seyn pflegte, ist itzo leidlich - - Mein Kopf ist unbetäubt, mein Verstand frey - - Jch denke, ich kann noch nicht im Sterben seyn - - Jch werde Todesangst haben, vermuthe ich - - das Leben wird nicht so ungemein leicht hinfahren, fürch- te ich - - Jedoch, wie gnädig ist der Allmächti- ge, daß er seiner armen Creatur eine so liebliche Heiterkeit verleihet! - - Dieß ist es, warum ich mein Gebeth zu ihm geschicket habe! - - Was für eine Aufmunterung, Fr. Lovick, bey so naher Auflösung, wenn man Ursache hat zu hoffen, daß das Gebeth, welches man gethan, erhöret sey!
Fr. Smithinn so wohl, als Fr. Lovick, waren bey ihr. Sie weinten beyde. Auch ich hatte eben so wenig, als sie, das Vermögen, ein Wort zur Antwort zu sagen. Gleichwohl sprach sie dieß alles so wohl, als das, was folget, mit einer erstaunlichen Fassung des Gemüths und Ge- sichtes.
Allein, Herr Belford, sagte sie mit einem noch munterern Wesen und Tone, erlauben sie mir ein wenig mit ihnen zu reden; weil ich so gut im Stande bin, das zu sagen, was ich zu sa- gen habe.
Fr. Lovick, gehen sie nicht von uns - - Denn die Frauensleute stunden auf und wollten wegge- hen - - Jch bitte, setzen sie sich: und sie auch, Fr. Smithinn, setzen sie sich nieder. - - Frau Schelbourne, nehme sie diesen Schlüssel und schließe den öbersten Schubkasten auf. Jch will zu demselben gehen.
Sie
ſeyn pflegte, iſt itzo leidlich ‒ ‒ Mein Kopf iſt unbetaͤubt, mein Verſtand frey ‒ ‒ Jch denke, ich kann noch nicht im Sterben ſeyn ‒ ‒ Jch werde Todesangſt haben, vermuthe ich ‒ ‒ das Leben wird nicht ſo ungemein leicht hinfahren, fuͤrch- te ich ‒ ‒ Jedoch, wie gnaͤdig iſt der Allmaͤchti- ge, daß er ſeiner armen Creatur eine ſo liebliche Heiterkeit verleihet! ‒ ‒ Dieß iſt es, warum ich mein Gebeth zu ihm geſchicket habe! ‒ ‒ Was fuͤr eine Aufmunterung, Fr. Lovick, bey ſo naher Aufloͤſung, wenn man Urſache hat zu hoffen, daß das Gebeth, welches man gethan, erhoͤret ſey!
Fr. Smithinn ſo wohl, als Fr. Lovick, waren bey ihr. Sie weinten beyde. Auch ich hatte eben ſo wenig, als ſie, das Vermoͤgen, ein Wort zur Antwort zu ſagen. Gleichwohl ſprach ſie dieß alles ſo wohl, als das, was folget, mit einer erſtaunlichen Faſſung des Gemuͤths und Ge- ſichtes.
Allein, Herr Belford, ſagte ſie mit einem noch munterern Weſen und Tone, erlauben ſie mir ein wenig mit ihnen zu reden; weil ich ſo gut im Stande bin, das zu ſagen, was ich zu ſa- gen habe.
Fr. Lovick, gehen ſie nicht von uns ‒ ‒ Denn die Frauensleute ſtunden auf und wollten wegge- hen ‒ ‒ Jch bitte, ſetzen ſie ſich: und ſie auch, Fr. Smithinn, ſetzen ſie ſich nieder. ‒ ‒ Frau Schelbourne, nehme ſie dieſen Schluͤſſel und ſchließe den oͤberſten Schubkaſten auf. Jch will zu demſelben gehen.
