Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



kunft zu ersparen; wofern sie nur etwa einen von
derselben mit Jhrem und Jhrer Fr. Gemahlinn
letzten Segen an die vortrefflichste Fräulein in
der Welt eiligst absenden.

Jch habe einige Ursache zu glauben, mein
Herr, daß sie Jhnen ganz anders abgeschildert ist,
als ihr Bild wirklich aussiehet. Und dieß ist es,
was mich beweget, Jhnen zu melden, daß ich aus
den sichersten Gründen sie in aller ihrer Auffüh-
rung, die vor meinen Augen vorgegangen, oder
mir zu Ohren gekommen ist, schlechterdings für
untadelhast halte, und der Meynung bin, daß
selbst ihre Unglücksfälle, durch ihre Anwendung
derselben, durch die Gedult und Ergebung, wo-
mit sie sich in einer schmerzlichen, zehrenden und
niederschlagenden Abnahme des Körpers unter-
hält, und durch den unerschrockenen Muth, wo-
mit sie ihrer herannahenden Auflösung entgegen
sieht, ihr zu einem Ruhme, und allen, die mit ihr
in Verwandtschaft stehen, zu einer Ehre gewor-
den sind: sonderlich da alle diese Tugenden a[us]
richtigen Bewegungsgründen bey ihr entsteh[en;]
aus Bewegungsgründen, mit welchen sich ein [Hei-]
liger im Tode rühmen möchte.

Sie weiß nicht, daß ich schreibe. Jch [muß]
jedoch gestehen, daß ich mich vor einigen Tagen [und]
zwar mit der inständigsten Bitte um ihre Erl[aub-]
niß, dazu erboten habe. Sie schlug [es] mir a[uch]
nicht aus Hartnäckigkeit ab - - Sie scheint ni[cht]
zu wissen, was Hartnäckigkeit sey - - Allein s[ie]
bat mich, daß ich nur zween Tage Anstand nehme[n]

möchte,



kunft zu erſparen; wofern ſie nur etwa einen von
derſelben mit Jhrem und Jhrer Fr. Gemahlinn
letzten Segen an die vortrefflichſte Fraͤulein in
der Welt eiligſt abſenden.

Jch habe einige Urſache zu glauben, mein
Herr, daß ſie Jhnen ganz anders abgeſchildert iſt,
als ihr Bild wirklich ausſiehet. Und dieß iſt es,
was mich beweget, Jhnen zu melden, daß ich aus
den ſicherſten Gruͤnden ſie in aller ihrer Auffuͤh-
rung, die vor meinen Augen vorgegangen, oder
mir zu Ohren gekommen iſt, ſchlechterdings fuͤr
untadelhaſt halte, und der Meynung bin, daß
ſelbſt ihre Ungluͤcksfaͤlle, durch ihre Anwendung
derſelben, durch die Gedult und Ergebung, wo-
mit ſie ſich in einer ſchmerzlichen, zehrenden und
niederſchlagenden Abnahme des Koͤrpers unter-
haͤlt, und durch den unerſchrockenen Muth, wo-
mit ſie ihrer herannahenden Aufloͤſung entgegen
ſieht, ihr zu einem Ruhme, und allen, die mit ihr
in Verwandtſchaft ſtehen, zu einer Ehre gewor-
den ſind: ſonderlich da alle dieſe Tugenden a[us]
richtigen Bewegungsgruͤnden bey ihr entſteh[en;]
aus Bewegungsgruͤnden, mit welchen ſich ein [Hei-]
liger im Tode ruͤhmen moͤchte.

Sie weiß nicht, daß ich ſchreibe. Jch [muß]
jedoch geſtehen, daß ich mich vor einigen Tagen [und]
zwar mit der inſtaͤndigſten Bitte um ihre Erl[aub-]
niß, dazu erboten habe. Sie ſchlug [es] mir a[uch]
nicht aus Hartnaͤckigkeit ab ‒ ‒ Sie ſcheint ni[cht]
zu wiſſen, was Hartnaͤckigkeit ſey ‒ ‒ Allein ſ[ie]
bat mich, daß ich nur zween Tage Anſtand nehme[n]

