rungen einer Person, die wirklich ein Engel ist, nicht entehren willst.
Als ich an die Stelle (*) kam, wo du sagst, daß du sie als eine solche ansähest, die vom Him- mel gesandt wäre, dich nach sich hinauf zu ziehen: - - so konnte ich auf eine ganze Stunde, wenn es auch mein Leben gekostet hätte, dich nicht aus dem Kopfe bringen, wie du mir in der Stellung der Frau Elisabeth Carteret auf ihrem Denkmaa- le in der Abtey Westminster in dem Sinne lagest. Wo du dieselbe niemals bemerket hast: so gehe eignes Gewerbes dahin. Du wirst daselbst diese Frau mit aufgehabenem Haupt und aufgehabner Hand im Bilde sehen. Die Hand hat ein Cu- pido, der nach allen und jeden Theilen von Stein ist, angefasset. Der eine von seinen ungeschick- ten Füßen ist auch in die Höhe gehoben, als wenn er, wie die Absicht des Bildhauers wirklich dabey gewesen, zum Himmel hinauffahren wollte: nur ist es so schlecht gerathen, daß man eher auf die Gedanken kommen möchte, als wenn die Figur, da sie keine Schuhe noch Strümpfe hat, ob der übrige Theil des Leibes gleich bekleidet ist, auf ih- ren Leichdornschneider sehen wollte. Die andere ist hingegen an der Erde, welche ihr durch die Ge- burt selbst lieb geworden, fest genagelt, und, wie du, so tief im Kothe; so tief versunken sagest du; daß es ihr nicht möglich ist, sich selbst herauszu-
ziehen.
(*) Man sehe den vorhergehenden XXI Brief, nicht weit vom Ende.
R 4
rungen einer Perſon, die wirklich ein Engel iſt, nicht entehren willſt.
Als ich an die Stelle (*) kam, wo du ſagſt, daß du ſie als eine ſolche anſaͤheſt, die vom Him- mel geſandt waͤre, dich nach ſich hinauf zu ziehen: ‒ ‒ ſo konnte ich auf eine ganze Stunde, wenn es auch mein Leben gekoſtet haͤtte, dich nicht aus dem Kopfe bringen, wie du mir in der Stellung der Frau Eliſabeth Carteret auf ihrem Denkmaa- le in der Abtey Weſtminſter in dem Sinne lageſt. Wo du dieſelbe niemals bemerket haſt: ſo gehe eignes Gewerbes dahin. Du wirſt daſelbſt dieſe Frau mit aufgehabenem Haupt und aufgehabner Hand im Bilde ſehen. Die Hand hat ein Cu- pido, der nach allen und jeden Theilen von Stein iſt, angefaſſet. Der eine von ſeinen ungeſchick- ten Fuͤßen iſt auch in die Hoͤhe gehoben, als wenn er, wie die Abſicht des Bildhauers wirklich dabey geweſen, zum Himmel hinauffahren wollte: nur iſt es ſo ſchlecht gerathen, daß man eher auf die Gedanken kommen moͤchte, als wenn die Figur, da ſie keine Schuhe noch Struͤmpfe hat, ob der uͤbrige Theil des Leibes gleich bekleidet iſt, auf ih- ren Leichdornſchneider ſehen wollte. Die andere iſt hingegen an der Erde, welche ihr durch die Ge- burt ſelbſt lieb geworden, feſt genagelt, und, wie du, ſo tief im Kothe; ſo tief verſunken ſageſt du; daß es ihr nicht moͤglich iſt, ſich ſelbſt herauszu-
ziehen.
(*) Man ſehe den vorhergehenden XXI Brief, nicht weit vom Ende.
