kann: weil diese Krimmung, diese Erniedrigung mir Hoffnung macht, daß kein weiteres Unglück erfolgen werde.
Alles, was ich befürchte, ist dasjenige, was nach meinem Tode geschehen mag: daß alsdenn mein Vetter oder irgend sonst jemand meinetwe- gen Rache suchen und sein eignes kostbarers Leben in Gefahr setzen möchte.
Wenn nur der Theil von Cains Fluch, daß er unstät und flüchtig auf Erden seyn sollte, den Herrn Lovelace träfe; ich will sagen, wenn ihm dadurch nur kein Schaden weiter gewünschet würde, als daß er genöthigt seyn möchte, herum- zureisen, wie seine Absicht zu seyn scheinet; ob ich ihm gleich nichts Böses auf seinen Reisen wün- sche; und ich es nur gewiß wissen könnte: so wollte ich mich wegen der gehoffeten Sicherheit meiner Freunde vor seiner geschickten und geüb- ten Gewaltthätigkeit beruhigen. O könnte ich hören, daß er tausend Meilweges von hier wäre!
Als ich diesen Brief anfing: dachte ich nicht, daß ich so weitläuftig und so viel hätte schreiben können. Allein ich schreibe an Sie, meine wer- theste Freundinn: und Sie haben ein Recht, auf diejenige Munterkeit zu Jhren Diensten einen Anspruch zu machen, welche Sie erwecken und unterhalten. Denn sie ist nicht länger mein, und wird sich den Augenblick verlieren, wenn ich auf- höre, an Sie zu schreiben.
Aber wozu wollen Sie mir Hoffnung gemacht wissen: wenn Sie mir melden, daß Sie mich zu
London
kann: weil dieſe Krimmung, dieſe Erniedrigung mir Hoffnung macht, daß kein weiteres Ungluͤck erfolgen werde.
Alles, was ich befuͤrchte, iſt dasjenige, was nach meinem Tode geſchehen mag: daß alsdenn mein Vetter oder irgend ſonſt jemand meinetwe- gen Rache ſuchen und ſein eignes koſtbarers Leben in Gefahr ſetzen moͤchte.
Wenn nur der Theil von Cains Fluch, daß er unſtaͤt und fluͤchtig auf Erden ſeyn ſollte, den Herrn Lovelace traͤfe; ich will ſagen, wenn ihm dadurch nur kein Schaden weiter gewuͤnſchet wuͤrde, als daß er genoͤthigt ſeyn moͤchte, herum- zureiſen, wie ſeine Abſicht zu ſeyn ſcheinet; ob ich ihm gleich nichts Boͤſes auf ſeinen Reiſen wuͤn- ſche; und ich es nur gewiß wiſſen koͤnnte: ſo wollte ich mich wegen der gehoffeten Sicherheit meiner Freunde vor ſeiner geſchickten und geuͤb- ten Gewaltthaͤtigkeit beruhigen. O koͤnnte ich hoͤren, daß er tauſend Meilweges von hier waͤre!
Als ich dieſen Brief anfing: dachte ich nicht, daß ich ſo weitlaͤuftig und ſo viel haͤtte ſchreiben koͤnnen. Allein ich ſchreibe an Sie, meine wer- theſte Freundinn: und Sie haben ein Recht, auf diejenige Munterkeit zu Jhren Dienſten einen Anſpruch zu machen, welche Sie erwecken und unterhalten. Denn ſie iſt nicht laͤnger mein, und wird ſich den Augenblick verlieren, wenn ich auf- hoͤre, an Sie zu ſchreiben.
Aber wozu wollen Sie mir Hoffnung gemacht wiſſen: wenn Sie mir melden, daß Sie mich zu
London
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kann: weil dieſe Krimmung, dieſe Erniedrigung
mir Hoffnung macht, daß kein weiteres Ungluͤck
erfolgen werde.
Alles, was ich befuͤrchte, iſt dasjenige, was
nach meinem Tode geſchehen mag: daß alsdenn
mein Vetter oder irgend ſonſt jemand meinetwe-
gen Rache ſuchen und ſein eignes koſtbarers Leben
in Gefahr ſetzen moͤchte.
Wenn nur der Theil von Cains Fluch, daß
er unſtaͤt und fluͤchtig auf Erden ſeyn ſollte,
den Herrn Lovelace traͤfe; ich will ſagen, wenn
ihm dadurch nur kein Schaden weiter gewuͤnſchet
wuͤrde, als daß er genoͤthigt ſeyn moͤchte, herum-
zureiſen, wie ſeine Abſicht zu ſeyn ſcheinet; ob ich
ihm gleich nichts Boͤſes auf ſeinen Reiſen wuͤn-
ſche; und ich es nur gewiß wiſſen koͤnnte: ſo
wollte ich mich wegen der gehoffeten Sicherheit
meiner Freunde vor ſeiner geſchickten und geuͤb-
ten Gewaltthaͤtigkeit beruhigen. O koͤnnte ich
hoͤren, daß er tauſend Meilweges von hier waͤre!
Als ich dieſen Brief anfing: dachte ich nicht,
daß ich ſo weitlaͤuftig und ſo viel haͤtte ſchreiben
koͤnnen. Allein ich ſchreibe an Sie, meine wer-
theſte Freundinn: und Sie haben ein Recht, auf
diejenige Munterkeit zu Jhren Dienſten einen
Anſpruch zu machen, welche Sie erwecken und
unterhalten. Denn ſie iſt nicht laͤnger mein, und
wird ſich den Augenblick verlieren, wenn ich auf-
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Aber wozu wollen Sie mir Hoffnung gemacht
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/328>, abgerufen am 22.11.2024.
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