ten Leibesbeschaffenheit, als sie nur noch vor drey oder vier Monathen gehabt hat.
Allein was hat der Arzt nöthig gehabt, sie um Erlaubniß zu bitten, daß er an ihre Freunde schriebe? Hätte er es nicht thun können, ohne sie etwas von der Sache wissen zu lassen? Das war eines von den wahrscheinlichsten Mitteln, worauf man denken konnte, um einige von ihnen zu ihr zu bringen: da sie sich so sehr sehnet, sie zu sehen. Wenigstens würde es sie bewogen haben, ihren Augapfel, die Norton, zu ihr hinauf zu schicken. Aber diese verdammt feyerlichen Leute handeln stark mit unnöthigen Umschweifen, und können nicht aus denselben herauskommen, wenn es sie auch das Leben kosten sollte, die Gelegenheit sey, welche es wolle. Sie werden einem ihre giftige Arzneyen bey ganzen Ladungen hinunterpfropfen, ohne eine Frage zu thun; und haben die Dreistig- keit zu gestehen, daß es Vorschreiben sey: wenn sie aber Gutes thun sollen; so müssen sie einen erst um seine Einwilligung befragen.
Wie erhöhet sich die Gemüthsart der lieben Fräulein in jeder Zeile von deinen Briefen! - - Allein es kommt von den außerordentlichen Gele- genheiten, die sie gefunden hat, daß sie mit einem solchen Glanze, wie die Sonne am Mittage, ihre Strahlen auf uns wirst! - - - Wie hätte sie, wenn diese Gelegenheiten nicht gewesen wären, ihre edle Gesinnung, ihre kluge Bedächtlichkeit, ihr versönliches Gemüth, ihre erhabene Gütigkeit, und ihre beständig gleiche Gemüthsverfassung bey
dem
ten Leibesbeſchaffenheit, als ſie nur noch vor drey oder vier Monathen gehabt hat.
Allein was hat der Arzt noͤthig gehabt, ſie um Erlaubniß zu bitten, daß er an ihre Freunde ſchriebe? Haͤtte er es nicht thun koͤnnen, ohne ſie etwas von der Sache wiſſen zu laſſen? Das war eines von den wahrſcheinlichſten Mitteln, worauf man denken konnte, um einige von ihnen zu ihr zu bringen: da ſie ſich ſo ſehr ſehnet, ſie zu ſehen. Wenigſtens wuͤrde es ſie bewogen haben, ihren Augapfel, die Norton, zu ihr hinauf zu ſchicken. Aber dieſe verdammt feyerlichen Leute handeln ſtark mit unnoͤthigen Umſchweifen, und koͤnnen nicht aus denſelben herauskommen, wenn es ſie auch das Leben koſten ſollte, die Gelegenheit ſey, welche es wolle. Sie werden einem ihre giftige Arzneyen bey ganzen Ladungen hinunterpfropfen, ohne eine Frage zu thun; und haben die Dreiſtig- keit zu geſtehen, daß es Vorſchreiben ſey: wenn ſie aber Gutes thun ſollen; ſo muͤſſen ſie einen erſt um ſeine Einwilligung befragen.
Wie erhoͤhet ſich die Gemuͤthsart der lieben Fraͤulein in jeder Zeile von deinen Briefen! ‒ ‒ Allein es kommt von den außerordentlichen Gele- genheiten, die ſie gefunden hat, daß ſie mit einem ſolchen Glanze, wie die Sonne am Mittage, ihre Strahlen auf uns wirſt! ‒ ‒ ‒ Wie haͤtte ſie, wenn dieſe Gelegenheiten nicht geweſen waͤren, ihre edle Geſinnung, ihre kluge Bedaͤchtlichkeit, ihr verſoͤnliches Gemuͤth, ihre erhabene Guͤtigkeit, und ihre beſtaͤndig gleiche Gemuͤthsverfaſſung bey
dem
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ten Leibesbeſchaffenheit, als ſie nur noch vor drey
oder vier Monathen gehabt hat.
Allein was hat der Arzt noͤthig gehabt, ſie
um Erlaubniß zu bitten, daß er an ihre Freunde
ſchriebe? Haͤtte er es nicht thun koͤnnen, ohne ſie
etwas von der Sache wiſſen zu laſſen? Das war
eines von den wahrſcheinlichſten Mitteln, worauf
man denken konnte, um einige von ihnen zu ihr
zu bringen: da ſie ſich ſo ſehr ſehnet, ſie zu ſehen.
Wenigſtens wuͤrde es ſie bewogen haben, ihren
Augapfel, die Norton, zu ihr hinauf zu ſchicken.
Aber dieſe verdammt feyerlichen Leute handeln
ſtark mit unnoͤthigen Umſchweifen, und koͤnnen
nicht aus denſelben herauskommen, wenn es ſie
auch das Leben koſten ſollte, die Gelegenheit ſey,
welche es wolle. Sie werden einem ihre giftige
Arzneyen bey ganzen Ladungen hinunterpfropfen,
ohne eine Frage zu thun; und haben die Dreiſtig-
keit zu geſtehen, daß es Vorſchreiben ſey: wenn
ſie aber Gutes thun ſollen; ſo muͤſſen ſie einen erſt
um ſeine Einwilligung befragen.
Wie erhoͤhet ſich die Gemuͤthsart der lieben
Fraͤulein in jeder Zeile von deinen Briefen! ‒ ‒
Allein es kommt von den außerordentlichen Gele-
genheiten, die ſie gefunden hat, daß ſie mit einem
ſolchen Glanze, wie die Sonne am Mittage, ihre
Strahlen auf uns wirſt! ‒ ‒ ‒ Wie haͤtte ſie,
wenn dieſe Gelegenheiten nicht geweſen waͤren,
ihre edle Geſinnung, ihre kluge Bedaͤchtlichkeit,
ihr verſoͤnliches Gemuͤth, ihre erhabene Guͤtigkeit,
und ihre beſtaͤndig gleiche Gemuͤthsverfaſſung bey
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/290>, abgerufen am 25.11.2024.
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