Obr. Wer sind sie, mein Herr? Was für einen Schein des Rechten haben sie, sich in eine Sache zu mischen, wo an der einen Seite eine er- kannte Schuld, an der andern die Ehre einer an- sehnlichen Familie, die durch eben die Schuld an ihrem zartesten Theile verwundet ist, in Betrach- tung kommt?
Mowbr. der dem Obristen zuflisperte. Mein liebes Kind, sie werden mir einen großen Gefallen thun, wenn sie mir eine bequeme Gele- genheit geben wollen, auf ihre Frage zu antwor- ten. Hiemit ging er hinaus.
Der Obrist ward von meinem Lord in dem Zimmer zurückgehalten: und ich brachte Mow- bray wieder herein.
Obr. Jch bitte sie, mein lieber Lord, erlau- ben sie mir, diesem dienstfertigen Cavallier aufzu- warten. Jch bitte sie darum. Jch will binnen drey Minuten die Ehre haben, wieder bey ihrer Gnaden zu seyn: verlassen sie sich darauf.
Lovel. Mowbray, heißt das wie ein Freund mit mir handeln, daß du mich für untüchtig an- siehest, für mich selbst zu antworten? Und soll ein Mann, der Ehre und Herz hat, wie ich von dem Herrn Obrist Morden weiß; so unbedächtlich er sich auch vielleicht in diesem Besuche bewiesen hat; Ursache haben zu sagen, daß er in meines Lords M. Haus, gewissermaßen entblößt von Be- dienten und Freunden, komme, und soll doch um der Ursache willen nicht vielmehr Nachsicht, als Beschimpfung finden? Diesen Augenblick, mein
lieber
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Obr. Wer ſind ſie, mein Herr? Was fuͤr einen Schein des Rechten haben ſie, ſich in eine Sache zu miſchen, wo an der einen Seite eine er- kannte Schuld, an der andern die Ehre einer an- ſehnlichen Familie, die durch eben die Schuld an ihrem zarteſten Theile verwundet iſt, in Betrach- tung kommt?
Mowbr. der dem Obriſten zufliſperte. Mein liebes Kind, ſie werden mir einen großen Gefallen thun, wenn ſie mir eine bequeme Gele- genheit geben wollen, auf ihre Frage zu antwor- ten. Hiemit ging er hinaus.
Der Obriſt ward von meinem Lord in dem Zimmer zuruͤckgehalten: und ich brachte Mow- bray wieder herein.
Obr. Jch bitte ſie, mein lieber Lord, erlau- ben ſie mir, dieſem dienſtfertigen Cavallier aufzu- warten. Jch bitte ſie darum. Jch will binnen drey Minuten die Ehre haben, wieder bey ihrer Gnaden zu ſeyn: verlaſſen ſie ſich darauf.
Lovel. Mowbray, heißt das wie ein Freund mit mir handeln, daß du mich fuͤr untuͤchtig an- ſieheſt, fuͤr mich ſelbſt zu antworten? Und ſoll ein Mann, der Ehre und Herz hat, wie ich von dem Herrn Obriſt Morden weiß; ſo unbedaͤchtlich er ſich auch vielleicht in dieſem Beſuche bewieſen hat; Urſache haben zu ſagen, daß er in meines Lords M. Haus, gewiſſermaßen entbloͤßt von Be- dienten und Freunden, komme, und ſoll doch um der Urſache willen nicht vielmehr Nachſicht, als Beſchimpfung finden? Dieſen Augenblick, mein
lieber
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Obr. Wer ſind ſie, mein Herr? Was fuͤr
einen Schein des Rechten haben ſie, ſich in eine
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kannte Schuld, an der andern die Ehre einer an-
ſehnlichen Familie, die durch eben die Schuld an
ihrem zarteſten Theile verwundet iſt, in Betrach-
tung kommt?
Mowbr. der dem Obriſten zufliſperte.
Mein liebes Kind, ſie werden mir einen großen
Gefallen thun, wenn ſie mir eine bequeme Gele-
genheit geben wollen, auf ihre Frage zu antwor-
ten. Hiemit ging er hinaus.
Der Obriſt ward von meinem Lord in dem
Zimmer zuruͤckgehalten: und ich brachte Mow-
bray wieder herein.
Obr. Jch bitte ſie, mein lieber Lord, erlau-
ben ſie mir, dieſem dienſtfertigen Cavallier aufzu-
warten. Jch bitte ſie darum. Jch will binnen
drey Minuten die Ehre haben, wieder bey ihrer
Gnaden zu ſeyn: verlaſſen ſie ſich darauf.
Lovel. Mowbray, heißt das wie ein Freund
mit mir handeln, daß du mich fuͤr untuͤchtig an-
ſieheſt, fuͤr mich ſelbſt zu antworten? Und ſoll ein
Mann, der Ehre und Herz hat, wie ich von dem
Herrn Obriſt Morden weiß; ſo unbedaͤchtlich er
ſich auch vielleicht in dieſem Beſuche bewieſen
hat; Urſache haben zu ſagen, daß er in meines
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/207>, abgerufen am 23.11.2024.
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