Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



daß irgend ein Mensch Theil an der Gewogen-
heit einer Fräulein haben sollte, welche ich nun,
wie mich deucht, göttlich verehren könnte.

Charlotte und ihre Schwester konnten sich
nicht entbrechen über die niederträchtige Ver-
läumdung zu weinen. Wann, wann, sagte Mar-
tha mit aufgehobenen Händen, wird das Leiden
dieser anmuthsvollen Fräulein ein Ende haben?
- - O Vetter Lovelace! - -

So werden mir eines jeden Fehler zur Last
geleget! - - Verflucht sie ihr grausamer Vater,
so bin ich es. Jch schelte sie mit ihrer harten
Mutter. Jhres einfältigen Onkels Unversöhn-
lichkeit ist meine Schuld. Jhres Bruders Gift
und Galle, ihrer Schwester Hohn und Neid
kommen gänzlich von mir her. Dieses Galgen-
schwengels, des Brands Brief, ist von meiner
Hand - - O Bruder, was für ein elender Mensch
ist dein Lovelace! - -



Ohne einen Brief zurückgekommen! - -
Dieser verdammte Kerl Wilhelm ist ohne einen
Brief zurückgekommen! Gleichwohl sagt mir der
Bube, er höre, daß ihr diese zween Tage über
beschäfftigt gewesen, an mich zu schreiben!

Der Henker hohle dich, da du meine Unge-
dult, und die Ursache derselben wissen mußt!

Jch sandte zu keinem andern Ende einen eig-
nen Kerl zu Pferde! Meine Einbildungskraft
war an den Bauch des Thieres geheftet, um mit

dem-
P 2



daß irgend ein Menſch Theil an der Gewogen-
heit einer Fraͤulein haben ſollte, welche ich nun,
wie mich deucht, goͤttlich verehren koͤnnte.

Charlotte und ihre Schweſter konnten ſich
nicht entbrechen uͤber die niedertraͤchtige Ver-
laͤumdung zu weinen. Wann, wann, ſagte Mar-
tha mit aufgehobenen Haͤnden, wird das Leiden
dieſer anmuthsvollen Fraͤulein ein Ende haben?
‒ ‒ O Vetter Lovelace! ‒ ‒

So werden mir eines jeden Fehler zur Laſt
geleget! ‒ ‒ Verflucht ſie ihr grauſamer Vater,
ſo bin ich es. Jch ſchelte ſie mit ihrer harten
Mutter. Jhres einfaͤltigen Onkels Unverſoͤhn-
lichkeit iſt meine Schuld. Jhres Bruders Gift
und Galle, ihrer Schweſter Hohn und Neid
kommen gaͤnzlich von mir her. Dieſes Galgen-
ſchwengels, des Brands Brief, iſt von meiner
Hand ‒ ‒ O Bruder, was fuͤr ein elender Menſch
iſt dein Lovelace! ‒ ‒



Ohne einen Brief zuruͤckgekommen! ‒ ‒
Dieſer verdammte Kerl Wilhelm iſt ohne einen
Brief zuruͤckgekommen! Gleichwohl ſagt mir der
Bube, er hoͤre, daß ihr dieſe zween Tage uͤber
beſchaͤfftigt geweſen, an mich zu ſchreiben!

Der Henker hohle dich, da du meine Unge-
dult, und die Urſache derſelben wiſſen mußt!

Jch ſandte zu keinem andern Ende einen eig-
nen Kerl zu Pferde! Meine Einbildungskraft
war an den Bauch des Thieres geheftet, um mit

