hier keine vollkommene Glückseligkeit möglich ist; indem das geschäfftige Gemüth sich selbst Uebel schaffen wird, wenn keine zu finden seyn sollten: so werden Sie mir diesen eingeschränkten Wunsch verzeihen; so seltsam er auch scheinen mag, bis Sie ihn erwägen. Denn sollte ich Jhnen gar keine Unglückseligkeiten, weder in, noch außer Jhnen, wünschen: so wäre das eben so gut, als wenn ich Jhnen etwas wünschen wollte, das in dieser Welt nicht geschehen könnte; und das vielleicht nicht zu wünschen wäre, wenn man durch einen Wunsch seinem Freunde eine solche Ausnahme verschaffen könnte; indem wir hier nicht beständig leben sollen.
Kurz, wir müssen nicht erwarten, daß uns die Rosen ohne Dornen aufwachsen werden: al- lein dabey sind es doch nützliche und lehrreiche Dornen; die in Zukunft behutsamer zu seyn leh- ren; indem sie demjenigen, der die Rosen zu hitzig und eilfertig pflückt, in die Finger stechen; und doch zu eben der Zeit den Besitz der Güter, die man nicht allzu leicht erlanget hat, angenehmer und schmackhafter machen.
Jch muß beschließen - -
Gott verleihe Jhnen, und allen, welche Sie lieben und ehren, beständig Heil und Glück, und belohne Sie hier und dort für Jhre Güte gegen
Jhre ewig verbundene und ergebene Clarissa Harlowe.
Der
hier keine vollkommene Gluͤckſeligkeit moͤglich iſt; indem das geſchaͤfftige Gemuͤth ſich ſelbſt Uebel ſchaffen wird, wenn keine zu finden ſeyn ſollten: ſo werden Sie mir dieſen eingeſchraͤnkten Wunſch verzeihen; ſo ſeltſam er auch ſcheinen mag, bis Sie ihn erwaͤgen. Denn ſollte ich Jhnen gar keine Ungluͤckſeligkeiten, weder in, noch außer Jhnen, wuͤnſchen: ſo waͤre das eben ſo gut, als wenn ich Jhnen etwas wuͤnſchen wollte, das in dieſer Welt nicht geſchehen koͤnnte; und das vielleicht nicht zu wuͤnſchen waͤre, wenn man durch einen Wunſch ſeinem Freunde eine ſolche Ausnahme verſchaffen koͤnnte; indem wir hier nicht beſtaͤndig leben ſollen.
Kurz, wir muͤſſen nicht erwarten, daß uns die Roſen ohne Dornen aufwachſen werden: al- lein dabey ſind es doch nuͤtzliche und lehrreiche Dornen; die in Zukunft behutſamer zu ſeyn leh- ren; indem ſie demjenigen, der die Roſen zu hitzig und eilfertig pfluͤckt, in die Finger ſtechen; und doch zu eben der Zeit den Beſitz der Guͤter, die man nicht allzu leicht erlanget hat, angenehmer und ſchmackhafter machen.
Jch muß beſchließen ‒ ‒
Gott verleihe Jhnen, und allen, welche Sie lieben und ehren, beſtaͤndig Heil und Gluͤck, und belohne Sie hier und dort fuͤr Jhre Guͤte gegen
Jhre ewig verbundene und ergebene Clariſſa Harlowe.
Der
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hier keine vollkommene Gluͤckſeligkeit moͤglich iſt;
indem das geſchaͤfftige Gemuͤth ſich ſelbſt Uebel
ſchaffen wird, wenn keine zu finden ſeyn ſollten:
ſo werden Sie mir dieſen eingeſchraͤnkten Wunſch
verzeihen; ſo ſeltſam er auch ſcheinen mag, bis Sie
ihn erwaͤgen. Denn ſollte ich Jhnen gar keine
Ungluͤckſeligkeiten, weder in, noch außer Jhnen,
wuͤnſchen: ſo waͤre das eben ſo gut, als wenn ich
Jhnen etwas wuͤnſchen wollte, das in dieſer Welt
nicht geſchehen koͤnnte; und das vielleicht nicht
zu wuͤnſchen waͤre, wenn man durch einen Wunſch
ſeinem Freunde eine ſolche Ausnahme verſchaffen
koͤnnte; indem wir hier nicht beſtaͤndig leben
ſollen.
Kurz, wir muͤſſen nicht erwarten, daß uns
die Roſen ohne Dornen aufwachſen werden: al-
lein dabey ſind es doch nuͤtzliche und lehrreiche
Dornen; die in Zukunft behutſamer zu ſeyn leh-
ren; indem ſie demjenigen, der die Roſen zu hitzig
und eilfertig pfluͤckt, in die Finger ſtechen; und
doch zu eben der Zeit den Beſitz der Guͤter, die
man nicht allzu leicht erlanget hat, angenehmer
und ſchmackhafter machen.
Jch muß beſchließen ‒ ‒
Gott verleihe Jhnen, und allen, welche Sie
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/330>, abgerufen am 22.11.2024.
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