Der Lord M. selbst, welcher nicht einer von denen ist, daß ich in seiner eignen Sprache rede, die durch einen Mühlstein sehen können, sie- het den Betrug, und glaubt, daß er ihr unanstän- dig sey: ob meine Basen Montague sie gleich vertheidigen. Kein Wunder: dieß verfluchte parteyische Geschlecht; - - - ich hasse sie alle - - bey meiner Seele, ich hasse sie alle; - wird nie- mals das geringste gegen eine einzelne Person von eben dem Geschlechte einräumen, wo das unsrige Theil hat. Und warum? Weil sie ihre eigne Herzen verdammen müssen, wenn sie an einem andern List und Betrug tadeln.
Sie will mir einen Brief schicken, wenn sie im Himmel ist. Jst es möglich? Der Teufel hole solch verblümtes Gewäsche: und dich da- zu, weil du dieß ungereimte Zeug einen unschul- digen Kunstgriff nennest.
Jch bleibe dabey, daß, wo ein Frauenzimmer von ihrer Art, zu einer so entscheidenden Zeit, in einer solchen Betrügerey zu rechtfertigen ist, ein Mensch von vollkommener Gesundheit und Stär- ke des Leibes und Gemüths, wie ich bin, wegen aller seiner listigen Ränke und Versuche gegen sie entschuldigt werden möge. Und nunmehr kann ich, Dank sey meinem Gestirn, in der Betrachtung mit ruhigem Gemüthe sitzen. Bey meiner See- le, ich kann es, Bruder. Es hat auch keiner, der sie freysprechen kann, ein Recht, mich zu ta- deln. Allein bey gewissen Leuten muß in der That alles, was sie thut, gut, und alles, was ich
thue,
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Der Lord M. ſelbſt, welcher nicht einer von denen iſt, daß ich in ſeiner eignen Sprache rede, die durch einen Muͤhlſtein ſehen koͤnnen, ſie- het den Betrug, und glaubt, daß er ihr unanſtaͤn- dig ſey: ob meine Baſen Montague ſie gleich vertheidigen. Kein Wunder: dieß verfluchte parteyiſche Geſchlecht; ‒ ‒ ‒ ich haſſe ſie alle ‒ ‒ bey meiner Seele, ich haſſe ſie alle; ‒ wird nie- mals das geringſte gegen eine einzelne Perſon von eben dem Geſchlechte einraͤumen, wo das unſrige Theil hat. Und warum? Weil ſie ihre eigne Herzen verdammen muͤſſen, wenn ſie an einem andern Liſt und Betrug tadeln.
Sie will mir einen Brief ſchicken, wenn ſie im Himmel iſt. Jſt es moͤglich? Der Teufel hole ſolch verbluͤmtes Gewaͤſche: und dich da- zu, weil du dieß ungereimte Zeug einen unſchul- digen Kunſtgriff nenneſt.
Jch bleibe dabey, daß, wo ein Frauenzimmer von ihrer Art, zu einer ſo entſcheidenden Zeit, in einer ſolchen Betruͤgerey zu rechtfertigen iſt, ein Menſch von vollkommener Geſundheit und Staͤr- ke des Leibes und Gemuͤths, wie ich bin, wegen aller ſeiner liſtigen Raͤnke und Verſuche gegen ſie entſchuldigt werden moͤge. Und nunmehr kann ich, Dank ſey meinem Geſtirn, in der Betrachtung mit ruhigem Gemuͤthe ſitzen. Bey meiner See- le, ich kann es, Bruder. Es hat auch keiner, der ſie freyſprechen kann, ein Recht, mich zu ta- deln. Allein bey gewiſſen Leuten muß in der That alles, was ſie thut, gut, und alles, was ich
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Der Lord M. ſelbſt, welcher nicht einer von
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vertheidigen. Kein Wunder: dieß verfluchte
parteyiſche Geſchlecht; ‒ ‒ ‒ ich haſſe ſie alle ‒ ‒
bey meiner Seele, ich haſſe ſie alle; ‒ wird nie-
mals das geringſte gegen eine einzelne Perſon von
eben dem Geſchlechte einraͤumen, wo das unſrige
Theil hat. Und warum? Weil ſie ihre eigne
Herzen verdammen muͤſſen, wenn ſie an einem
andern Liſt und Betrug tadeln.
Sie will mir einen Brief ſchicken, wenn ſie
im Himmel iſt. Jſt es moͤglich? Der Teufel
hole ſolch verbluͤmtes Gewaͤſche: und dich da-
zu, weil du dieß ungereimte Zeug einen unſchul-
digen Kunſtgriff nenneſt.
Jch bleibe dabey, daß, wo ein Frauenzimmer
von ihrer Art, zu einer ſo entſcheidenden Zeit, in
einer ſolchen Betruͤgerey zu rechtfertigen iſt, ein
Menſch von vollkommener Geſundheit und Staͤr-
ke des Leibes und Gemuͤths, wie ich bin, wegen
aller ſeiner liſtigen Raͤnke und Verſuche gegen ſie
entſchuldigt werden moͤge. Und nunmehr kann
ich, Dank ſey meinem Geſtirn, in der Betrachtung
mit ruhigem Gemuͤthe ſitzen. Bey meiner See-
le, ich kann es, Bruder. Es hat auch keiner,
der ſie freyſprechen kann, ein Recht, mich zu ta-
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That alles, was ſie thut, gut, und alles, was ich
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/267>, abgerufen am 25.11.2024.
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