Sie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0357"n="351"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>ſeyn pflegte, iſt itzo leidlich ‒‒ Mein Kopf iſt<lb/>
unbetaͤubt, mein Verſtand frey ‒‒ Jch denke,<lb/>
ich kann noch nicht im Sterben ſeyn ‒‒ Jch<lb/>
werde Todesangſt haben, vermuthe ich ‒‒ das<lb/>
Leben wird nicht ſo ungemein leicht hinfahren, fuͤrch-<lb/>
te ich ‒‒ Jedoch, wie gnaͤdig iſt der Allmaͤchti-<lb/>
ge, daß er ſeiner armen Creatur eine ſo liebliche<lb/>
Heiterkeit verleihet! ‒‒ Dieß iſt es, warum ich<lb/>
mein Gebeth zu ihm geſchicket habe! ‒‒ Was<lb/>
fuͤr eine Aufmunterung, Fr. Lovick, bey ſo naher<lb/>
Aufloͤſung, wenn man Urſache hat zu hoffen, daß<lb/>
das Gebeth, welches man gethan, erhoͤret ſey!</p><lb/><p>Fr. Smithinn ſo wohl, als Fr. Lovick, waren<lb/>
bey ihr. Sie weinten beyde. Auch ich hatte<lb/>
eben ſo wenig, als ſie, das Vermoͤgen, ein Wort<lb/>
zur Antwort zu ſagen. Gleichwohl ſprach ſie<lb/>
dieß alles ſo wohl, als das, was folget, mit einer<lb/>
erſtaunlichen Faſſung des Gemuͤths und Ge-<lb/>ſichtes.</p><lb/><p>Allein, Herr Belford, ſagte ſie mit einem<lb/>
noch munterern Weſen und Tone, erlauben ſie<lb/>
mir ein wenig mit ihnen zu reden; weil ich ſo<lb/>
gut im Stande bin, das zu ſagen, was ich zu ſa-<lb/>
gen habe.</p><lb/><p>Fr. Lovick, gehen ſie nicht von uns ‒‒ Denn<lb/>
die Frauensleute ſtunden auf und wollten wegge-<lb/>
hen ‒‒ Jch bitte, ſetzen ſie ſich: und ſie auch,<lb/>
Fr. Smithinn, ſetzen ſie ſich nieder. ‒‒ Frau<lb/>
Schelbourne, nehme ſie dieſen Schluͤſſel und<lb/>ſchließe den oͤberſten Schubkaſten auf. Jch will<lb/>
zu demſelben gehen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sie</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[351/0357]
ſeyn pflegte, iſt itzo leidlich ‒ ‒ Mein Kopf iſt
unbetaͤubt, mein Verſtand frey ‒ ‒ Jch denke,
ich kann noch nicht im Sterben ſeyn ‒ ‒ Jch
werde Todesangſt haben, vermuthe ich ‒ ‒ das
Leben wird nicht ſo ungemein leicht hinfahren, fuͤrch-
te ich ‒ ‒ Jedoch, wie gnaͤdig iſt der Allmaͤchti-
ge, daß er ſeiner armen Creatur eine ſo liebliche
Heiterkeit verleihet! ‒ ‒ Dieß iſt es, warum ich
mein Gebeth zu ihm geſchicket habe! ‒ ‒ Was
fuͤr eine Aufmunterung, Fr. Lovick, bey ſo naher
Aufloͤſung, wenn man Urſache hat zu hoffen, daß
das Gebeth, welches man gethan, erhoͤret ſey!
Fr. Smithinn ſo wohl, als Fr. Lovick, waren
bey ihr. Sie weinten beyde. Auch ich hatte
eben ſo wenig, als ſie, das Vermoͤgen, ein Wort
zur Antwort zu ſagen. Gleichwohl ſprach ſie
dieß alles ſo wohl, als das, was folget, mit einer
erſtaunlichen Faſſung des Gemuͤths und Ge-
ſichtes.
Allein, Herr Belford, ſagte ſie mit einem
noch munterern Weſen und Tone, erlauben ſie
mir ein wenig mit ihnen zu reden; weil ich ſo
gut im Stande bin, das zu ſagen, was ich zu ſa-
gen habe.
Fr. Lovick, gehen ſie nicht von uns ‒ ‒ Denn
die Frauensleute ſtunden auf und wollten wegge-
hen ‒ ‒ Jch bitte, ſetzen ſie ſich: und ſie auch,
Fr. Smithinn, ſetzen ſie ſich nieder. ‒ ‒ Frau
Schelbourne, nehme ſie dieſen Schluͤſſel und
ſchließe den oͤberſten Schubkaſten auf. Jch will
zu demſelben gehen.
Sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/357>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.