Lehre! - - Es kann uns einmal, wer weiß, wie bald, eben der Zustand überfallen.
Jch dachte an dein Gähnsieber, wie es in dei- nem Briefe vom 13ten Aug. beschrieben ist. Denn Mowbray fuhr auf, drehete und schütteite sich, als wenn er einen Anfall vom Fieber bekäme, und streckte beyde Hände über den Kopf aus - - mit deinem Hay! Hay! Hay! mit lauter Gäh- nen. - - Nachdem er sich hierauf noch einmal gestreckt und geschüttelt hatte: kam er wieder zu sich. Was ist die Uhr? rief er, und zog seine Sackuhr hervor. - - Dann schlich er mit lan- gen Schritten auf den Zähen durch das Zimmer und ging die Treppe hinunter. Auf dem Gange begegnete ihn die Magd, und ich hörte, daß er zu ihr sagte: Elisabeth, bringe mir ein gutes Glaß rothen Wein; dein armer Herr und der verdamm- te Belford können schon allein einen Herkules zu einem Grillenfänger machen.
Nachher vertrieb Mowbray sich die Zeit in unsers Freundes Büchersaal mit seinem Bücher- vorrath, welcher, wie du weißt, größtentheils aus den Werken der Alten, den Meisterstücken des Witzes, und aus Schauspielen bestehet. Er fand in Leens Oedipus eine Stelle, die mit aller Gewalt ausnehmend geschickt seyn sollte. Von der Vorstellung des Muths, den sie dem sterben- den Manne einflößen sollte, war er ganz einge- nommen. Daher kam er herein und las sie ihm vor. Sie ist poetisch und artig. Hier ist sie.
Wenn
Siebenter Theil. B
Lehre! ‒ ‒ Es kann uns einmal, wer weiß, wie bald, eben der Zuſtand uͤberfallen.
Jch dachte an dein Gaͤhnſieber, wie es in dei- nem Briefe vom 13ten Aug. beſchrieben iſt. Denn Mowbray fuhr auf, drehete und ſchuͤtteite ſich, als wenn er einen Anfall vom Fieber bekaͤme, und ſtreckte beyde Haͤnde uͤber den Kopf aus ‒ ‒ mit deinem Hay! Hay! Hay! mit lauter Gaͤh- nen. ‒ ‒ Nachdem er ſich hierauf noch einmal geſtreckt und geſchuͤttelt hatte: kam er wieder zu ſich. Was iſt die Uhr? rief er, und zog ſeine Sackuhr hervor. ‒ ‒ Dann ſchlich er mit lan- gen Schritten auf den Zaͤhen durch das Zimmer und ging die Treppe hinunter. Auf dem Gange begegnete ihn die Magd, und ich hoͤrte, daß er zu ihr ſagte: Eliſabeth, bringe mir ein gutes Glaß rothen Wein; dein armer Herr und der verdamm- te Belford koͤnnen ſchon allein einen Herkules zu einem Grillenfaͤnger machen.
Nachher vertrieb Mowbray ſich die Zeit in unſers Freundes Buͤcherſaal mit ſeinem Buͤcher- vorrath, welcher, wie du weißt, groͤßtentheils aus den Werken der Alten, den Meiſterſtuͤcken des Witzes, und aus Schauſpielen beſtehet. Er fand in Leens Oedipus eine Stelle, die mit aller Gewalt ausnehmend geſchickt ſeyn ſollte. Von der Vorſtellung des Muths, den ſie dem ſterben- den Manne einfloͤßen ſollte, war er ganz einge- nommen. Daher kam er herein und las ſie ihm vor. Sie iſt poetiſch und artig. Hier iſt ſie.
Wenn
Siebenter Theil. B
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Lehre! ‒ ‒ Es kann uns einmal, wer weiß, wie
bald, eben der Zuſtand uͤberfallen.
Jch dachte an dein Gaͤhnſieber, wie es in dei-
nem Briefe vom 13ten Aug. beſchrieben iſt. Denn
Mowbray fuhr auf, drehete und ſchuͤtteite ſich,
als wenn er einen Anfall vom Fieber bekaͤme,
und ſtreckte beyde Haͤnde uͤber den Kopf aus ‒ ‒
mit deinem Hay! Hay! Hay! mit lauter Gaͤh-
nen. ‒ ‒ Nachdem er ſich hierauf noch einmal
geſtreckt und geſchuͤttelt hatte: kam er wieder zu
ſich. Was iſt die Uhr? rief er, und zog ſeine
Sackuhr hervor. ‒ ‒ Dann ſchlich er mit lan-
gen Schritten auf den Zaͤhen durch das Zimmer
und ging die Treppe hinunter. Auf dem Gange
begegnete ihn die Magd, und ich hoͤrte, daß er zu
ihr ſagte: Eliſabeth, bringe mir ein gutes Glaß
rothen Wein; dein armer Herr und der verdamm-
te Belford koͤnnen ſchon allein einen Herkules zu
einem Grillenfaͤnger machen.
Nachher vertrieb Mowbray ſich die Zeit in
unſers Freundes Buͤcherſaal mit ſeinem Buͤcher-
vorrath, welcher, wie du weißt, groͤßtentheils aus
den Werken der Alten, den Meiſterſtuͤcken des
Witzes, und aus Schauſpielen beſtehet. Er
fand in Leens Oedipus eine Stelle, die mit aller
Gewalt ausnehmend geſchickt ſeyn ſollte. Von
der Vorſtellung des Muths, den ſie dem ſterben-
den Manne einfloͤßen ſollte, war er ganz einge-
nommen. Daher kam er herein und las ſie ihm
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/23>, abgerufen am 21.11.2024.
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