R 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0269"n="263"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
rungen einer Perſon, die wirklich ein Engel iſt,<lb/>
nicht entehren willſt.</p><lb/><p>Als ich an die Stelle <noteplace="foot"n="(*)">Man ſehe den vorhergehenden <hirendition="#aq">XXI</hi> Brief, nicht<lb/>
weit vom Ende.</note> kam, wo du ſagſt,<lb/>
daß du ſie als eine ſolche anſaͤheſt, die vom Him-<lb/>
mel geſandt waͤre, dich nach ſich hinauf zu ziehen:<lb/>‒‒ſo konnte ich auf eine ganze Stunde, wenn<lb/>
es auch mein Leben gekoſtet haͤtte, dich nicht aus<lb/>
dem Kopfe bringen, wie du mir in der Stellung<lb/>
der Frau Eliſabeth Carteret auf ihrem Denkmaa-<lb/>
le in der Abtey Weſtminſter in dem Sinne lageſt.<lb/>
Wo du dieſelbe niemals bemerket haſt: ſo gehe<lb/>
eignes Gewerbes dahin. Du wirſt daſelbſt dieſe<lb/>
Frau mit aufgehabenem Haupt und aufgehabner<lb/>
Hand im Bilde ſehen. Die Hand hat ein Cu-<lb/>
pido, der nach allen und jeden Theilen von Stein<lb/>
iſt, angefaſſet. Der eine von ſeinen ungeſchick-<lb/>
ten Fuͤßen iſt auch in die Hoͤhe gehoben, als wenn<lb/>
er, wie die Abſicht des Bildhauers wirklich dabey<lb/>
geweſen, zum Himmel hinauffahren wollte: nur<lb/>
iſt es ſo ſchlecht gerathen, daß man eher auf die<lb/>
Gedanken kommen moͤchte, als wenn die Figur,<lb/>
da ſie keine Schuhe noch Struͤmpfe hat, ob der<lb/>
uͤbrige Theil des Leibes gleich bekleidet iſt, auf ih-<lb/>
ren Leichdornſchneider ſehen wollte. Die andere<lb/>
iſt hingegen an der Erde, welche ihr durch die Ge-<lb/>
burt ſelbſt lieb geworden, feſt genagelt, und, wie<lb/>
du, ſo tief im Kothe; ſo tief <hirendition="#fr">verſunken</hi>ſageſt du;<lb/>
daß es ihr nicht moͤglich iſt, ſich ſelbſt herauszu-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">R 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">ziehen.</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[263/0269]
rungen einer Perſon, die wirklich ein Engel iſt,
nicht entehren willſt.
Als ich an die Stelle (*) kam, wo du ſagſt,
daß du ſie als eine ſolche anſaͤheſt, die vom Him-
mel geſandt waͤre, dich nach ſich hinauf zu ziehen:
‒ ‒ ſo konnte ich auf eine ganze Stunde, wenn
es auch mein Leben gekoſtet haͤtte, dich nicht aus
dem Kopfe bringen, wie du mir in der Stellung
der Frau Eliſabeth Carteret auf ihrem Denkmaa-
le in der Abtey Weſtminſter in dem Sinne lageſt.
Wo du dieſelbe niemals bemerket haſt: ſo gehe
eignes Gewerbes dahin. Du wirſt daſelbſt dieſe
Frau mit aufgehabenem Haupt und aufgehabner
Hand im Bilde ſehen. Die Hand hat ein Cu-
pido, der nach allen und jeden Theilen von Stein
iſt, angefaſſet. Der eine von ſeinen ungeſchick-
ten Fuͤßen iſt auch in die Hoͤhe gehoben, als wenn
er, wie die Abſicht des Bildhauers wirklich dabey
geweſen, zum Himmel hinauffahren wollte: nur
iſt es ſo ſchlecht gerathen, daß man eher auf die
Gedanken kommen moͤchte, als wenn die Figur,
da ſie keine Schuhe noch Struͤmpfe hat, ob der
uͤbrige Theil des Leibes gleich bekleidet iſt, auf ih-
ren Leichdornſchneider ſehen wollte. Die andere
iſt hingegen an der Erde, welche ihr durch die Ge-
burt ſelbſt lieb geworden, feſt genagelt, und, wie
du, ſo tief im Kothe; ſo tief verſunken ſageſt du;
daß es ihr nicht moͤglich iſt, ſich ſelbſt herauszu-
ziehen.
(*) Man ſehe den vorhergehenden XXI Brief, nicht
weit vom Ende.
R 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/269>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.