auf viele, auf sehr viele, beglückte Jahre, durch einander glücklich! Jch zweifle nicht, daß selbst diese plötzliche und schmerzliche Krankheit, durch die Gemüthsfassung, worein dieselbe Sie gesetzet, und durch die Furcht, welche sie Jhnen eingejaget hat, eine so werthe Mutter zu verlieren, zu der Glückseligkeit, die ich Jhnen wünsche, etwas bey- tragen werde. Denn, liebste Freundinn, wir wissen, leyder! niemals, wie wir die Segensgü- ter, die wir genießen, schätzen sollen, bis wir in Gefahr stehen, sie zu verlieren, oder sie wirklich verlohren haben. Was würden wir aber als- denn dafür geben, daß sie uns wieder zu Theil werden möchten?
Was, Wunder! ist wieder zwischen Jhnen und Herrn Hickmann vorgefallen? Ob ich es gleich nicht weiß: so darf ich doch wohl sagen, daß ein oder der andere kleine Muthwillen, oder ein und der andere Vortheil, den sie auf eine halb unedel- müthige Art aus seiner Gefälligkeit, und bestän- digen Bemühung um Sie, gezogen haben, daran schuld sey. Wollen Sie denn niemals, meine Wertheste, wollen Sie, und unser ganzes Geschlecht, niemals den guten Eigenschaften der Mäßigkeit und Ordnung in der Art zu leben und zu handeln an dem andern Geschlechte den überwiegenden Vorzug einräumen? Müssen kühne Leute und vorwitzige Gemüther auf ewig, und bey den be- sten und weisesten von uns so wohl, als bey den unbedächtlichsten, diejenigen seyn, denen am gü- tigsten begegnet wird?
Meine
auf viele, auf ſehr viele, begluͤckte Jahre, durch einander gluͤcklich! Jch zweifle nicht, daß ſelbſt dieſe ploͤtzliche und ſchmerzliche Krankheit, durch die Gemuͤthsfaſſung, worein dieſelbe Sie geſetzet, und durch die Furcht, welche ſie Jhnen eingejaget hat, eine ſo werthe Mutter zu verlieren, zu der Gluͤckſeligkeit, die ich Jhnen wuͤnſche, etwas bey- tragen werde. Denn, liebſte Freundinn, wir wiſſen, leyder! niemals, wie wir die Segensguͤ- ter, die wir genießen, ſchaͤtzen ſollen, bis wir in Gefahr ſtehen, ſie zu verlieren, oder ſie wirklich verlohren haben. Was wuͤrden wir aber als- denn dafuͤr geben, daß ſie uns wieder zu Theil werden moͤchten?
Was, Wunder! iſt wieder zwiſchen Jhnen und Herrn Hickmann vorgefallen? Ob ich es gleich nicht weiß: ſo darf ich doch wohl ſagen, daß ein oder der andere kleine Muthwillen, oder ein und der andere Vortheil, den ſie auf eine halb unedel- muͤthige Art aus ſeiner Gefaͤlligkeit, und beſtaͤn- digen Bemuͤhung um Sie, gezogen haben, daran ſchuld ſey. Wollen Sie denn niemals, meine Wertheſte, wollen Sie, und unſer ganzes Geſchlecht, niemals den guten Eigenſchaften der Maͤßigkeit und Ordnung in der Art zu leben und zu handeln an dem andern Geſchlechte den uͤberwiegenden Vorzug einraͤumen? Muͤſſen kuͤhne Leute und vorwitzige Gemuͤther auf ewig, und bey den be- ſten und weiſeſten von uns ſo wohl, als bey den unbedaͤchtlichſten, diejenigen ſeyn, denen am guͤ- tigſten begegnet wird?
Meine
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auf viele, auf ſehr viele, begluͤckte Jahre, durch
einander gluͤcklich! Jch zweifle nicht, daß ſelbſt
dieſe ploͤtzliche und ſchmerzliche Krankheit, durch
die Gemuͤthsfaſſung, worein dieſelbe Sie geſetzet,
und durch die Furcht, welche ſie Jhnen eingejaget
hat, eine ſo werthe Mutter zu verlieren, zu der
Gluͤckſeligkeit, die ich Jhnen wuͤnſche, etwas bey-
tragen werde. Denn, liebſte Freundinn, wir
wiſſen, leyder! niemals, wie wir die Segensguͤ-
ter, die wir genießen, ſchaͤtzen ſollen, bis wir in
Gefahr ſtehen, ſie zu verlieren, oder ſie wirklich
verlohren haben. Was wuͤrden wir aber als-
denn dafuͤr geben, daß ſie uns wieder zu Theil
werden moͤchten?
Was, Wunder! iſt wieder zwiſchen Jhnen
und Herrn Hickmann vorgefallen? Ob ich es gleich
nicht weiß: ſo darf ich doch wohl ſagen, daß ein
oder der andere kleine Muthwillen, oder ein und
der andere Vortheil, den ſie auf eine halb unedel-
muͤthige Art aus ſeiner Gefaͤlligkeit, und beſtaͤn-
digen Bemuͤhung um Sie, gezogen haben, daran
ſchuld ſey. Wollen Sie denn niemals, meine
Wertheſte, wollen Sie, und unſer ganzes Geſchlecht,
niemals den guten Eigenſchaften der Maͤßigkeit
und Ordnung in der Art zu leben und zu handeln
an dem andern Geſchlechte den uͤberwiegenden
Vorzug einraͤumen? Muͤſſen kuͤhne Leute und
vorwitzige Gemuͤther auf ewig, und bey den be-
ſten und weiſeſten von uns ſo wohl, als bey den
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/318>, abgerufen am 22.11.2024.
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