"hätte sie ersucht, ihn nach seiner eignen Weise "mit Jhnen verfahren zu lassen, und, so werth sie "ihn hielte, ohne sein und Jhrer Onkels Wis- "sen keinen Schritt zu Jhrem Besten zu thun. Je- "doch gestand sie, daß diese sich alle zu viel von "Jhrem Bruder regieren ließen. Nichts desto "weniger würden sie mit der Zeit einer Aussöhnung "Raum lassen; das wüßte sie gewiß: sie hätten "keine andere Absicht; denn sie liebten Sie noch "alle.
"Jhr Bruder und Schwester, gestand sie, wä- "ren sehr eifersüchtig darüber, daß Sie wieder in "Gunst kommen sollten. Hätte inzwischen Herr "Morden sich nur halten, und die erste Hitze "ihres Sohnes ertragen können; ihres Sohnes, "der allezeit die Hoheit und Größe der Familie "zu seinem Augenmerk gehabt, und darüber seinen "Unwillen so hoch getrieben hätte, daß er nicht "wüßte, wie er sich wieder herablassen sollte: so "würden die Unterhandlungen, die eben itzo so "geschwinde auf einmal abgebrochen wären, ein "glücklicheres Ende gehabt haben; indem sie Ur- "sache hätte, zu gedenken, daß, wenn Sie in Ab- "sicht auf Jhres Großvaters Gut etwas weniges "zugestanden, und Jhr Herr Vetter für die Un- "terwerfung, dazu Sie sich aus freyen Stücken "bequemen sollten, gut gesagt hätte, sie hiedurch "alle besänftigt worden seyn würden.
"Herrn Brands Nachricht von Jhrem ver- "trauten Umgange mit dem Freunde des verruch- "ten Mannes, sagte sie, hätte noch zur Zeit sehr
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„haͤtte ſie erſucht, ihn nach ſeiner eignen Weiſe „mit Jhnen verfahren zu laſſen, und, ſo werth ſie „ihn hielte, ohne ſein und Jhrer Onkels Wiſ- „ſen keinen Schritt zu Jhrem Beſten zu thun. Je- „doch geſtand ſie, daß dieſe ſich alle zu viel von „Jhrem Bruder regieren ließen. Nichts deſto „weniger wuͤrden ſie mit der Zeit einer Ausſoͤhnung „Raum laſſen; das wuͤßte ſie gewiß: ſie haͤtten „keine andere Abſicht; denn ſie liebten Sie noch „alle.
„Jhr Bruder und Schweſter, geſtand ſie, waͤ- „ren ſehr eiferſuͤchtig daruͤber, daß Sie wieder in „Gunſt kommen ſollten. Haͤtte inzwiſchen Herr „Morden ſich nur halten, und die erſte Hitze „ihres Sohnes ertragen koͤnnen; ihres Sohnes, „der allezeit die Hoheit und Groͤße der Familie „zu ſeinem Augenmerk gehabt, und daruͤber ſeinen „Unwillen ſo hoch getrieben haͤtte, daß er nicht „wuͤßte, wie er ſich wieder herablaſſen ſollte: ſo „wuͤrden die Unterhandlungen, die eben itzo ſo „geſchwinde auf einmal abgebrochen waͤren, ein „gluͤcklicheres Ende gehabt haben; indem ſie Ur- „ſache haͤtte, zu gedenken, daß, wenn Sie in Ab- „ſicht auf Jhres Großvaters Gut etwas weniges „zugeſtanden, und Jhr Herr Vetter fuͤr die Un- „terwerfung, dazu Sie ſich aus freyen Stuͤcken „bequemen ſollten, gut geſagt haͤtte, ſie hiedurch „alle beſaͤnftigt worden ſeyn wuͤrden.
„Herrn Brands Nachricht von Jhrem ver- „trauten Umgange mit dem Freunde des verruch- „ten Mannes, ſagte ſie, haͤtte noch zur Zeit ſehr
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„haͤtte ſie erſucht, ihn nach ſeiner eignen Weiſe
„mit Jhnen verfahren zu laſſen, und, ſo werth ſie
„ihn hielte, ohne ſein und Jhrer Onkels Wiſ-
„ſen keinen Schritt zu Jhrem Beſten zu thun. Je-
„doch geſtand ſie, daß dieſe ſich alle zu viel von
„Jhrem Bruder regieren ließen. Nichts deſto
„weniger wuͤrden ſie mit der Zeit einer Ausſoͤhnung
„Raum laſſen; das wuͤßte ſie gewiß: ſie haͤtten
„keine andere Abſicht; denn ſie liebten Sie noch
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„Jhr Bruder und Schweſter, geſtand ſie, waͤ-
„ren ſehr eiferſuͤchtig daruͤber, daß Sie wieder in
„Gunſt kommen ſollten. Haͤtte inzwiſchen Herr
„Morden ſich nur halten, und die erſte Hitze
„ihres Sohnes ertragen koͤnnen; ihres Sohnes,
„der allezeit die Hoheit und Groͤße der Familie
„zu ſeinem Augenmerk gehabt, und daruͤber ſeinen
„Unwillen ſo hoch getrieben haͤtte, daß er nicht
„wuͤßte, wie er ſich wieder herablaſſen ſollte: ſo
„wuͤrden die Unterhandlungen, die eben itzo ſo
„geſchwinde auf einmal abgebrochen waͤren, ein
„gluͤcklicheres Ende gehabt haben; indem ſie Ur-
„ſache haͤtte, zu gedenken, daß, wenn Sie in Ab-
„ſicht auf Jhres Großvaters Gut etwas weniges
„zugeſtanden, und Jhr Herr Vetter fuͤr die Un-
„terwerfung, dazu Sie ſich aus freyen Stuͤcken
„bequemen ſollten, gut geſagt haͤtte, ſie hiedurch
„alle beſaͤnftigt worden ſeyn wuͤrden.
„Herrn Brands Nachricht von Jhrem ver-
„trauten Umgange mit dem Freunde des verruch-
„ten Mannes, ſagte ſie, haͤtte noch zur Zeit ſehr
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/347>, abgerufen am 22.11.2024.
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