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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

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dem Anblick der widrigsten Aussichten in die Zu-
kunft, welche sie so weit über ihr ganzes Geschlecht
und so gar über die Weltweisen der alten Zeiten
erhebet, an den Tag legen können?

Jch weiß, du wirst denken, daß ich mir selbst
ein Verdienst machen wolle, weil ich ihr solche be-
queme Gelegenheiten gegeben habe, ihre Tugenden
als groß und vortrefflich zu beweisen. Allein das
will ich nicht. Denn wenn ich es wollte: so
müßte ich das Verdienst mit ihren unversöhnlichen
Verwandten theilen, die mit Recht wenigstens auf
zwey Drittel davon Anspruch machen könnten;
und meine Seele verabscheuet eine Gemeinschaft
mit einer solchen Familie, es sey, worinn es wolle.

Aber ich führe dieß an als eine Antwort auf
deine Vorwürfe, daß ich durch Vollkommenheiten,
von denen ich, wie du vermuthest, so lange nach
einander täglich und stündlich ein persönlicher Zeu-
ge gewesen bin, so wenig gebessert seyn konnte:
- - da, so bewundernswürdig sie auch war, in
allem, was sie sagte, und in allem, was sie that,
die Gelegenheit dennoch damals diese erstaunliche
Vollkommenheiten, welche mich itzo bestürzt und
verwirrt machen, noch nicht zur Reife und an
den Tag gebracht hatte.

Daher kommt es, daß ich sie mehr bewundere,
als ich jemals gethan habe, und daß meine Liebe
gegen sie, weniger die Person, wie ich sagen mag,
und mehr den Verstand angehet, als ich jemals
gegen eine Weibsperson für möglich gehalten
habe.

Daher



dem Anblick der widrigſten Ausſichten in die Zu-
kunft, welche ſie ſo weit uͤber ihr ganzes Geſchlecht
und ſo gar uͤber die Weltweiſen der alten Zeiten
erhebet, an den Tag legen koͤnnen?

Jch weiß, du wirſt denken, daß ich mir ſelbſt
ein Verdienſt machen wolle, weil ich ihr ſolche be-
queme Gelegenheiten gegeben habe, ihre Tugenden
als groß und vortrefflich zu beweiſen. Allein das
will ich nicht. Denn wenn ich es wollte: ſo
muͤßte ich das Verdienſt mit ihren unverſoͤhnlichen
Verwandten theilen, die mit Recht wenigſtens auf
zwey Drittel davon Anſpruch machen koͤnnten;
und meine Seele verabſcheuet eine Gemeinſchaft
mit einer ſolchen Familie, es ſey, worinn es wolle.

Aber ich fuͤhre dieß an als eine Antwort auf
deine Vorwuͤrfe, daß ich durch Vollkommenheiten,
von denen ich, wie du vermutheſt, ſo lange nach
einander taͤglich und ſtuͤndlich ein perſoͤnlicher Zeu-
ge geweſen bin, ſo wenig gebeſſert ſeyn konnte:
‒ ‒ da, ſo bewundernswuͤrdig ſie auch war, in
allem, was ſie ſagte, und in allem, was ſie that,
die Gelegenheit dennoch damals dieſe erſtaunliche
Vollkommenheiten, welche mich itzo beſtuͤrzt und
verwirrt machen, noch nicht zur Reife und an
den Tag gebracht hatte.

Daher kommt es, daß ich ſie mehr bewundere,
als ich jemals gethan habe, und daß meine Liebe
gegen ſie, weniger die Perſon, wie ich ſagen mag,
und mehr den Verſtand angehet, als ich jemals
gegen eine Weibsperſon fuͤr moͤglich gehalten
habe.

Daher
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[285/0291] dem Anblick der widrigſten Ausſichten in die Zu- kunft, welche ſie ſo weit uͤber ihr ganzes Geſchlecht und ſo gar uͤber die Weltweiſen der alten Zeiten erhebet, an den Tag legen koͤnnen? Jch weiß, du wirſt denken, daß ich mir ſelbſt ein Verdienſt machen wolle, weil ich ihr ſolche be- queme Gelegenheiten gegeben habe, ihre Tugenden als groß und vortrefflich zu beweiſen. Allein das will ich nicht. Denn wenn ich es wollte: ſo muͤßte ich das Verdienſt mit ihren unverſoͤhnlichen Verwandten theilen, die mit Recht wenigſtens auf zwey Drittel davon Anſpruch machen koͤnnten; und meine Seele verabſcheuet eine Gemeinſchaft mit einer ſolchen Familie, es ſey, worinn es wolle. Aber ich fuͤhre dieß an als eine Antwort auf deine Vorwuͤrfe, daß ich durch Vollkommenheiten, von denen ich, wie du vermutheſt, ſo lange nach einander taͤglich und ſtuͤndlich ein perſoͤnlicher Zeu- ge geweſen bin, ſo wenig gebeſſert ſeyn konnte: ‒ ‒ da, ſo bewundernswuͤrdig ſie auch war, in allem, was ſie ſagte, und in allem, was ſie that, die Gelegenheit dennoch damals dieſe erſtaunliche Vollkommenheiten, welche mich itzo beſtuͤrzt und verwirrt machen, noch nicht zur Reife und an den Tag gebracht hatte. Daher kommt es, daß ich ſie mehr bewundere, als ich jemals gethan habe, und daß meine Liebe gegen ſie, weniger die Perſon, wie ich ſagen mag, und mehr den Verſtand angehet, als ich jemals gegen eine Weibsperſon fuͤr moͤglich gehalten habe. Daher

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/291>, abgerufen am 22.11.2024.