moͤchte,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0369" n="363"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
kunft zu er&#x017F;paren; wofern &#x017F;ie nur etwa einen von<lb/>
der&#x017F;elben mit Jhrem und Jhrer Fr. Gemahlinn<lb/>
letzten Segen an die vortrefflich&#x017F;te Fra&#x0364;ulein in<lb/>
der Welt eilig&#x017F;t ab&#x017F;enden.</p><lb/>
          <p>Jch habe einige Ur&#x017F;ache zu glauben, mein<lb/>
Herr, daß &#x017F;ie Jhnen ganz anders abge&#x017F;childert i&#x017F;t,<lb/>
als ihr Bild wirklich aus&#x017F;iehet. Und dieß i&#x017F;t es,<lb/>
was mich beweget, Jhnen zu melden, daß ich aus<lb/>
den &#x017F;icher&#x017F;ten Gru&#x0364;nden &#x017F;ie in aller ihrer Auffu&#x0364;h-<lb/>
rung, die vor meinen Augen vorgegangen, oder<lb/>
mir zu Ohren gekommen i&#x017F;t, &#x017F;chlechterdings fu&#x0364;r<lb/>
untadelha&#x017F;t halte, und der Meynung bin, daß<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ihre Unglu&#x0364;cksfa&#x0364;lle, durch ihre Anwendung<lb/>
der&#x017F;elben, durch die Gedult und Ergebung, wo-<lb/>
mit &#x017F;ie &#x017F;ich in einer &#x017F;chmerzlichen, zehrenden und<lb/>
nieder&#x017F;chlagenden Abnahme des Ko&#x0364;rpers unter-<lb/>
ha&#x0364;lt, und durch den uner&#x017F;chrockenen Muth, wo-<lb/>
mit &#x017F;ie ihrer herannahenden Auflo&#x0364;&#x017F;ung entgegen<lb/>
&#x017F;ieht, ihr zu einem Ruhme, und allen, die mit ihr<lb/>
in Verwandt&#x017F;chaft &#x017F;tehen, zu einer Ehre gewor-<lb/>
den &#x017F;ind: &#x017F;onderlich da alle die&#x017F;e Tugenden a<supplied>us</supplied><lb/>
richtigen Bewegungsgru&#x0364;nden bey ihr ent&#x017F;teh<supplied>en;</supplied><lb/>
aus Bewegungsgru&#x0364;nden, mit welchen &#x017F;ich ein <supplied>Hei-</supplied><lb/>
liger im Tode ru&#x0364;hmen mo&#x0364;chte.</p><lb/>
          <p>Sie weiß nicht, daß ich &#x017F;chreibe. Jch <supplied>muß</supplied><lb/>
jedoch ge&#x017F;tehen, daß ich mich vor einigen Tagen <supplied>und</supplied><lb/>
zwar mit der in&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;ten Bitte um ihre Erl<supplied>aub-</supplied><lb/>
niß, dazu erboten habe. Sie &#x017F;chlug <supplied>es</supplied> mir a<supplied>uch</supplied><lb/>
nicht aus Hartna&#x0364;ckigkeit ab &#x2012; &#x2012; Sie &#x017F;cheint ni<supplied>cht</supplied><lb/>
zu wi&#x017F;&#x017F;en, was Hartna&#x0364;ckigkeit &#x017F;ey &#x2012; &#x2012; Allein &#x017F;<supplied>ie</supplied><lb/>
bat mich, daß ich nur zween Tage An&#x017F;tand nehme<supplied>n</supplied><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mo&#x0364;chte,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[363/0369] kunft zu erſparen; wofern ſie nur etwa einen von derſelben mit Jhrem und Jhrer Fr. Gemahlinn letzten Segen an die vortrefflichſte Fraͤulein in der Welt eiligſt abſenden. Jch habe einige Urſache zu glauben, mein Herr, daß ſie Jhnen ganz anders abgeſchildert iſt, als ihr Bild wirklich ausſiehet. Und dieß iſt es, was mich beweget, Jhnen zu melden, daß ich aus den ſicherſten Gruͤnden ſie in aller ihrer Auffuͤh- rung, die vor meinen Augen vorgegangen, oder mir zu Ohren gekommen iſt, ſchlechterdings fuͤr untadelhaſt halte, und der Meynung bin, daß ſelbſt ihre Ungluͤcksfaͤlle, durch ihre Anwendung derſelben, durch die Gedult und Ergebung, wo- mit ſie ſich in einer ſchmerzlichen, zehrenden und niederſchlagenden Abnahme des Koͤrpers unter- haͤlt, und durch den unerſchrockenen Muth, wo- mit ſie ihrer herannahenden Aufloͤſung entgegen ſieht, ihr zu einem Ruhme, und allen, die mit ihr in Verwandtſchaft ſtehen, zu einer Ehre gewor- den ſind: ſonderlich da alle dieſe Tugenden aus richtigen Bewegungsgruͤnden bey ihr entſtehen; aus Bewegungsgruͤnden, mit welchen ſich ein Hei- liger im Tode ruͤhmen moͤchte. Sie weiß nicht, daß ich ſchreibe. Jch muß jedoch geſtehen, daß ich mich vor einigen Tagen und zwar mit der inſtaͤndigſten Bitte um ihre Erlaub- niß, dazu erboten habe. Sie ſchlug es mir auch nicht aus Hartnaͤckigkeit ab ‒ ‒ Sie ſcheint nicht zu wiſſen, was Hartnaͤckigkeit ſey ‒ ‒ Allein ſie bat mich, daß ich nur zween Tage Anſtand nehmen moͤchte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/369
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/369>, abgerufen am 25.11.2024.