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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

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auf jene Seite, und in seinem Gesichte mahlten
sich Schrecken und Grauen deutlich ab - - Habt
ihr ihn nicht gesehen?

Wen sollte ich sehen! Was sollte ich sehen,
mein lieber Belton.

O lege mich wieder auf das Bette, rief er!
- - Laß mich nicht auf dem Fußboden sterben!
Lege mich sanfte nieder, und bleibe bey mir! Verlaß
mich nicht: Alles, alles wird bald vorüber seyn.

Jhr lieget ja schon auf dem Bette, mein lie-
ber Belton. Jhr seyd nicht auf dem Fußboden
gewesen - - Dieß ist ein starkes Rasen. Jhr
seyd entkräftet, weil es euch an Stärkung fehlet.
Denn er hatte sich zu verschiedenen malen gewei-
gert, etwas zu sich zu nehmen. Laßt euch bereden,
etwas von diesem herzstärkenden Safte zu neh-
men. Jch werde von euch gehen: wo ihr es mir
nicht zu Gefallen thun wollet.

Er nahm es hierauf ganz willig: sagte aber,
er hätte schwören können, daß Thomas Metcalfe
in dem Zimmer gewesen wäre, ihn bey dem Hal-
se aus dem Bette gezogen, und ihm das Unrecht
vorgehalten hätte, welches er erst seiner Schwe-
ster und hernach ihm in dem Zweykampf, dem er
das Fieber zu danken gehabt, das ihn sein Leben
gekostet, gethan hätte.

Du weißt diese Begebenheit allzu wohl, Lo-
velace, daß ich nöthig haben sollte, sie zu wieder-
holen. Allein Gott sey uns gnädig, wo in die-
sen schrecklichen Stunden, alles Böse, das wir
thun, sich unserer erschreckten Einbildungskraft

dar-



auf jene Seite, und in ſeinem Geſichte mahlten
ſich Schrecken und Grauen deutlich ab ‒ ‒ Habt
ihr ihn nicht geſehen?

Wen ſollte ich ſehen! Was ſollte ich ſehen,
mein lieber Belton.

O lege mich wieder auf das Bette, rief er!
‒ ‒ Laß mich nicht auf dem Fußboden ſterben!
Lege mich ſanfte nieder, und bleibe bey mir! Verlaß
mich nicht: Alles, alles wird bald voruͤber ſeyn.

Jhr lieget ja ſchon auf dem Bette, mein lie-
ber Belton. Jhr ſeyd nicht auf dem Fußboden
geweſen ‒ ‒ Dieß iſt ein ſtarkes Raſen. Jhr
ſeyd entkraͤftet, weil es euch an Staͤrkung fehlet.
Denn er hatte ſich zu verſchiedenen malen gewei-
gert, etwas zu ſich zu nehmen. Laßt euch bereden,
etwas von dieſem herzſtaͤrkenden Safte zu neh-
men. Jch werde von euch gehen: wo ihr es mir
nicht zu Gefallen thun wollet.

Er nahm es hierauf ganz willig: ſagte aber,
er haͤtte ſchwoͤren koͤnnen, daß Thomas Metcalfe
in dem Zimmer geweſen waͤre, ihn bey dem Hal-
ſe aus dem Bette gezogen, und ihm das Unrecht
vorgehalten haͤtte, welches er erſt ſeiner Schwe-
ſter und hernach ihm in dem Zweykampf, dem er
das Fieber zu danken gehabt, das ihn ſein Leben
gekoſtet, gethan haͤtte.

Du weißt dieſe Begebenheit allzu wohl, Lo-
velace, daß ich noͤthig haben ſollte, ſie zu wieder-
holen. Allein Gott ſey uns gnaͤdig, wo in die-
ſen ſchrecklichen Stunden, alles Boͤſe, das wir
thun, ſich unſerer erſchreckten Einbildungskraft

dar-
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[26/0032] auf jene Seite, und in ſeinem Geſichte mahlten ſich Schrecken und Grauen deutlich ab ‒ ‒ Habt ihr ihn nicht geſehen? Wen ſollte ich ſehen! Was ſollte ich ſehen, mein lieber Belton. O lege mich wieder auf das Bette, rief er! ‒ ‒ Laß mich nicht auf dem Fußboden ſterben! Lege mich ſanfte nieder, und bleibe bey mir! Verlaß mich nicht: Alles, alles wird bald voruͤber ſeyn. Jhr lieget ja ſchon auf dem Bette, mein lie- ber Belton. Jhr ſeyd nicht auf dem Fußboden geweſen ‒ ‒ Dieß iſt ein ſtarkes Raſen. Jhr ſeyd entkraͤftet, weil es euch an Staͤrkung fehlet. Denn er hatte ſich zu verſchiedenen malen gewei- gert, etwas zu ſich zu nehmen. Laßt euch bereden, etwas von dieſem herzſtaͤrkenden Safte zu neh- men. Jch werde von euch gehen: wo ihr es mir nicht zu Gefallen thun wollet. Er nahm es hierauf ganz willig: ſagte aber, er haͤtte ſchwoͤren koͤnnen, daß Thomas Metcalfe in dem Zimmer geweſen waͤre, ihn bey dem Hal- ſe aus dem Bette gezogen, und ihm das Unrecht vorgehalten haͤtte, welches er erſt ſeiner Schwe- ſter und hernach ihm in dem Zweykampf, dem er das Fieber zu danken gehabt, das ihn ſein Leben gekoſtet, gethan haͤtte. Du weißt dieſe Begebenheit allzu wohl, Lo- velace, daß ich noͤthig haben ſollte, ſie zu wieder- holen. Allein Gott ſey uns gnaͤdig, wo in die- ſen ſchrecklichen Stunden, alles Boͤſe, das wir thun, ſich unſerer erſchreckten Einbildungskraft dar-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/32>, abgerufen am 23.11.2024.