dem-
P 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0233" n="227"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
daß irgend ein Men&#x017F;ch Theil an der Gewogen-<lb/>
heit einer Fra&#x0364;ulein haben &#x017F;ollte, welche ich nun,<lb/>
wie mich deucht, go&#x0364;ttlich verehren ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
          <p>Charlotte und ihre Schwe&#x017F;ter konnten &#x017F;ich<lb/>
nicht entbrechen u&#x0364;ber die niedertra&#x0364;chtige Ver-<lb/>
la&#x0364;umdung zu weinen. Wann, wann, &#x017F;agte Mar-<lb/>
tha mit aufgehobenen Ha&#x0364;nden, wird das Leiden<lb/>
die&#x017F;er anmuthsvollen Fra&#x0364;ulein ein Ende haben?<lb/>
&#x2012; &#x2012; O Vetter Lovelace! &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>So werden mir eines jeden Fehler zur La&#x017F;t<lb/>
geleget! &#x2012; &#x2012; Verflucht &#x017F;ie ihr grau&#x017F;amer Vater,<lb/>
&#x017F;o bin ich es. Jch &#x017F;chelte &#x017F;ie mit ihrer harten<lb/>
Mutter. Jhres einfa&#x0364;ltigen Onkels Unver&#x017F;o&#x0364;hn-<lb/>
lichkeit i&#x017F;t meine Schuld. Jhres Bruders Gift<lb/>
und Galle, ihrer Schwe&#x017F;ter Hohn und Neid<lb/>
kommen ga&#x0364;nzlich von mir her. Die&#x017F;es Galgen-<lb/>
&#x017F;chwengels, des Brands Brief, i&#x017F;t von meiner<lb/>
Hand &#x2012; &#x2012; O Bruder, was fu&#x0364;r ein elender Men&#x017F;ch<lb/>
i&#x017F;t dein Lovelace! &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Ohne einen Brief zuru&#x0364;ckgekommen! &#x2012; &#x2012;<lb/>
Die&#x017F;er verdammte Kerl Wilhelm i&#x017F;t ohne einen<lb/>
Brief zuru&#x0364;ckgekommen! Gleichwohl &#x017F;agt mir der<lb/>
Bube, er ho&#x0364;re, daß ihr die&#x017F;e zween Tage u&#x0364;ber<lb/>
be&#x017F;cha&#x0364;fftigt gewe&#x017F;en, an mich zu &#x017F;chreiben!</p><lb/>
          <p>Der Henker hohle dich, da du meine Unge-<lb/>
dult, und die Ur&#x017F;ache der&#x017F;elben wi&#x017F;&#x017F;en mußt!</p><lb/>
          <p>Jch &#x017F;andte zu keinem andern Ende einen eig-<lb/>
nen Kerl zu Pferde! Meine Einbildungskraft<lb/>
war an den Bauch des Thieres geheftet, um mit<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 2</fw><fw place="bottom" type="catch">dem-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0233] daß irgend ein Menſch Theil an der Gewogen- heit einer Fraͤulein haben ſollte, welche ich nun, wie mich deucht, goͤttlich verehren koͤnnte. Charlotte und ihre Schweſter konnten ſich nicht entbrechen uͤber die niedertraͤchtige Ver- laͤumdung zu weinen. Wann, wann, ſagte Mar- tha mit aufgehobenen Haͤnden, wird das Leiden dieſer anmuthsvollen Fraͤulein ein Ende haben? ‒ ‒ O Vetter Lovelace! ‒ ‒ So werden mir eines jeden Fehler zur Laſt geleget! ‒ ‒ Verflucht ſie ihr grauſamer Vater, ſo bin ich es. Jch ſchelte ſie mit ihrer harten Mutter. Jhres einfaͤltigen Onkels Unverſoͤhn- lichkeit iſt meine Schuld. Jhres Bruders Gift und Galle, ihrer Schweſter Hohn und Neid kommen gaͤnzlich von mir her. Dieſes Galgen- ſchwengels, des Brands Brief, iſt von meiner Hand ‒ ‒ O Bruder, was fuͤr ein elender Menſch iſt dein Lovelace! ‒ ‒ Ohne einen Brief zuruͤckgekommen! ‒ ‒ Dieſer verdammte Kerl Wilhelm iſt ohne einen Brief zuruͤckgekommen! Gleichwohl ſagt mir der Bube, er hoͤre, daß ihr dieſe zween Tage uͤber beſchaͤfftigt geweſen, an mich zu ſchreiben! Der Henker hohle dich, da du meine Unge- dult, und die Urſache derſelben wiſſen mußt! Jch ſandte zu keinem andern Ende einen eig- nen Kerl zu Pferde! Meine Einbildungskraft war an den Bauch des Thieres geheftet, um mit dem- P 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/233
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/233>, abgerufen am 23.11.2024.