, und ihnen, Fr. Smithinn, und ihnen, Herr Belford, da ich ihnen noch danken kann, fuͤr alle ihre Guͤ- te gegen mich. Und ſo ertoͤdtet Gott nach und nach, wie ich ſagen mag, bey einem ſo allmaͤhligen Tode, als mir gnaͤdigſt gegoͤnnet iſt, alle menſch- liche Vergnuͤgungen, damit er ſeine arme Geſchoͤ- pfe Jhm ſelbſt unterwuͤrfig mache.
Du kannſt leicht erachten, wie wir alle bey dieſer nachdruͤcklichen Erzaͤhlung des allmaͤhligen Fortganges in ihrer Schwachheit geruͤhrt wur- den. Wir hoͤrten ſie mit naſſen Augen: denn ich konnte mich theils bey dem Beyſpiel, das ich
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war ein weiter Schritt, den der Tod auf mich
zu that. ‒ ‒ Jch wuͤrde ſonſt laͤnger ausgehal-
ten haben! ‒ ‒ Nach dieſem war ich nicht mehr
im Stande zur Kirche zu gehen; hierauf nicht
mehr die Treppen auf oder nieder zu ſteigen:
Nun kann ich kaum aus einem Zimmer in das
andere kommen; und bald wird noch ein klei-
nerer Raum mich einſchließen ‒ ‒ Meine Au-
gen fangen an, mich zu verlaſſen, ſo daß ich bis-
weilen nicht ſehen kann, recht genau zu leſen: und
itzo kann ich kaum ſchreiben, oder eine Feder hal-
ten. ‒ ‒ Das naͤchſte wird vermuthlich nun ſeyn,
daß ich niemand kennen und keinem von ihnen al-
len Dank zu ſagen vermoͤgend ſeyn werde: daher
danke ich ihnen itzo noch einmal, Fr. Lovick, und
ihnen, Fr. Smithinn, und ihnen, Herr Belford,
da ich ihnen noch danken kann, fuͤr alle ihre Guͤ-
te gegen mich. Und ſo ertoͤdtet Gott nach und
nach, wie ich ſagen mag, bey einem ſo allmaͤhligen
Tode, als mir gnaͤdigſt gegoͤnnet iſt, alle menſch-
liche Vergnuͤgungen, damit er ſeine arme Geſchoͤ-
pfe Jhm ſelbſt unterwuͤrfig mache.
Du kannſt leicht erachten, wie wir alle bey
dieſer nachdruͤcklichen Erzaͤhlung des allmaͤhligen
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/383>, abgerufen am 25.11.2024.
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